Vintage Ten von Fyne Audio: Neue Technik im bewährten Gewand
Die Optik der Vintage Ten ist eindeutig oldschool. Dieser Lautsprecher sieht aus wie weiland eine Tannoy aussah, ist aber im Rezensionsfall eine hundertprozentige Fyne-Audio-Konstruktion. Beiden Herstellern gemein ist das Herkunftsland: Schottland. Ebenfalls beiden gemein sind Koaxialchassis (zwei Chassis liegen quasi ineinander auf einer axialen Ebene) und beide arbeiten konsequent an Verbesserungen. Bekannterweise sind die Gründer ehemalige Tannoy-Mitarbeiter, die sich im Jahre 2015 – nach dem Verkauf von Tannoy an die „Music Group“ von Uli Behringer – mit Fyne Audio selbständig gemacht haben. Alles besser, alles „fyne“? Die Antwort auf diese Frage kommt hier …
In aller Kürze
Die konzentrierte Anwendung von Tanno… – Verzeihung – Fyne Audios langjährigem „Know-How“ sorgt für Anerkennung beim Hörer: Eine stabile Raumabbildung und spürbare Freude an Details, verbunden mit einer recht unproblematischen Aufstellung, machen die Fyne Audio Vintage Ten zu einem genießerischen oder intensiver ausgedrückt: lustvollen Schallwandler.
Schon in FIDELITY No° 69 hat mein Redaktionskollege Frank Lechtenberg bei der Beschreibung der Fyne Audio Vintage Five alle nennenswerten, konstruktiven Features der Vintage-Serie aufgezählt. Fein, dann muss ich dies an dieser Stelle nicht wiederholen. Nur der guten Ordnung halber erwähnt seien darum die technischen Daten der Vintage Ten:
Tech Talk in aller Kürze
Sie ist ein 2-Wege System mit abwärts gerichteter Tieftonunterstützung durch die sogenannte (und zum Patent angemeldete) „Twin-Cavity-BassTrax-Tractrix“-Schallführung. Deutlich sichtbar ist die 250 mm IsoFlare-Punktschallquelle. Selbige besteht aus einer Mischfasertiefmitteltonmembran und einem 75 mm Druckkammerhochtöner mit Titanmembran. Ein entsprechender Neodymmagnet sorgt für die potenten, elektrischen Momente. Die empfohlene Verstärkerleistung beträgt 20 – 280 Watt – also durchaus röhrentaugliche Werte. Der Wirkungsgrad wird mit 94 dB angegeben und die Nennimpedanz beträgt acht Ohm. Der Frequenzgang liegt bei 26 Hz bis 26 kHz. Die Abmessungen betragen: 47/104/49 cm (B/H/T), das knapp 55 Kilogramm schwere Gehäuse besteht aus Birkenmultiplex, ist in Walnußholz furniert und zweifelsfrei tadellos ausgeführt. Fertig!
Im – beiliegenden – umfangreichen Zubehörkarton finden sich neben den prächtigen Metallspikes (inkl. Bodenschonern) und handgearbeiteten Bi-Wiring-Kabelbrücken auch eine Dose Wachs für die Holzoberflächen. Um eine langjährig schöne Oberfläche zu gewährleisten, empfiehlt sich die Behandlung von Zeit zu Zeit durchaus.
