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Ypsilon Phaethon

Ypsilon Phaethon

Die Essenz der Musik

Ypsilon Phaethon

Manchmal muss man einen Schritt zurückgehen, um zwei nach vorn zu kommen. Innovation heißt für Ypsilon-Entwickler Demetris Backlavas nicht, überall die neuesten Technologien zu nutzen, sondern Altbekanntes vollkommen neu zu denken. Das Ergebnis – der Ypsilon Phaethon – ist ebenso unscheinbar wie verblüffend.

Ypsilon Phaethon

In aller Kürze:
Der Ypsilon Phaethon ist so intensiv musikalisch, dass man erst beim zweiten Hinhören merkt, wie natürlich er klingt.

Ypsilon Phaethon


„Mache alles so einfach wie möglich, aber nicht einfacher“ – entgegen landläufiger Meinung hat Einstein das wohl nie gesagt. Von wem es stammt, kümmert mich auch wenig, das Sprichwort resoniert einfach in mir; vielleicht weil ich mich selbst immer wieder daran erinnern muss, dass die zweite Satzhälfte ebenso wichtig ist wie die erste. Im Grunde meiner HiFi-Seele bin ich Purist – nicht falsch verstehen: Ich sehe sehr wohl die Vorzüge eines DSP-geglätteten Aktivlautsprechers und hege keinerlei Vorurteile gegen Class-D-Verstärker. Wenn mich eine HiFi-Komponente aber wirklich faszinieren soll, dann will ich geniale Einfachheit sehen. Schließlich gibt es nicht nur im HiFi, sondern im Ingenieurswesen generell gute Gründe, Design so simpel wie möglich zu halten: Weniger Bauteile bedeuten prinzipiell weniger Fehlerquellen (oder im Audiobereich: weniger Signaldegradation), und wenn ein Design mit weniger Teilen auskommt, kann man bei gleichem Budget höherwertiges Material verbauen.

Nun gibt es ja genug Hersteller, die sich aus diesen Gründen konsequent der Reduktion auf das absolute Minimum verschrieben haben – das Problem ist nur, dass Minimalismus um jeden Preis in der Realität nun mal meistens kompromissbehaftet ist. Eine Frequenzweiche, die nur mit Filtern erster Ordnung arbeitet? Gerne doch, wenn man denn Treiber findet, die sich in ihrem Übertragungsbereich über sechs Oktaven hinweg überlappen können, ohne sich danebenzubenehmen – viel Spaß beim Suchen. Single-Ended-Verstärker ohne jegliche Über-alles-Gegenkopplung? Sicher, wenn man bereit ist, bei den Messwerten ein Auge zuzudrücken und dreistellige Eingangs- bei einstelliger Ausgangsleistung zu tolerieren.

Ypsilon Phaethon

Den Single-Ended-Zauber retten

Warum ich Ihnen das alles erzähle? Weil der Ypsilon Phaethon eine dieser Komponenten ist, die mich wirklich faszinieren. Dabei wirkt er eigentlich gar nicht so puristisch – bei genauerem Hinsehen dann aber wieder doch. Der Vollverstärker ist für mich der Erstkontakt mit dem griechischen Hersteller Ypsilon Electronics, doch wenn ich mir ansehe, was Entwickler Demetris Backlavas so treibt, stelle ich schnell fest, dass er ein Ingenieur nach meinem Geschmack ist.

Die Geschichte von Ypsilon Electronics begann wie so oft im professionellen Audiobereich, in dem Backlavas als Elektroingenieur tätig war. Hier entstand der Wunsch, Elektronik zu entwickeln, die die Klangcharakteristik eines Live-Events einfängt. Das Mittel der Wahl schienen ihm dabei seit jeher Single-Ended-Triodenverstärker (SET) zu sein, weil diese Topologie seines Erachtens nach wie vor der Maßstab ist, wenn es um Feinauflösung und eine musikalisch involvierende Wiedergabe geht. So weit, so gut, allerdings ist sich Backlavas auch im Klaren darüber, dass es nicht wirklich möglich ist, einen SET zu entwickeln, der auch schwierigere Lautsprecher souverän antreiben kann – schon gar nicht, ohne sich dabei Gedanken über die Schmelztemperatur der Kühlkörper machen zu müssen.

"Ypsilon Phaethon
Warmer Empfang: Ab Werk werden in der Eingangsstufe des Ypsilon Phaethon die Musiksignale von einem Paar 6H6p-Röhren – eine pro Kanal – verarbeitet. Wer an dieser Stelle experimentieren möchte, kann im Innern drei Jumper umstecken; dann lassen sich auch Röhren der 5687-Familie, wie beispielsweise 7044 oder E182CC, verwenden.

