WestminsterLab Quest und Rei – Old School, New School
WestminsterLab denkt mit der Vorstufe Quest und den Monoblöcken Rei das Prinzip Class A komplett neu und gelangt damit zu außerordentlichen Ergebnissen, die alte Vorurteile auf den Kopf stellen.
In aller Kürze
Totgesagte leben länger. WestminsterLab schafft es, das Class-A-Prinzip innovativ ins 21. Jahrhundert zu hieven, ohne traditionelle Tugenden zu vernachlässigen. Ein ganz großer Wurf.
Westminster? Als audiophiler Vinylist kam mir natürlich sofort das legendäre englische Klassik-Label in den Sinn, das heute noch für herausragende Aufnahmen der 50er und 60er Jahre steht. Aber weit gefehlt! WestminsterLab ist ein noch recht junges, innovatives High-End-Unternehmen, das zunächst als Kabelmanufaktur begann, dann eine Kooperation mit Lumin einging und gemeinsam mit den chinesischen Digitalspezialisten auf der Münchner HIGH END 2016 die beachtliche Endstufe Unum vorstellte. Der verbindende Kopf zwischen WestminsterLab und Lumin ist der aus Hongkong stammende Angus Leung, der während seines Studiums in London mit zwei Freunden WestminsterLab gründete. Nach der Entwicklung der Unum konzipierte Leung zunächst den Lumin Amp, bevor er nun den Schritt mit einer ultimativen Vor-End-Kombination gewagt hat, deren Ziel es ist, das althergebrachte Prinzip des Class A komplett neu zu denken. Womit wird dann doch wieder bei den legendären Westminster Records wären, denn welchem Freund der großen Stereofonie-Ära der 60er Jahre wird bei dem Gedanken an traditionelle Verstärkungsprinzipien nicht warm ums Herz?
Sonorität und Präzision
Krey Baumgartl vom deutschen Vertrieb IAD hatte dankenswerterweise auch gleich die Komplettverkabelung aus dem Hause WestminsterLab mitgeschickt, sodass ich mir über die Güte der verwendeten Netz-, Lautsprecher- und XLR-Kabel keinerlei Gedanken machen musste. Es scheint mir auch konsequent zu sein, beim Erwerb der Verstärkerkombination auf diese Kabel zurückzugreifen, schließlich möchte man in ein sinnvolles Gesamtkonzept investieren. Irritiert war ich dann aber doch, wie denn diese handlichen Monoblöcke mit immerhin 100 Watt Class A an 8 Ohm meine Gamut phi7 antreiben sollten, ohne dass man binnen weniger Minuten zwei Glutöfen gegenübersitzen würde. Allerdings war ich schon vorgewarnt worden, dass hier so einiges komplett anders laufen sollte. Und so blieb ich einigermaßen sprachlos, mit welcher Präzision, Detailgenauigkeit und doch auch Lässigkeit die Beats von Yellos „The Expert“ zwischen den Lautsprechern umherwirbelten und Dieter Meiers sonorer Sprechgesang involvierend den Raum füllte. Das war beim ersten Hören der typische Class-A-Sound alter Schule und dann doch auch wieder nicht. Zeit also, sich das theoretische Konzept Angus Leungs etwas näher anzuschauen.
Immer einen kühlen Kopf bewahren
Das thermische Verhalten des Kühlkörpers ist einer der entscheidenden Faktoren bei der Konstruktion eines Class-A-Verstärkers. Während man von klassischen Class-A-Konzepten gewohnt ist, dass man meist nach 30 Minuten Betrieb ein Spiegelei auf der Geräteoberfläche braten kann, bleibt es bei den Monoblöcken auch nach ganztägigem Dauereinsatz lediglich handwarm. Die Leistungsaufnahme des Verstärkers liegt im Leerlauf bei etwa 60 bis 80 Watt. Man hat bei WestminsterLab viel Zeit und Mühe in die Entwicklung der thermischen Gesamtstrategie des Geräts investiert, um eine solche thermische Effizienz mit passivem Kühlungsdesign zu erreichen. Studien von Finite-Simulationen und Strömungsdynamik sollten die Entwicklung eines sehr effizienten Kühlkörpers mit minimaler mechanischer Resonanz sicherstellen. Im Vergleich zu Kühlkörpern mit konventionellem Profil sind die Kühlungsmodule im Rei alle CNC-gefräst, um mit einem asymmetrischen Lamellendesign die beste Wärmeleitfähigkeit zu gewährleisten. Erstaunlich in diesem Zusammenhang auch, wie frühzeitig die Verstärker bereits unmittelbar nach dem Einschalten auf den Punkt spielten, was durchaus zum Konzept des Designs gehört. Nichts bestimmt die Leistung und vor allem den Charakter einer Endstufe so stark wie die Vorspannungseinstellung, die damit ein wesentliches Schlüsselelement bei der Konstruktion darstellt.
