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Lautsprecher wie viele Wege

Wie viele Wege führen zum Glück?

Lautsprecher: Wie viele Wege führen zum Glück?

FIDELITY-Klangtipp #4 – Lautsprecher: Wie viele Wege führen zum Glück?

Illustration: Ralf Wolff-Boenisch

Pro

„Besucht man regelmäßig HiFi-Messen, fällt auf, dass …“, so begann Kollege Uwe Heckers seinen Klangtipp #3, und diese #4 könnte identisch beginnen: Große Lautsprecher mit vielen Chassis respektive Wegen dominieren die Messen. Und das hat jenseits ihrer zweifellos vorhandenen repräsentativen Qualitäten gute Gründe. Ein Musiksignal ist eine komplexe Angelegenheit, ein wildes und sich stetig veränderndes Gemisch verschiedener Frequenzen, von denen sehr viele gleichzeitig auftreten können – und das auch noch mit unterschiedlichen Amplituden, also Lautstärken. Das Gemisch aus Informationen soll vom Lautsprecher möglichst akkurat wiedergegeben werden, nichts darf verdeckt, verschmiert, verschwiegen werden. Sieht man sich angesichts dieser Anforderungen die Arbeit eines Chassis genauer an, wird klar, dass kein einzelner Treiber einen so weiten Bereich abdecken kann.

Es muss also ein möglichst gut zusammenarbeitendes Ensemble aus Spezialisten (mehrere Wege) her. Nur dann, so sollte man meinen, ist eine saubere Präsentation der für die Musik so wichtigen Mitten gewährleistet. Denn nur ein kleiner, vielleicht zehn bis fünfzehn Zentimeter durchmessender Treiber kann den vielen Feinheiten dieses wichtigen Bereichs problemlos folgen. Außerdem bündelt er noch nicht so sehr, was der Raumabbildung und dem reell nutzbaren Hörbereich im Zimmer zugutekommt. Dass einem so kleinen und im Idealfall leichten Treiber nach unten hin irgendwann die Luft ausgeht, ist logisch. Während obenrum dem feinen Impuls keine Masse im Wege stehen soll, muss im Frequenzkeller schlicht Luft bewegt werden. Und dafür braucht man Fläche und Masse. Spätestens jetzt dürfte klar sein, dass man um eine Gruppe erstklassiger Spezialisten nicht herumkommt, wenn man wirklich wissen möchte, was auf den Tonträgern gespeichert ist. Zudem kann es auch ein recht beruhigendes Gefühl sein, wenn man schlicht sieht, wie man sein sauer verdientes Geld investiert hat.

Kontra

Wenn es doch nur so einfach wäre. Einerseits stimmt das oben Gesagte. Andererseits hat Gott vor den Hörgenuss das Material gesetzt. Und was in der Idee ganz hervorragend aussieht, muss sich nicht zwangsläufig in der Praxis behaupten. Denn wie in fast allen Bereichen des Lebens gilt auch hier, dass große Systeme auch große Probleme mit sich bringen. So, wie in einer größeren Abteilung einer Firma mit der Menge der Spezialisten die meiste Zeit für die Befriedung menschlicher Themen draufgeht, arbeitet man bei der Entwicklung eines komplexen Lautsprechers einen großen Teil der Zeit daran, die mit den konstruktiven Vorteilen mitgelieferten Nachteile zu kompensieren. Einfaches Beispiel: Ein Lautsprecher mit vielen Chassis benötigt eine gewisse Größe, um die vielen Bauteile überhaupt räumlich unterbringen zu können. Das bedeutet, dass die Gehäusewände wachsen, sie in der Folge leichter mit jedem Impuls der Chassis mitschwingen, Resonanzen ausbilden und mehr … Natürlich kann man das bekämpfen und bedämpfen, allerdings steigt der Aufwand exponentiell zur Größe

Bei einer kleinen Spendor 3/5 sind die Flächen hingegen so klein, dass schon ein paar Stückchen Bitumen ausreichen, um das Thema ad acta zu legen. Arbeitet das Gehäuse aber fröhlich und mit eigenem Kopf mit, hat es sich schnell mit den vielen wunderschönen Details, die der ach so spezialisierte, besonders kleine und leichte Mitteltöner hervorbringen kann: Sie bleiben einfach im Mulm der Kiste stecken. Ähnliche Probleme gelten für die Frequenzweiche. Bis man die vielen Spezialisten im Gleichschritt marschieren lässt, ist nicht selten die Weiche zum Bauteilgrab mutiert. Dann sind zwar die ersten offensichtlichen Fehler korrigiert, allerdings hat man wieder neue geschaffen. Und so weiter. Natürlich gibt es gute Lautsprecher mit vielen Wegen. Der Aufwand dafür ist allerdings so hoch, dass im „normalen“ finanziellen Bereich eine sauber konstruierte Lösung mit zwei Wegen immer die bessere Wahl ist.

 

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