Tag Zwei in Hongkong
Im Juli hatten wir Gelegenheit, Soulnote in Japan zu besuchen. Auf dem Weg dorthin war ein kurzer Abstecher nach Hongkong eingeplant – liegt ja fast auf der Strecke. Das Reiseziel: Die heiligen Hallen von WestminsterLab und Lumin; Unser Gastgeber: Angus Leung, dem das erste Unternehmen gehört und der für das zweite die Fäden als Marketing-Mann spinnt. Tag Zwei unseres Besuchs in Hongkong …
Tag Zwei: Pixel Magic, Lumin und nochmal WestminsterLab
Am Morgen des zweiten Tags sammelte uns Angus Leung zeitig ein. Die Reise ging wieder quer durch ganz Hongkong in den Stadtteil Pek Shek Kok, der an einer riesigen Bucht nördlich der Metropole liegt. In einem Kraftakt stampfte die Stadt einen “Science Park” aus dem Boden, der Besuchern auch wie ein Vergnügungspark erscheinen kann: überall Restaurant, Bistros, Cafés, gemütliche Aufenthaltszonen, Fitnesseinrichtungen, Spiele und irre, bisweilen vertrackte Architektur. Das Ziel der farbenfrohen Erlebniswelt ist Austausch. Es soll den ansässigen Firmen, Konzernen und Forschungsinstituten so schwer wie möglich gemacht werden, ihr Wissen und Know-how nicht mit den anderen auszutauschen. Und mittendrin, im Gebäude 19W: Pixel Magic.
Im krassen Kontrast zum Besuch bei WestminsterLab erleben wir hier keine Werkstatt und auch keine Manufaktur. Als lupenreines Tech-Unternehmen ist Pixel Magic eher ein Entwicklungsbüro, in dem in erster Linie gestaltet und programmiert wird. Die fertigen Produktionspläne gehen via Datenleitung einige Kilometer nach Norden (Shenzhen), wo Fachbetriebe die CAD-Files in Geräte verwandeln.
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Zu Gast bei … WestminsterLab und Lumin, Hong Kong (1)
Zu Gast bei … WestminsterLab und Lumin, Hong Kong (2) – dieser Artikel
Produktion in der “Nachbarschaft”
Eine solide Auswahl der fertiggestellten Produkte landet freilich wieder im Science Park. Da sich vor allem die Audio-Komponenten von Lumin als Luxusware verstehen, nehmen die Entwickler und Ingenieure jedes Detail unter die Lupe. Wie uns Geschäftsführer Nelson Choi beim Rundgang durch seine Firma erklärt, habe man von Anfang an den gesamten Support im Haus erledigt. Die Ingenieure wollten wissen, welche Bugs die Geräte lähmen, welche Lötstellen zuerst aufgeben und wo sich weitere Sollbruchstellen in der komplexen Elektronik verbergen. Überall im Haus können wir Kisten voller Platinen und Schaltungen entdecken, die penibel durchgemessen und analysiert wurden.
Erst Video, dann Audio
Vielleicht sollten wir aber zunächst über den Werdegang von Pixel Magic sprechen. Das Unternehmen wurde 2003 gegründet und konnte sich mit SAT-Receivern, Set-Top-Boxen und digitalen (HDD-)Videorecordern aus dem Stand im fernöstlichen Markt etablieren. Doch schon nach wenigen erfolgreichen Jahren zeichneten sich düstere Wolken am Horizont ab: Web-Streaming. Nelson Choi und seinem Team wurde schnell klar, dass die neue Technologie wenig mehr als ein Laptop oder ein iPad erforderte. Da wird die Luft für einen Spezialisten wie Pixel Magic schnell dünn. Da er nicht der einzige HiFi-Enthusiast im Hause war, entschloss man sich 2012, Streamer zu fertigen und so ein zweites Standbein aufzubauen: Lumin.
Verflixte Software
Seither entstand bei Pixel Magic eine wahre Armada hochkarätiger Netzwerkspieler und -Bridges. Neuerdings – und damit meine ich seit knapp fünf Jahren – baut das Unternehmen auch die bereits erwähnte Endstufe Amp und den zugehörigen Vorverstärker P1.
Da es abgesehen vom FIDELITY-Award 2020 (Lumin X1) und dem wuseligen “Wir probieren alle Kombinationen durch”-Hörraum bei Pixel Magic nicht viel zu sehen gibt, kam Angus Leung auf die Idee, uns mit dem Entwickler der exzellenten Lumin-Software Peter Lie zusammenzubringen. Ein genialer Einfall, da diese Leute normalerweise für uns unzugänglich im Hintergrund agieren.
Ich muss offen zugeben, dass ich die Entstehung eines Streamer-Betriebssystems bislang für wenig mehr als das Zusammenstöpseln verschiedener Plugins nebst etwas abschließender Optimierung hielt. Doch Peter Lie klärt uns auf, dass sich die Software eines Lumin-Streamers (generell verwenden alle Produkte identischen Quellcode) in verschiedene Ebenen gliedert. Ohne die hier detailliert auszuführen (es ist uferlos) kann man sagen, dass es mit jeder Ebene kniffliger und fragiler wird, das Produkt am laufen zu halten: Dienste wie Roon, Spotify Connect oder Airplay buhlen mit den Grundfunktionen um Prozessorleistung und Arbeitsspeicher.