Transistoren verhalten sich bekanntlich bei verschiedenen Temperaturen unterschiedlich. Wenn ein Modell mit konstanter Vorspannung in einem Verstärker verwendet wird, kann es entweder eine ganze Weile dauern, bis er seine optimale Arbeitstemperatur erreicht, oder aber er erwärmt sich schnell, überschreitet jedoch in kürzester Zeit die optimale Arbeitstemperatur, was nicht gewollt sein kann. Um hier ein Optimum zu erreichen, hat man bei Westminster Lab die iBIAS-Technologie entwickelt. Diese Technologie ermöglicht es, den Bias in Abhängigkeit von der Belastung und dem Zustand des Verstärkers in Echtzeit anzupassen und zu optimieren. Sicher, nach den ersten 20 Minuten legten Dynamik und Abbildung noch eine Spur zu, aber es ist mitnichten zwingend nötig, die Monoblöcke bereits eine längere Zeit vor dem Hören in Betrieb zu nehmen. Allenfalls bei großorchestraler Musik wie dem Beginn von Mahlers Fünfter Sinfonie in der Aufnahme mit dem Gürzenich Orchester unter Franoçis-Xavier Roth: Hier schoben tiefes Blech und Kontrabässe nach besagten 20 Minuten Betrieb noch ein wenig mehr nach vorne, entwickelten die Tuttiakkorde nach der Eingangsfanfare einen größeren Druck auf die Magengrube. Dass in den tumultuösen Passagen des zweiten Satzes der Sinfonie ein hohes Maß an Transparenz und Durchhörbarkeit gegeben war, ist eindeutig auf die Vorstufe zurückzuführen, deren technisches Design sich ebenso innovativ wie das der Monoblöcke gestaltet.
WestminsterLab: Das Beste aus zwei Welten
Die Stromversorgung kann gemeinhin als die wesentliche Baustelle einer herausragenden Vorstufe ausgemacht werden. Die Quest verfügt dabei über ein üppiges Versorgungskonzept. Mit zehn separaten Stromschienen wird die höchstmögliche Trennung zwischen verschiedenen Kanälen und für verschiedene Komponenten und Module innerhalb des Geräts angestrebt. Die verschiedenen Schienen sind aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen und Bedingungen speziell für die verschiedenen Sektionen des jeweiligen Elements ausgelegt und gewährleisten eine möglichst rauscharme Leistung. Neben der Stromversorgung sind es vor allem die Signalwege innerhalb der Vorstufe, die das klangliche Verhalten stark beeinflussen. Durch die Reduzierung unnötiger Komponenten und die Vereinfachung des Schaltplans hat man hier einen entscheidenden Vorteil in der Flexibilität bei der Layoutgestaltung der Leiterplatte gewonnen. Wenn möglich, verlaufen Signale vertikal zueinander, wenn nicht, verlaufen sie so weit wie möglich voneinander entfernt, um unerwünschte Interferenzen zu reduzieren. Ein Konstruktionsaufwand, der sich hörbar auszahlt. Also nochmal zurück zur bereits gehörten Mahler-Aufnahme. Die Holzbläser offenbaren, dass die Vorstufe tonal auf der unbestechlichen sauberen Seite steht. Oboen und Klarinetten klingen, wie diese eben klingen sollen, von Euphonie keine Spur. Dass dennoch der Eindruck einer leichten klanglichen Wärme entsteht, liegt daran, dass die Kombination Quest/Rei den Blick auf das große Ganze wirft, ohne jedoch Details zu vernachlässigen und mit einem unnachahmlichen und geradezu swingenden Flow überzeugt.
Prachtvolle Körper
Gänzlich neu entdeckt habe ich etliche Jazz-Aufnahmen der 60er Jahre, die in unangenehmem Pingpong-Stereo produziert wurden. Wir kennen alle diesen nervtötenden Effekt, wenn sich die Musiker bis in die äußersten Winkel des Stereodreiecks verziehen und scheinbar zusammenhanglos jammen. Indem hier aber die Instrumente deutlich an Körperlichkeit zulegen und alle Musiker dadurch eine Spur Abstand voneinander gewinnen, löst sich die Leere des Pingpong-Stereos auf und die Imagination eines identifizierbaren Halbrunds entsteht. Davon angefixt habe ich tatsächlich einen ganzen langen Abend lang etliche Jazzproduktionen durchgehört, die ich sonst eher aufgrund ihrer speziellen Produktion in der Giftecke habe stehen lassen.