Feinripp-Sicke
Oberfläche ist sogleich das passende Stichwort. Auffallend ist nämlich die Sicke des Chassis. Kein Designgag, nein eher ein ziemlich clever gelöstes Thema. Das sagt der Hersteller dazu: „Auch bei der Gestaltung der Randeinspannungen wurde besonderes Augenmerk auf die Resonanzminderung gelegt. Energie kann bei bestimmten Frequenzen auf die Membran zurückreflektiert werden, wenn die Einspannung symmetrisch ist. Unsere FyneFlute-Technologie stellt einen nicht-homogenen Abschluss der Membran dar, der die Bewegungsenergie aufnimmt. Mit dieser rechnergestützt entworfenen Formgebung gelingt es, die durch nicht optimierten Randabschluss verursachten musikalischen Verfärbungen zu verhindern.“
Doch verlassen wir den Bereich der reinen Technik und wenden uns mit ein paar Worten der Aufstellung zu. Was mir ausgesprochen leichtfällt, denn eine derart unkomplizierte Box hatte ich schon lange nicht mehr im Hörraum. Klar – „ganz in die Ecke“ darf selbst ein untenherum „ausatmender“ Lautsprecher auf keinen Fall (ab-)gestellt werden, etwas Luft benötigt auch diese Konstruktion – Minimum 60 cm zur Wand sollten es schon sein.
Der Abstand zwischen den Lautsprechern ist immer eine Frage des jeweiligen Raumes und kann deshalb an dieser Stelle nicht allgemeingültig beschrieben werden. Vielleicht hilft ein Beispiel der Aufstellung in diesem Rezensionsfall: Mein Raum ist vier Meter breit und zehn Meter lang. Der Boxenabstand zu den seitlichen Wänden beziffere ich mit ca. 80 cm, verbleibt ein Rest von 240 cm. Minus zweimal Boxenbreite (93,6 cm) verbleiben zwischen den Innenkanten der Fyne Audio Vintage Ten knappe 150 cm. Das sieht jetzt nicht nach viel aus, geht aber in diesem Zustand mit nicht eingewinkelten Boxen sehr gut. Der Klang im Raum rastet dann in rund sechs Metern Abstand regelrecht ein.
Wir platzieren eine Vintage Ten
Die andere Version besteht darin, dass die „Ten“ auf den Hörplatz entsprechend eingewinkelt wird – das ist die verwendete Aufstellungsart im aktuellen Test. Quasi großes Monitorhören – und ganz ehrlich, das hat mir sehr gut gefallen! Die klangliche Abbildungsfähigkeit leidet bei dieser Art der Aufstellung in keinem Fall, eher ist das Gegenteil der Fall. Denn, so im klassischen Dreieck sitzend wird es schlagartig sehr intim zwischen Lautsprecher und Hörer. Eine Antwort auf schwierige Raumverhältnisse findet der Besitzer der „Ten“ zusätzlich frontseitig. Anhand des Drehreglers lassen sich +/- 3 Dezibel im Präsenzbereich zwischen 2,5 und 5 Kilohertz einstellen und rückwärtig lässt sich zusätzlich noch die Energie des Hochtones stufenweise einstellen. Mein Raum ist akustisch behandelt und aus diesem Grund stehen alle Regler des Lautsprechers auf neutral.
„Der Geduldige wird belohnt!“ Ein altes Sprichwort, welches sofort auf die Einspielzeit des Lautsprechers verweist. Soll ich jetzt schreiben, dass „es recht schnell geht“? Dann definiert sich diese Formulierung in ein paar hundert Stunden. Wie immer, ist auch an diesem Beispiel alles relativ. Was für ein Glück für mich, dass die beiden hier in Rede stehenden Lautsprecher bereits vertriebsseitig bestens eingespielt bei mir eintrafen. So konnte ich vom Zeitpunkt der Anlieferung sofort intensive Wochen mit der Vintage Ten verbringen.
Drei, zwo, eins…Musik!
Bei der Auswahl der Musik beginne ich diesmal mit Pink Floyd. Es hat sich oftmals sehr schnell gezeigt, ob ein Lautsprecher Klangpotential beinhaltet, wenn er mit „viel“ Musik konfrontiert wird. Dazu kommt auch, dass ich die Band seit Jahrzehnten höre und deshalb auch sehr gut im Ohr habe. Und? Der Ansatz war wieder einmal richtig. Zum warm werden gebe ich uns das Album P.U.L.S.E.