Das hielt ihn und Mitgründer Andy Hassapis freilich nicht davon ab, nach circa zehn Jahren des Tüftelns an Topologien und vor allem Transformatoren auf der London Audio Show in Heathrow 2005 das erste echte Ypsilon-Produkt vorzustellen: die Single-Ended-Monoblöcke SET-100, die satte 100 Watt an allen Lasten liefern und in ihrer nunmehr vierten Iteration auch heute erhältlich sind. Damit gab er sich jedoch nicht zufrieden und suchte nach Wegen, den berühmten Single-Ended-Zauber in effizientere und laststabilere Topologien zu retten. Das haben vor ihm natürlich schon viele versucht, aber Backlavas scheint hier eine besonders elegante Lösung eingefallen zu sein.

Komplexität im Dienst der Einfachheit

Das Ergebnis seiner Bemühungen heißt Phaethon und verkörpert wie kaum ein anderes Gerät beide Hälften unseres einleitenden Sinnsprüchleins. Ausgangspunkt der Entwicklung war hier tatsächlich eine Schaltung, wie sie in OTL(Output Transformerless)-Röhrenverstärkern eingesetzt wird – jenen SETs, die die Bauteilaskese so weit treiben, dass sie selbst auf Ausgangsübertrager verzichten und, Sie ahnen es, in der Realität leider mehr schlecht als recht funktionieren. Am Ende des Entwicklungsprozesses ist von der klassischen OTL-Topologie nicht mehr viel übriggeblieben: Schraubt man den Phaethon auf und blickt hinein, könnte man ihn auf den ersten Blick tatsächlich für einen ganz normalen Push-Pull-Verstärker halten. Das müssen wir uns mal genauer ansehen.

Ypsilon Phaethon
Wenn man weiß, wie puristisch das Arbeitsprinzip des Ypsilon Phaethon im Wesenskern ist, kann man beim Blick unter die Haube nur staunen: Vom Ausgangspunkt der Entwicklung, einer Eintakt-Röhrenausgangsstufe ohne Übertrager, ist nicht viel übriggeblieben – außer der Tatsache, dass es sich letztlich immer noch um eine (allerdings symmetrische) Eintaktschaltung handelt und der Verstärker dank MOSFETs als Gain Devices tatsächlich ohne Ausgangsübertrager auskommt.

Als puristisch kann die Schaltung allemal durchgehen, kommt sie doch mit lediglich drei Gain-Stufen aus, wobei Eingangs- und Treiberstufe jeweils röhrenbestückt sind, während in der Ausgangsstufe MOSFETs arbeiten – eine in Puristenkreisen vielleicht etwas blasphemische, aber naheliegende Art, den Ausgangsübertrager loszuwerden. Wenn ich vorhin schrieb, dass man die Schaltung leicht mit einer Push-Pull-Topologie verwechseln kann, dann liegt das daran, dass im Ausgang jeder Kanal jeweils von zwei Sätzen von Transistoren bearbeitet wird – und hier liegt der Clou der Schaltung: Die Transistoren haben jeweils die gleiche Polarität und arbeiten nicht im Wechseltakt, sondern ähnlich wie bei einer XLR-Verbindung symmetrisch – im Prinzip also ein gebrücktes Paar Single-Ended-Ausgangsstufen, „Balanced Single-Ended“, wie es im Datenblatt heißt. Anders als in üblichen Eintaktschaltungen hat Backlavas hier allerdings einen Weg gefunden, den Brückenbetrieb so zu nutzen, dass jeder Transistor die gesamte Welle wiedergibt, ohne dass dafür der Ruhestrom in der Mitte der Kennlinie liegen müsste. Wie genau er das angestellt hat, habe ich nicht aus ihm herausbekommen, aber was soll’s – einen Koch fragt man nicht nach dem Rezept. Das Design ist also wesentlich effizienter und vor allem auch laststabiler als ein SET, rettet aber gleichwohl die Kerntugend („Seele“, wenn wir romantisch sein wollen) dieser Verstärkergattung: Das Musiksignal wird nicht alle 180 Grad zersägt und wieder zusammengefügt, es gibt keine Übernahme zwischen Halbwellen und folglich auch keine Übernahmeverzerrungen. Gleichzeitig mobilisiert der Phaethon üppige 110 Watt an acht beziehungsweise 180 Watt an vier Ohm und wird dabei lediglich handwarm.