Besonders erwähnenswert sind dabei die Duette von Bassklarinette und Kontrabass auf Eric Dolphys Musical Prophet. Wir hören hier beide Instrumente seltsam in die linke Stereohälfte geschoben. Ist der Verstärker nun nicht in der Lage, Räumlichkeit und vor allem Körperlichkeit herzustellen, gewinnt man den Eindruck, Klarinette und Bass seien ineinander verschoben. Nicht so bei der Kombination Quest/Rei. Auch wenn sich das Klanggeschehen ausschließlich links der Mitte abspielt, so sind die Musiker doch klar voneinander getrennt, sowohl auf der vertikalen als auch auf der horizontalen Ebene, und nach wenigen Takten vergisst man bereits die Unzulänglichkeit der Aufnahme aus dem Jahr 1963. Die Körperlichkeit der instrumentalen Abbildung macht regelrecht süchtig.
Bevor die Verstärker-Preziosen die Heimreise in Richtung Vertrieb antreten, versuche ich innerlich ein Resümee zu ziehen. Sicher, es war die bislang kostspieligste Verstärkerkombination, die in meinem Hörraum zu Gast war. Und das Ambitionierte des Preises hat sich zweifellos auch in ebensolchem Klang niedergeschlagen, aber eben nicht in einem Showeffekt des plakativ Spektakulären. Da mutierten die Musiker nicht zu Zirkusakrobaten, sondern es war die musikalische Stimmigkeit, die das Faszinierende ausgemacht hat. Bei jedem Takt, unabhängig vom musikalischen Genre, war man gewillt zu sagen: So und nicht anders. Class A lebt – und wie!
FIDELITY: Mr. Leung, warum heute noch einen Class-A-Verstärker? Wo sehen Sie die klanglichen Vorteile im Vergleich zu Class AB oder derzeit Class D?
Angus Leung: Aus technischer Sicht hat Class A im Vergleich zu Class AB weniger Verzerrungen und im Vergleich zu Class D eine viel linearere Leistung bei unterschiedlichen Belastungen (der Tiefpassfilter ist bei Class D die Achillesferse). Aus subjektiver Sicht sind wir der Meinung, dass Class A mehr Mikrodetails und Atem in die Musik bringt und vor allem die Fähigkeit hat, die Atmosphäre der Musikstücke zu vermitteln. Ich kann es nur schlecht erklären, aber es fühlt sich an, als ob die Musik mit Ihnen im Raum wäre.
FIDELITY: Aber de facto ist das Handling von Class A schwieriger?
Angus Leung: Ganz richtig. Theoretisch ist A besser als AB, aber es gibt viele praktische Einschränkungen, die einer optimalen Realisierung des Class-A-Konzepts lange im Wege standen, zumindest nicht mit dem Standard, den wir uns gesetzt haben. Nach jahrelanger Forschung und Entwicklung haben wir es schließlich mit unserem eigenen Bias-Design geschafft. Ein reiner Class-A-Verstärker, der nicht wie ein typischer Verstärker seiner Bauart klingt.
FIDELITY: Die Verstärker sind ursprünglich für einen rein symmetrischen Betrieb ausgelegt. Können Sie erklären, wo Sie darin einen Vorteil für sich sehen? Es ist zwar möglich, unsymmetrische Anschlüsse nachzurüsten, aber erreiche ich dann immer noch die angestrebte Klangqualität?
Angus Leung: Wir haben immer an die Theorie des besseren CMRR bei symmetrischer Technik geglaubt. Natürlich bedeutet dies eine Menge zusätzlicher Arbeit und Anpassung, um sicherzustellen, dass beide Phasen ihre Aufgabe erfüllen, aber wir glauben an diese Art der Übertragung, und unsere Hörtests haben bisher bewiesen, dass wir recht haben. Die Eingangssektion des Rei ist, ebenso wie die des Quest, speziell für den symmetrischen Eingang ausgelegt. Eine Umrüstung auf unsymmetrische Eingänge ist zwar möglich, aber die Leistung wird dadurch stark beeinträchtigt. Wir würden dem Benutzer empfehlen, die RCA-Eingangskarte für die Quest zu kaufen, um das Signal umzuwandeln und ab der Quest symmetrische Verbindungen zu verwenden.
