Wechseljahre
Der allgemeine Trend zur Zweithose verdeutlicht, dass sich niemand mit einem Paar Lautsprecher zufriedengeben sollte, denn hier wie dort ist die gleichzeitige Nutzung mehrerer Exemplare zwar unsinnig, kann abwechselnd aber durchaus reizvoll sein.
— Irgendwann kommt im HiFi-Leben der meisten Highender nach vielen Irrungen und Wirrungen der Moment, an dem man mit dem Klang in den eigenen vier Wänden zufrieden ist. Sei es, weil das Gehör nachlässt, weil für den ganz großen Wurf das Geld fehlt oder weil man für die heimischen Räumlichkeiten und den eigenen Geschmack tatsächlich die optimale Anlage gefunden hat. Das Ende des Weges ist erreicht. Eine große Zufriedenheit und innere Ruhe stellt sich ein und man kann sich endlich ganz und gar der Musik widmen, ohne seine Zeit in High-End-Foren zu verplempern. Die Fachmagazine werden abbestellt und die WhatsApp-Gruppe wartet fortan vergeblich auf Antwort. Ein wahrhaft himmlischer Zustand, würde die Perfektion ohne Ecken und Kanten nicht auf Dauer langweilig. Und nun? Man sucht das vermeintlich letzte noch irgendwo in der Suppe verbliebene Haar, regt sich künstlich darüber auf und verhökert die komplette Anlage, um frisch und unbelastet durchzustarten. Back to the roots. Ein attraktiver Gedanke, der aber meistens mit großen finanziellen Verlusten einhergeht und nach weiteren Irrungen und Wirrungen möglicherweise wieder genau da endet, wo man sich hifitechnisch gerade befindet.
Da hat es doch eher Sinn, die alten Lautsprecherschätze aus dem Keller zu revitalisieren. Nur mal so zum Spaß und aus Neugier, mit welchem Sound man sich in grauer Vorzeit einmal zufriedengegeben hat, und um herauszufinden, warum man sich eigentlich nie endgültig von den Dingern getrennt hat. Außerdem hält der Gang ins Untergeschoss fit und ist gut für die Figur. Alternativ kann man sich auch auf dem Gebrauchtmarkt diejenigen Boxen gönnen, die früher unerschwinglich waren, um endlich zu klären, warum man sich damals monatelang die Nase an der Schaufensterscheibe des örtlichen Fernseh- und Rundfunkfachgeschäfts platt gedrückt hat.
Vielleicht entsteht auf diese Weise eine kleine Lautsprechersammlung und damit einhergehend ein völlig neues Hobby. Allerdings benötigen Lautsprecher viel Platz, weil es sich ganz profan lediglich um eine Menge umbaute Luft handelt. Ab dem dritten Paar wird es da oft schon eng in der Abstellkammer und innerfamiliäre Konflikte sind vorprogrammiert. Fein raus ist dagegen, wer sich eher zu Kopfhörern statt Lautsprechern hingezogen fühlt. Die klanglichen Unterschiede zwischen den einzelnen Exemplaren fallen ähnlich groß aus, aber selbst zweistellige Mengen an Schallmützen lassen sich meistens noch gut unterbringen. Außerdem benötigt man für einen Kopfhörerwechsel im Gegensatz zum Lautsprechertausch nur sehr wenig Zeit, wodurch sich die Unterschiede leichter erhören lassen.
Ein ungewöhnlicher Zeitvertreib, aber sicher aufregender als dauerhafte Zufriedenheit.