Da ist so ziemlich alles drauf, was die Band berühmt gemacht hat. Ich schicke den Lautstärkepegel meines 845er Röhrenverstärker gleich in Richtung 11 Uhr – Pink Floyd in „Flüsterlautstärke“? Geht doch mal gar nicht…! „Hey You“ – Die Vintage Ten zeigen mir die Stimme sauber zentriert aus der Mitte, fein umrahmt von der Gitarre und dem E-Piano und der Einsatz des Schlagzeuges erfolgt fast explosionsartig. „Speak To Me“ lässt die Membrane pumpen – wären Sie anwesend, dann würden Sie mich gerade breit grinsend vorfinden. Natürlich darf „Time“ nicht fehlen: Gitarre und Percussion in trauter Nachbarschaft und überaus motiviert verbunden – was geht ab? … die Fyne Audio Vintage Ten!
Gern auch Orgel
Bevor ich mir noch gänzlich die Ohren verblase, runter mit der Lautstärke und eine solide Stilrichtungsänderung. Frei und offen ertönen die Tasten des Bandoneons beim Sexteto Mayor, entspannt, weil zurückgelehnt in meinen Hörplatz, lasse ich mir diese klassischen Instrumente vorführen – in ganzer Gänze läuft diese ganz hervorragend aufgenommene CD aus der „World-Network“-Serie durch. Was für ein musikalisches Fest! Sogleich folgt die komplette Hörsitzung mit dem Buena Vista Social Club – diesmal auf Vinyl. Tja – zwei Doppel-LP-Seiten später kann ich die Abstimmung des/r Chassis als sehr gelungen bezeichnen.
Eine Kirchenorgel (z.B. Allegro moderato aus der Sonate BWV 1031 von Johann Sebastian Bach, transkribiert für Oboe und Orgel) wird in einer derartigen Fülle präsentiert, die aufhorchen lässt. Die glaubhaften Körperdarstellungen der einzelnen Instrumente gehören zu den herausragenden Abbildungseigenschaften dieses Lautsprechers. Gerade bei in der Reproduktion besonders schwierigen Instrumenten, wie Orgel oder Holzresonanzkörper, zeigt er sein Können. Hierbei zieht die Vintage Ten wahrlich „alle Register“. Das Erbe Frescobaldis (in einer Intonation von Sebastian Anton Scherer) erlebe ich bei geschlossenen Augen derart nah, daß ich meinen könnte, ich stünde direkt vor dem Instrument und sähe dem Organisten auf Hände und Füße.
Die Vintage Ten: sauber und stabil
Kari Bremnes‘ Tonträger You‘d Have To Be Here spiegelt die tonalen Qualitäten dieses Lautsprechers wohl am deutlichsten wider und dieser Titel könnte somit auch bestens als Überschrift für die Fyne Audio Vintage Ten stehen. Er zeigt augenscheinlich, wie eine skandinavische Mitsommernacht aussehen könnte. Die unterschiedlichen Farbschattierungen werden hier quasi „sichtbar“ vorgetragen, will sagen: Augen zu und Gedanken freien Lauf lassen. Sehr sauber, dabei immer stabil bleibend, wird Ton um Ton aus der Rille geholt.
Nächster Stilwechsel: Rockmusik, dargeboten von Sir Mick und seinen langjährigen Mitstreitern in Form der LP Metamorphosis aus dem Jahre 1975. Hier rocken die Rolling Stones mit ihrer seit jeher so kennzeichnenden Herzhaftigkeit, dass es bis heute eine wahre Freude ist. Satte Basstrommelschläge, funkige Bassläufe, versehen mit zum Teil sehr bekannten und lässigen Gitarrenklängen, das Ganze selbstredend dominiert vom Sänger. Keine Frage, hier kommt die gute Laune nicht zu kurz – ich sage nur: „Don’t Lie To Me“.