FIDELITY: Die optische Gestaltung Ihrer Geräte wirkt wohltuend schlicht. Kein Bling-Bling, keine verunglückten Design-Experimente.
Angus Leung: Unsere Philosophie ist immer „Weniger ist mehr“, und wir übertragen diese Philosophie auf jeden Aspekt des Unternehmens. Schaltkreisdesign, Industriedesign, Produktdesign und sogar die Verpackung. Wir betrachten jedes einzelne Detail unter verschiedenen Gesichtspunkten und prüfen, welchen Ansatz wir verfolgen sollten und welche unnötigen Elemente oder Ablenkungen entfernt werden können, um das Gesamterlebnis zu verbessern. Im Industriedesign bedeutet dies, dass störende „Designmerkmale“ oder „Linien“, die nicht zu rechtfertigen sind, entfernt werden. Im Produktdesign bedeutet dies, dass alle physischen Knöpfe auf der Vorderseite des Vorverstärkers entfernt werden – das mag unkonventionell sein, aber wer würde die Regler physisch einstellen, wenn man eine Fernbedienung zur Hand hat? In Bezug auf die Verpackung bedeutet dies, dass die Menge der für die Verpackung verwendeten Materialien reduziert wird, wodurch der gesamte CO2-Fußabdruck des Produkts und die für das Recycling benötigten Materialien verringert werden. Man kann sagen, es ist ein „Zen“-Ansatz von oben bis unten. Wie es aussieht, wie es sich anfühlt und wie es klingt.
Fidelity: Sie erwähnten auch das Schaltungsdesign bei Ihrer Philosophie des „Reduce to the max“. Können Sie das ein wenig ausführen?
Angus Leung: Gerne doch. Bei der Entwicklung von Schaltkreisen bedeutet das, dass „unwesentliche“ Komponenten und Funktionen entfernt werden, um unnötige Verzerrungen und Rauschen zu vermeiden. Viele Unternehmen entwickeln unter Einsatz vieler Filter Schaltkreise mit einer enormen Bandbreite, z. B. drei Megahertz, um die Stabilität zu verbessern. Wir haben einen anderen Ansatz gewählt und eine Schaltung entwickelt, die bei einer uns angemessenen Bandbreite für die Musikwiedergabe stabil ist. Daher können wir die Filter und damit die Anzahl der Bauteilgruppen insgesamt reduzieren. Weniger Bauteile, weniger Verzerrungen! Wir wollen, dass das WestminsterLab-Erlebnis so rein und so destilliert wie möglich ist.
FIDELITY: Mr. Leung, wir danken für das Gespräch.
Info
Endverstärker WestminsterLab Rei
Konzept: Mono-Endverstärker in Class-A-Bauweise
Leistung Standard (8/4/2 Ω): 100/200/400 W
Leistung gebrückt (8/4 Ω): 400/800 W
Frequenzgang (±0,1 dB): 5 Hz bis 40 kHz
Verzerrung (100 W/8 Ω): < 0,1 % bei 1 kHz
Störabstand: 104 dB, A-bewertet
Eingangsimpedanz: 200 kΩ
Ausgangsimpedanz: 0,018 Ω
Eingang: 1 x XLR (symmetrisch)
Ausgang: 1 x XLR (symmetrisch), Single-Wire-Lautsprecherterminal
Maße (B/H/T): 23/11/32 cm
Gewicht: 16 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: um 31 900 € (Paar)
Vorverstärker Quest
Konzept: Vorverstärker mit symmmetrischer Signalführung
Verzerrung: < 0,0001 % bei 1 kHz Störabstand: > 120 dB, unbewertet
Kanaltrennung: > 120 dB
Verstärkung: 6,5 dB
Eingangsimpedanz: 51 kΩ
Frequenzgang (±0,1 dB): 2 Hz bis 100 kHz
Eingänge: 3 Paar XLR (symmetrisch), 2 optionale Module
Ausgänge: 2 x XLR (symmetrisch)
Zusatzoptionen: Extended Carbon Pack (Kohlefaserabschirmung für den Eingangs-, Ausgangs-, Lautstärke- und Stromversorgungsbereich, um 2400 €), Extended Connection Pack (2 zusätzliche Remote-Trigger-Ausgänge für alle Geräte zwecks einfacher Steuerung per Fernbedienung, um 880 €), RCA/Cinch-Anschlussboard (um 1800 €)
Maße (B/H/T): 47/11/39 cm
Gewicht: 13 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: um 23 800 €
Kontakt
IAD GmbH
Johann-Georg-Halske-Straße 11
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