Triangle Esprit Australe EZ – Vive le charactère, vive la France!
Grande Dame mit Persönlichkeit
Das Leben ist schön! Draußen knackige 30 Grad im Sonnenuntergang, die Getränke entsprechend nahe dem Gefrierpunkt gekühlt, auf dem Grill schmurgeln die Steaks. Zeit für gepflegte Fachsimpelei unter Gleichgesinnten bei einer Hopfenkaltschale. Zu Gast an diesem kurzweiligen Abend: Jürgen Reichmann, Importeur der Triangle-Lautsprecher aus Soisson in Frankreich, und Nicolas Serras, Triangles Vertriebsleiter, Markenbotschafter und Aufstellungsexperte in Personalunion. Und ein äußerst charismatischer Franzose dazu. Anlass des Herrenabends war die Übergabe eines knusperknabberknackigfrischen Paars Triangle Esprit Australe EZ. Somit dürfte ich einer der Ersten sein, die sich im eigenen Heim am neuen Flaggschiff der „Aufsteigerklasse“ von Triangle verlustieren dürfen. Die sich im Umlauf befindlichen Paare seien gerade noch einstellig, erklärt Jürgen Reichmann. Daher auch das Vergnügen, die knapp 40 Kilo pro Box bei ebenso vielen Grad Lufttemperatur von Jürgen und Nico persönlich in den dritten Stock gewuchtet zu bekommen. Der Aufbau am korrekten Standort war mit drei Mann zackig erledigt, noch ein kurzer Check, ob alles passt, und dann kümmern wir uns erstmal um das Grillgut. Als Hintergrundberieselung dreht sich auf meinem Thorens eine Scheibe aus der NDR-Reihe At Onkel Pö’s Carnegie Hall. Albert Collins und seine Icebreakers wurden dort am 2. April 1988 auf Tonband konserviert. Gute zweieinhalb Stunden – sprich sechs LP-Seiten – nichts als Blues. Genau meins und eigentlich viel zu schade, um als Hintergrundbeschallung zu dienen. Manchmal noch ein wenig hart obenrum (die Hochtonhörner benötigen 100 Stunden, um richtig aufzublühen), minimal weniger voluminös als meine Opera Seconda, da nach Nicos Meinung auch die Mittel- und Tieftöner ähnlich lange brauchen, um sich voll zu entfalten. Zeit, die mir eigentlich gar nicht bleibt, denn mir steht die Redaktion schon auf den Füßen, damit die größte Box der Esprit-Serie es noch in diese Ausgabe schafft. Doch auch wenn der Termindruck groß ist – wir sind dennoch bestrebt, neuen Testobjekten die nötige Zeit zu lassen, ihre Fähigkeiten optimal zu entfalten, Druck hin, Druck her. Es geht um Musik, da spielt der drohende Abgabetermin nicht die erste Geige.
Zum Glück konnte ich aus der Redaktion eine Fristverlängerung herauspressen. Denn so viel steht schon vor dem ersten Bier fest: Die Australe EZ hat direkt aus dem Karton schon einen sehr eigenen und interessanten Charakter, deutlicher in Richtung direkt und „livehaftig“ tendierend als meine Italienerinnen. Also werden abwechselnd Steaks und Platten gewendet, während Nico Serras mich eingehend in die Technik der Lautsprecher einführt. Aber schon bald entwickelt sich unser lebhaftes Gespräch in Richtung „Philosophie und Stellenwert des Highfidelen“ im Allgemeinen. Niemand hört hier gerade wirklich auf die Musik, doch auch wenn wir draußen auf der Terrasse sitzen, vermitteln die Australe EZ eine bewundernswerte Form von „Livehaftigkeit“. Stellen Sie es sich so vor: Sie stehen an klanglich passender Position vor einer Konzertbühne, verlassen diesen hart erkämpften Platz aber, um sich ein Bier zu holen. Damit verlassen Sie auch den Sweetspot, trotzdem bleibt selbst am akustisch ungünstigen Platz an der Theke die fantastische Räumlichkeit erhalten.
Die Australe EZ verzichtet auf jede Art von Allüren, sie transportiert schlicht das, was auf dem Tonträger konserviert wurde. Nicht mehr, nicht weniger. Eine Eigenschaft, die von echtem High End erwartet werden darf, auch wenn es sich in der Realität gelegentlich anders verhält.
