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Trommelgewitter

Trommelgewitter

Vinyl-Corner

Trommelgewitter – Percussionmusik aus Japan

Noch immer klingt reine Schlagzeugmusik fremdartig. Unser Vinyl-Corner nimmt Sie mit auf eine Reise in Richtung Japan.

Schlagzeugensembles können für Highender Lust und Frust gleichzeitig sein. Einerseits lassen sie uns genussvoll in gewaltige Klangwelten einsteigen, die Impulsverhalten und Dynamik einer Wiedergabekette bis zum Äußersten reizen können, andererseits malträtieren sie uns mit gewöhnungsbedürftigen musikalischen Sphären, die häufig so gar nicht in unsere bekannten Hörmuster passen. Lassen Sie uns deshalb in unserem aktuellen Vinyl-Corner einige empfehlenswerte audiophile Kleinodien betrachten, die – bei entsprechender musikalischer Neugier – auch den klanglichen Horizont erweitern. Wir begeben uns dafür auf eine weite Reise in Richtung Japan und erleben dort fulminante Trommelgewitter.

Auf unserem Plattenteller liegt zunächst ein Reissue des Labels UHQLP, das sich der Widerveröffentlichung jener Aufnahmen verschrieben hat, die durch ihre außergewöhnliche Dynamik legendär geworden sind. Um diesem Legendenstatus auch bei den Reissues gerecht zu werden, hat man sich bei UHQLP einem doppelten Verfahren verschrieben. Man vertraut zunächst dem Halfspeed-Mastering, bei dem die Schneidemaschine mit halber Geschwindigkeit läuft, sodass der Schneidestichel doppelt so viel Zeit hat, um eine möglichst verzerrungsfreie Hochtonwiedergabe und eine sehr stabile Stereoabbildung zu produzieren. Im Herstellungsprozess verwendet UHQLP dann ausschließlich das One-Step-Verfahren. Reisen wir mit diesem technischen Wissen nun zunächst in das Jahr 1999 zurück, in dem eine der bekanntesten Veröffentlichungen des bereits 1969 gegründeten japanischen Schlagzeugensembles Ondekoza entstanden ist: Dotou Banri.

Trommelgewitter

Ondekoza war maßgeblich an der Entwicklung neuer japanischer „Folklore“ beteiligt; die ursprünglichen Mitglieder, die größtenteils keine formale musikalische Ausbildung hatten, lebten gemeinsam in einem alten Schulhaus und lernten Taiko, Koto und traditionellen Tanz. Einer der Schlüssel zum Erfolg der Gruppe war das Arrangieren traditioneller Melodien und Stile zu stilisierten Musikstücken. Um aber einem Missverständnis vorzubeugen: Es handelt sich bei der Musik Ondekozas nie um originale traditionelle japanische Musik, sondern immer nur um eine stilisierte Adaption, die im Laufe der Jahre auch dem kommerziellen Blick auf folkloristische Elemente nicht abgeneigt war. Und so vernehmen wir auf den vier Plattenseiten brachiale Schläge großer Trommeln, die sich mit gehauchten Flötentönen und zart gezupften Saiteninstrumenten abwechseln. Besonders beeindruckend sind die kaum hörbaren Trommelwirbel im Pianissimo, die aber ein ungeahntes Kribbeln in der Magengrube verursachen. Dabei wirkt die Musik musikalisch nie überfordernd, merkt man doch sofort, das Ondekoza immer darauf bedacht war, mehr die Idee japanischer Musik als das Original zu vermitteln.

Die 1962 gegründeten Percussions de Strasbourg gelten bis heute als die Experten zeitgenössischer Schlagzeugmusik. Als eines der ersten reinen europäischen Percussion-Ensembles erlangten sie mit ihrem außergewöhnlichen Repertoire und ihrem Engagement für Kompositionsaufträge und Uraufführungen schnell Weltruhm. Die Gruppe, der mehr als 350 Werke gewidmet wurden, pflegt und entwickelt auch heute noch ihr weltweit einzigartiges Repertoire und Instrumentarium. In den vergangenen 60 Jahren sind zahlreiche und mit Preisen überhäufte Aufnahmen entstanden, die häufig auch klangliche Maßstäbe setzen konnten. So gilt die 1971 bei Inédits ORTF entstandene LP mit Werken Maurice Ohanas auch heute noch bei Vinylnerds als eine der ganz großen audiophilen Referenzaufnahmen. Umso erfreulicher ist es, dass das Ensemble mittlerweile neben den digitalen Veröffentlichungsformaten das Vinyl wiederentdeckt und gemeinsam mit dem Label Outnote Records auch weiterhin konsequent in High-End-Maßstäben denkt. So ist die letzte Vinylveröffentlichung Regentanz auf zwei LPs erschienen, sodass mit jeweils ca. 15 Minuten Spielzeit pro Seite genügend Raum für eine adäquate Rillenbreite und -tiefe blieb.

Trommelgewitter

Die bereits 2019 herausgekommene Aufnahme widmet sich vier japanischen Komponisten, die alle Mitglieder einer international agierenden Avantgarde sind, aber dennoch die traditionelle japanische Schlagzeugkunst als Fixpunkt ihrer Kompositionen betrachten. Titelgebend für das Album ist Toshio Hosokawas Komposition Regentanz (der originale Titel verwendet tatsächlich das deutsche Wort!). Dieses Stück wurde für Les Percussions de Strasbourg komponiert und ist sein erstes Stück für das Percussion-Ensemble. Es besteht aus Beschreibungen verschiedener Formen von Regen mit Perkussionsinstrumenten (Regentropfen, leiser Regen, starker Regen, Regenschauer, Donnergrollen und Gewitter usw.), dann erscheint der letzte Teil, der auf dem Rhythmus des Regentanzes der Native Americans basiert und sich zu einer abstrakten interkulturellen Musik voller Rausch und Ekstase aufschaukelt. Ähnlich orgiastisch startet Yoshihisa Tairas Hiérophonie V. Laute Schreie der Percussionisten, harte Trommelschläge, wilde Wirbel der Snares, sich aufbäumende Crescendi von Becken und Gongs, all dies entwickelt eine unglaubliche körperliche Wirkung. Es ist eine Musik, der man sich mit Haut und Haaren hingeben muss, vorausgesetzt, das heimische Audioequipment ist in der Lage, diesen zwölfminütigen musikalischen Overkill adäquat wiederzugeben. Kleiner Tipp am Rande: Bringen Sie diese LP mal mit zu einer Hausmesse ihres heimischen HiFi-Händlers oder bitten Sie bei HiFi-Tagen mal den Vorführer, Hiérophonie V aufzulegen. Man wird Sie dafür lieben. Oder auch hassen …

Ondekoza – Dotou Banri

Label: UHQLP
Format: 2 LPs

Ondekoza – Dotou Banri bei Sieveking Sound

Hosokawa, Kishino, Taira, Takemitsu – Regentanz

Les Percussions de Strasbourg
Label: Outnote Records
Format: 2 LPs

www.percussionsdestrasbourg.com

Die angezeigten Preise sind gültig zum Zeitpunkt der Evaluierung. Abweichungen hierzu sind möglich.