Noch schnell etwas von Mighty Sam McClain. Soul Survivor fällt mir ganz zufällig in der Hand, als meine Augen die CD-Wand absuchen. Eine SACD vom damaligen Blues Label „AudioQuest Music“, welches Ende der 1980er Jahre gegründet wurde und heute als Sledgehammer Blues bei Valley Entertainment weitergeführt wird. Kennzeichen dieser Aufnahme ist, dass man analoge Technik mit maßgeschneiderter Röhrenelektronik nutzte. Dazu vermied man jede Rauschunterdrückung, Kompression, Equalizer oder Limiter. So ist das Ergebnis in letzter Konsequenz nur logisch: Ein überaus realistischer und spontaner Klang der Aufnahmen, dem jede Überproduktion fehlt (im Gegensatz zu dem heutzutage gerne mit dem Suffix versehenen „Remastered“, welches dem Musikfreund als besonderes positives Merkmal verkauft wird).
… Metallica!
Ach, ich vergesse ja ganz zu schildern, was die „Ten“ aus derartigen Musikmaterial macht: Ein Klangfestival erster Güte – noch Fragen…? Final wird dem Lautsprecher eine wirklich gemeine Kostprobe von „Apocalyptica“ serviert. Metallicas „Nothing Else Matters“ erklingt – diesmal vorgetragen von vier Celli, die in eine andere Klangwelt getrieben werden. Ohne Probleme stellt die Vintage Ten entweder das Solo-Celli einzeln oder mit allen anderen zusammen in den Raum, der quasi als großer Resonanzkörper ventiliert.
Fazit
Die konzentrierte Anwendung von Tanno… – verzeihung – Fyne Audios langjährigem „Know-How“ sorgt für Anerkennung beim Hörer: Eine stabile Raumabbildung und spürbare Freude an Details, verbunden mit einer recht unproblematischen Aufstellung, machen die Fyne Audio Vintage Ten zu einem genießerischen oder intensiver ausgedrückt: lustvollen Schallwandler.
Info
Fyne Audio Vintage Ten
Konzept/Aufbau: Standlautsprecher 2-Wege System mit Bassreflexgehäuse
Treiber: IsoFlare-Punktquellen-Treiber mit 250-mm-Tiefmitteltöner und 75-mm-Kompressions-Hochtöner mit Titanmembran, Neodymmagnete
Frequenzgang: 26Hz – 26 kHz (-6 dB)
Trennfrequenz: 750 Hz
Impedanz: 8 Ohm
Wirkungsgrad: 94 dB/W/m
empfohlene Verstärkerleistung: 20 bis 280 Watt
Regelwerk: Presence-Regler 2,5 bis 5 kHz (+/- 3dB), Höhenabstimmung oberhalb 750 Hz (+/- 3 dB)
Besonderheiten: BassTrax-Bassreflexöffnung (nach unten gerichtet) mit Traktrix-Diffusor
Ausstattung: handgearbeitete Kabelbrücken, Spikes inkl. Bodenschoner, Holzpflege
Maße (B/H/T): 47/104/49cm
Gewicht (Stück): 54,6 kg
Garantie: 5 Jahre
Paarpreis: um 21.200 €
Kontakt
TAD Audiovertrieb GmbH
Rosenheimer Straße 33
83229 Aschau im Chiemgau
Telefon +49 8052 9573273
hifi@tad-audiovertrieb.de
www.tad-audiovertrieb.de
Mitspieler
CD-Spieler: Restek Epos
Plattenspieler: Transrotor Dark Star mit TR Konstant Reference M1, Tonarm TR 9S
Tonabnehmer: Audio Technica VM760 SLC
Röhrenvollverstärker: mfe TA 845 SE
Phonoverstärker: Restek MRIA+
Lautsprecher: Heresy III mit Frequenzweichen von Elixir-Loudspeakers, Thivan Labs Eros 9 Ultra
Kabel: HMS XLR und RCA/Cinch, AudioQuest, Netzfilter mfe DF1+, in-akustik AC-4500