Vinyl – Die Magie der schwarzen Scheibe
Vinyl-Grooves, Design, Labels, Geschichte und Revival
„In einer Zeit, in der Musik mit einem Antippen des Smartphones immer und überall verfügbar ist, mag die anhaltende Attraktivität der Schallplatte anachronistisch erscheinen.“ So lautet der erste Satz in Mike Evans’ Buch Vinyl – Die Magie der schwarzen Scheibe. Trotz oder vielleicht sogar wegen dieses offenen Widerspruchs erfreut sich die Schallplatte seit Jahren stetig steigender Beliebtheit. Seinen Erfolg verdankt der anhaltende Boom natürlich einer Vielzahl von Faktoren. Zu den stärksten zählen sicher der menschliche Drang zum Sammeln und das nicht zu schlagende haptische Erlebnis, das eine Schallplatte verschafft – da konnte bisher kein digitales Medium mithalten.
Mike Evans’ Buch ist erfrischend übersichtlich strukturiert und entfaltet sich streng chronologisch. Es reicht von den Anfängen des Phonographen von Thomas Edison (erster Phonograph 1877) über Emil Berliner, der mit seiner wachsüberzogenen Zinkscheibe als der Erfinder der heutigen Schallplatte gilt (1888), bis in das Hier und Heute und die Vorstellung von „verrückten“ Sammlern. Dabei wird auf die Entstehungsgeschichte des Cover-Artwork ebenso eingegangen wie auf die unterschiedlichen, über die Jahre hinweg wechselnden Materialien der Schallplatte (beschichtete Pappe, Gummi, Schellack, Schellack mit Steinmehl, Vinyl etc.). Auch der Herstellungsprozess wird ausführlich beschrieben und mit vielen, teils historischen Bildern sehr schön illustriert.
Was das Buch aber zu einem echten Nachschlagwerk macht: die nach Jahrzehnten (40er Jahre, 50er Jahre, 60er Jahre usw.) gegliederte Aufarbeitung der jeweiligen technischen Errungenschaften und Hintergründe sowie die Anekdoten zu Labels und Künstlern. Wussten Sie zum Beispiel, dass der Begriff „Long Playing“ (LP) am 18. Juni 1948 im Hotel Waldorf Astoria in New York im Rahmen einer Pressekonferenz von Columbia Records das Licht der Welt erblickte? Columbia präsentierte damals die unschlagbaren Vorteile einer neuen Technik, Platten zu schneiden und damit mehr Musik auf ihnen zu speichern. Viele dieser kleinen Geschichten bereichern das Wissen über den schwarzen Tonträger, manche laden aber auch zum Schmunzeln ein.
Last but not least hat sich Mike Evans den Spaß gemacht, ein kleines Kapitel der Auslaufrille zu widmen. Oder vielmehr dem, was einige findige Künstler und Tontechniker neben der Matrizennummer dort noch so alles, meist handschriftlich, verewigt haben. Beispiele gefällig? “I’ve been looking for a guide”, Joy Division, Unknown Pleasures (1979). “Don’t worry / Nothing will be O.K.!”, Eagles, One Of These Nights (1975). “Why don’t you trade those guitars for shovels?”, Nirvana, Love Buzz (1988). “Vinyl makes ears happy!”, EL-P, Fantastic Damage (2002) …
„Dieses Buch verfolgt nicht das Ziel, die Leser zum Umstieg von einem Format auf ein anderes zu überreden, sondern ist eine Würdigung der Schallplatte in all ihren Facetten. Von der ersten Stereoaufnahme bis zum Gatefold, vom Konzeptalbum bis zur Maxi-Single, von Artwork bis DJ-Sample – die Schallplatte hat dazu beigetragen, dass die Populärmusik so ist, wie wir sie heute kennen, und hält jede Menge neue Entdeckungen für die kommende Hörgeneration bereit.“ Diesem letzten Satz der Einleitung möchten wir nichts weiter hinzufügen.
Ein Buch mit der Garantie auf viele vergnügliche Stunden und neue Einblicke in die Welt der Schallplatte.
Info
Mike Evans
Vinyl – Die Magie der schwarzen Scheibe
Edition Olms, Zürich, 260 Seiten
Preis: um 29,95 €
ISBN-13: 978-3283012373