Die Balance wahren
Die Balance dieser “Software-Bausteine” ist alles andere als trivial: Neben dem D/A-Wandler ist die Betriebssoftware bei einem Streamer die Basis des Klangs. Wie gut (bzw. stressfrei) die Zusammenarbeit des Netzwerk-Controllers mit dem Medienspieler und all seinen Codecs funktioniert, wie reibungslos der Transfer ins DSD- oder S/PDIF-Ausgabeformat abläuft und wie nahtlos sich die 64-Bit-LEEDH-Pegelsteuerung integriert, hat unglaubliche Auswirkungen auf das Ergebnis. Insbesondere dann, wenn man es wie Lumin 200-prozentig umsetzen möchte!
Zum Abschluss unseres Besuchs zeigt uns Peter Lie noch einen neuen Streaming-Kern, der gerade erst für künftige Generationen der Streamer entwickelt wurde. Es dunkelte mir dabei vage, dass unsere Redaktions-Referenz X1 demnächst durch eine “2” abgelöst werden könnte. Das ist rein spekulativ, doch ist der Verdacht durchaus begründet, dass Pixel Magic seinen neuen Chipsatz auch einsetzen wird.
Intermezzo 3: Hongkong, die zweite
Anschließend hatten wir tatsächlich ein wenig Freizeit: Ab zum “Peak”, einem hochgelegenen Touristenmagneten auf Hongkong Island. Dort konnten wir die atemberaubende Aussicht auf die gesamte Stadt genießen, ehe wir zum Dinner in einen Großmarkt mitten in der City fuhren. Sie erinnern sich: Wir wollten es authentisch. Chinesisches Fondue mit Geflügel und Zunge stand auf dem Plan – und es war abermals hervorragend.
Das beste kommt am Schluss
Reichlich satt und erschöpft fuhr uns Angus Leung zur letzten Etappe unseres audiophilen Städtetrips: Im Ortsteil Tsuen Wan haben er und Felix einen kleinen Loft gemietet, der als Showroom für Vertriebe, Händler sowie dann und wann auch Endkunden dient. Ew International Tower lautet der bedeutungsschwangere Name des Gebäudes. Mit knapp 30 Etagen geht es in der Umgebung allerdings beinahe unter. Wir betreten den Turm durch eine riesige Garagenzufahrt, zwängen uns in einen Aufzug und drücken die Taste zur 18. Etage. Das erste, was mir oben angekommen auffällt ist das Gebäude gegenüber, knapp 50 Meter höher als der Showroom von WestminsterLab. Es handelt sich um ein riesiges Parkhaus – für ausgewachsene LKW!
Angus führt uns vorbei an einer Auspuffanlage, die eine der Wände ziert, hinein in seinen Hörraum. Wenn es sein Ziel ist, einkehrenden Besuchern ein erstauntes “Oha!” zu entlocken, kann ich ihn nur beglückwünschen: Der Hörraum ist faszinierend.
Stimmungsvoller Showroom
Die Anlage steht an einer schmalen Seite des hohen Raums. In den Zimmerecken stapeln sich Türme aus Absorber-Material, das in dreieckige Form geschnitten wurde und das herrlich rustikale Mauerwerk verdeckt. Zentral hinter der Kette sowie seitlich der Lautsprecher füllen riesige Diffusoren einige Quadratmeter Fläche.
Wir haben uns kaum auf dem Sofa niedergelassen, als die erste Klänge durchs Zimmer schallen: Welle um Welle erfassen uns abgrundtiefe und doch straff konturierte Bässe. Die robuste Bassperformance dürfte auch an der Ausstattung der Kette liegen: Gleich zwei Rei-Endstufen machen jeder der beiden Vivid Audio Giyas Dampf.
Ich muss gestehen, dass ich durch Hitze, Jetlag, notorische Überfütterung und Schlafentzug am äußersten Rande meiner Auffassungsgabe angekommen war. Aber gerade das mag die Magie der Klangdemonstration ausgemacht haben.
Fast zwei Stunden lang legte Angus Leung Track um Track auf, führte uns von erdigem Techno zu pompös verzwirbeltem Electro, fand einen fließenden Übergang zu klassischen Orchesteraufnahmen, Klavierkonzerten, Singer-Songwriter-Musik und strandete schließlich in einem Ausklang von Jazz, Blues und anspruchsvollem Pop. Ich kann nicht aufzählen, wie oft ich zwischen den zahllosen Plattenwechseln eine Gänsehaut bekam, als der vermeintliche Club, in dem wir gerade noch standen, zum ausgewachsenen Konzertsaal mutierte.
Ein Muster an Ausgewogenheit
Die Kette musizierte zusammenhängend, schmelzig, verfügte über eine geradezu irrwitzige Dynamik und – was mir immer am wichtigsten ist – über einen musikalischen Fluss, in dem man sich verlieren kann. Sicher dürfte es für eifrige Stöberer möglich sein, das System in dieser (oder einer sehr ähnlichen) Zusammenstellung auch auf einer HiFi-Show zu erleben. Die Komponenten eines Herstellers jedoch in eben jenem Raum zu erleben, in dem sie entwickelt und feingeschliffen wurden, ist ein einzigartiges Erlebnis.
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