Ypsilon Phaethon
Weggeduckt: Um die Front nicht mit einem harten Netzschalter zu verunzieren, wanderte dieser vorne links auf die Unterseite des Gehäuses und wartet dort in der Praxis unsichtbar auf seinen Einsatz. Zum Glück hat sich diese Position in High-end-Kreisen mittlerweile so weit eingebürgert, dass man ihn intuitiv auf Anhieb findet.

Eisen satt

Der aufmerksame Leser mag sich an dieser Stelle etwas wundern, warum sich Backlavas bei der Entwicklungsarbeit vor allem Transformatoren widmete, die er auf jeden Fall für klangentscheidend hält, um sich dann konsequent auf einen Verstärker ohne Ausgangsübertrager einzuschießen. Die offensichtliche Antwort könnte natürlich „Netzteil“ lauten und wäre auch nicht falsch, aber unvollständig – tatsächlich war unsere erste Reaktion bei der Betrachtung des Innenlebens: „Puh, da ist echt viel Eisen drin!“ Zwischen den Stufen kommt im Ypsilon Phaethon statt eines Koppelkondensators ebenfalls ein Transformator zum Einsatz – eine aufwendige und kostspielige Lösung, aber selbst die besten Kondensatoren sind nun mal klanglich nicht so neutral wie ein guter Trafo.

Und damit nicht genug: Auch die Lautstärkeregelung überantworten Backlavas und Hassapis nicht Potis oder Widerstandsnetzwerken, sondern ebenfalls einem großzügig dimensionierten Transformator, der nicht im Eingang sitzt, sondern das bereits verstärkte Signal drosselt. Das hat zwei wesentliche Vorteile: Erstens wird die Lautstärkeregelung mit einer hohen Spannung angesteuert, die viel näher an ihrem optimalen Betriebspunkt liegt, als dies bei eingangsseitigen Pegelstellern der Fall ist. Zweitens wird bei der Reduzierung der Lautstärke jegliches Rauschen gleich mit abgesenkt – beste Voraussetzungen also für den begehrten „schwarzen Hintergrund“. Bei unserem Testexemplar handelt es sich im Übrigen um einen Phaethon SE (Silver Edition), bei dem für die Trafokerne in der Lautstärkeregelung und beim Zwischenübertrager ein speziell angefertigtes getempertes Material zum Einsatz kommt, dass sich in Bezug auf die magnetische Flussdichte besonders linear verhalten soll. Das „Silver“ in der Versionsbezeichnung rührt allerdings nicht davon, sondern vom Material der Innenverkabelung her.

Ypsilon Phaethon
Bei der schieren Bauteilezahl sind wir nicht böse darum, dass der Phaethon nicht vollständig, sondern nur über weite Teile frei verdrahtet ist. In der von uns getesteten Silver Edition besteht diese im Übrigen aus Silber. Zudem wird hier in den Trafokernen ein spezielles getempertes Material eingesetzt.

Die Papierform liest sich also auf jeden Fall schon mal beeindruckend, aber am Ende zählt bekanntlich das Ergebnis – zwischen mir und dem Hörvergnügen stand allerdings noch ein kurzes Intermezzo geringfügiger Nervigkeiten: Die Beschriftungen der Eingänge an der Gehäuserückseite und der Funktionen auf der Fernbedienung sind jeweils nur graviert – das sieht irre schick aus, ist bei Abwesenheit von Tageslicht jedoch teils nahezu unsichtbar. Die zweite Kleinigkeit ist die Tatsache, dass der Phaethon nach dem Einschalten grundsätzlich gemutet ist – ich habe das ein oder andere Mal alle Kabelverbindungen geprüft, bevor ich auf den Trichter gekommen bin, wieso jetzt keine Musik aus den Boxen kommt. Das sind aber wie gesagt nur kleine Eigenheiten, an die man sich schnell gewöhnt hat.

Rhythmus und Klangfarben im Überfluss

Nachdem ich die Mute-Taste auf der Fernbedienung gefunden hatte, konnte ich mich dann aber in Ruhe durch einen üppigen CD-Stapel hören – und bereits bei den ersten Takten stellte sich Begeisterung ein: Der Phaethon spielt rhythmisch packend und rasiermesserscharf auf den Punkt, zeigt dabei jedoch nicht einen Anflug von Härte im Charakter. Ganz im Gegenteil ist er ein Ausbund an Klangfarbenreichtum. Ich muss spontan an einen guten Rotmarderpinsel denken: Seine Aufgabe ist es nicht nur, möglichst viel Farbe zu halten, sondern auch, diese so kontrolliert wie möglich abzugeben. Besonders deutlich wird diese Fähigkeit bei „Tamacun“ von Rodrigo y Gabriela (Rodrigo Y Gabriela) – in einer Passage wiederholt sich ein Melodielauf erst sanft und weich, dann immer energischer gespielt. Selten habe ich die Abstufungen in der Intensität der Dynamik wie auch der Klangfarben der Gitarre so weit aufgefächert gehört! Diese Vorstellung hat absolut gar nichts mit dem Klischee der beliebten Verzerrungen zweiter Ordnung zu tun, die die Musik einfach im Ganzen schön einfärben – der Phaethon hat eimerweise Klangfarben in der Reserve, dosiert sie aber stets exakt so, wie die Aufnahme es gebietet.

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Um mich zu vergewissern, dass er auch wirklich verfärbungsfrei arbeitet, lege ich Dianne Reeves’ „Tenderly“ (The Grand Encounter) ein, das sie im Duett mit Joe Williams singt – einem der wenigen Jazz-Vokalisten, die eine klassische Gesangsausbildung genossen haben. Die Authentizität der Stimmwiedergabe zeigt sich als über jeden Zweifel erhaben. Hier fasziniert mich zudem die Feinauflösung des Verstärkers, wobei diese allerdings einen etwas anderen Charakter zeigt als gewohnt: Neigen besonders auf Information gezüchtete Komponenten gerne dazu, jedes platzende Speichelbläschen quasi unter dem Vergrößerungsglas nachzuzeichnen, bietet sich mir hier stattdessen eine vollkommen unangestrengte Präsentation, bei der ich den Eindruck gewinne, die Stimmen der Sänger auf ihrem gesamten Weg vom Zwerchfell über die Lungen und Lippen in den Raum nachverfolgen zu können, wodurch die beiden unwahrscheinlich körperlich im Raum zu stehen scheinen. Hier wirken Auflösung von Binnendetails und hervorragende Feindynamik zusammen, um einen enorm natürlichen Gesamteindruck hervorzurufen. Die Bühnenabbildung in ihrer Gesamtheit ist dabei nicht sagenhaft breit oder tief, vielmehr nimmt sie durchaus realistische Ausmaße an; alle Schallereignisse werden nicht nur punktgenau platziert, sondern haben stets genug Luft, um sich vollkommen natürlich aufzubauen, zu entwickeln und aufzulösen.
Mit dem Ypsilon Phaethon demonstriert Demetris Backlavas eindrucksvoll, dass technischer Fortschritt auch in vermeintlich ausentwickelten Bereichen der HiFi-Technik möglich ist. Innerhalb klassischer Schaltungsideen hat er hier konsequent quer zur Faser gedacht, bekannte Elemente auf innovative Art miteinander kombiniert und so einen Verstärker geschaffen, der zum Besten zählt, was ich in unserem Hörraum begrüßen durfte. Hut ab!

Ypsilon Phaethon

Vollverstärker

Ypsilon Phaethon

Konzept: Hybrid-Vollverstärker mit „Bridged Single-Ended“-Ausgangsstufe
Leistung (8/4 Ω): 110 W/180 W
Leistungsaufnahme: 125 W Leerlauf
Übertragungsbereich (−3 dB): 11 Hz bis 75 Hz
Eingänge: 3 x unsymmetrisch (RCA), 1 x symmetrisch (XLR)
Eingangsimpedanz: 47 kΩ
Besonderheiten: transformatorbasierte Lautstärkeregelung, getrennte Stromversorgung für Röhren- und Ausgangsstufe
Ausführungen: Schwarz, Silber
Maße (B/H/T): 40/19/43 cm
Gewicht: 35 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: ab 16 500 €; Testversion Silver Edition 31 500 €

WOD Audio

Werner Obst
Westendstraße 1a
61130 Nidderau
Telefon +49 6187 900077
info@wodaudio.de

www.wodaudio.com

Mitspieler

CD-Player: Audio Note CD 3.1x/II, Ayon CD-3sx
Netzwerkplayer/DAC: Cambridge Audio CXN V2, X-odos Xo|stream pro, Lumin X-1
Vollverstärker: Aavik I-580, Trigon Exxceed
Vorverstärker: AVM Ovation SA 8.3, Luxman CL-1000
Endverstärker: AVM Ovation MA 8.3, Luxman M-10x
Lautsprecher: Wilson Audio Sasha DAW, Børresen Z5 Cryo, DALI Epicon 6, AudiaZ Cadenza
Rack: Creaktiv, Solidsteel
Kabel: in-akustik, AudioQuest, Furutech

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