Um die Einspielzeit möglichst rasch abzureiten, läuft tagsüber eine CD in Endlosschleife, während ich meinem Broterwerb nachgehe. Und wie angekündigt verschiebt sich die tonale Prägung vom „Livesound“ des Herrenabends täglich immer mehr in Richtung vollmundig und perfekt austariert. Die Australe verliert nichts von ihren gezeigten Stärken, gewinnt von LP zu LP aber genau das hinzu, was „out oft he box“ etwas unterrepräsentiert schien. Der Tiefton wird nun keineswegs weicher oder fluffiger, sondern gelenkiger. Er bleibt dabei ultrapräzise, die Autorität tiefster Register – sofern auf dem Tonträger tatsächlich enthalten – ist wahrlich beeindruckend. Die Australe EZ ist im besten Sinne kompromiss- und gnadenlos. Aufnahmen mit dominantem Loudness-Charakter sind und bleiben grauenvoll. Schönfärberei und Massentauglichkeit für Spotify-geschädigte MP3-Hörer sind sicher nicht Sache der Australe, egal wie lange man ihr Zeit lassen mag.
Aber wenn die Aufnahme liefern kann, setzen die schwarzen Ladys aus Soisson alles in bewegte Luft um, was durch die Schwingspulen fließt. Gerne im kaum hörbaren, doch fühlbaren Bereich. Weiter hinunter kam bisher nur die Gato FM 50, die ich einst im Rahmen einer kompletten Gato-Kette testen durfte. Eine Angelegenheit höchster Vergnügungsstufe, wenn beispielsweise Massive Attacks „Teardrop“ die Luft in großen Blöcken durch den Raum schiebt. Tonal liegt die Triangle voll und ganz auf einer Linie mit meinem Geschmack. Als wichtigsten Maßstab nehme ich gerne den „Gänsehautfaktor“, den eine Komponente hat. Mit den Australe EZ stellen sich bei Janis Joplins Organ dann tatsächlich alle Härchen auf, während ein wohliger Schauer der Zufriedenheit durchs Gebein kriecht.
Was machen die Franzosen denn nun anders als andere? Prinzipiell handelt es sich auch bei der Australe „nur“ um Holzkisten aus MDF, die mit ein paar (pro Stück sechs) Chassis bestückt sind. Triangle also hat das Rad nicht direkt neu erfunden, doch flossen für das neue Topmodell der Esprit-Serie einige Erkenntnisse aus der hauseigenen Referenzlinie Magellan in die Entwicklung mit ein. Vertikaler Technologietransfer über zwei Stufen zeigt sich zum Beispiel am Hochtöner TZ 2510, dessen überarbeiteter Phaseplug einen großen Anteil am ausgedehnten Sweetspot hat. Zur Unterstützung sitzt ein zweites Exemplar auf der Rückseite des Gehäuses, das sich bei etwas höherer Übernahmefrequenz um die Erweiterung der Tiefenstaffelung kümmert. Bedingt durch den Versatz der Übernahmefrequenz addieren sich die Schallanteile, ohne die Ortung zu beeinträchtigen. „Dynamic Pulse System“ nennt das die Triangle-Marketingabteilung; ich nenne es einfach eine superbe Idee, denn nun muss man sich nicht mehr darauf beschränken, ganz allein und statisch im Sessel zu sitzen. Nettes Detail, sollten sich Mithörer einfinden oder falls man einfach mal auf der Couch herumlümmeln will.
Damit die restlichen Chassis nicht hinterherhinken, wurde auf hohe Effizienz gesetzt. Dank offizieller 92,5 Dezibel Wirkungsgrad sollten sogar erlesene Single-ended-Röhrenverstärker als mögliche Spielpartner in Frage kommen. Wer die Australe EZ wie ich an kräftigen Transistoren betreibt, wird mit Druck in allen Lebenslagen belohnt. Bevor die Triangle an ihr Limit kommt, kollabieren die Ohren oder der Vermieter. Allerdings ist sie umgekehrt – ein minimaler Kritikpunkt – wohl auch nicht der ideale „Leisesprecher“ für das berüchtigte „Konzert für hustende Flöhe“.
Das geht zwar auch, doch wirken die Lautsprecher dann (zumindest für mein Empfinden) minimal weniger fokussiert. Ab einem Pegelstellerstand von „halb zehn“ hingegen rücken die sechs Chassis akustisch derart zusammen, dass man glaubt, einem Koaxtreiber zu lauschen. Für Liebhaber großer Orchester, von lautem Rock oder erdigem Blues ein Hochgenuss. Und ja, auch elektronische Tanzmusik jeder Couleur macht so richtig Spaß damit. Bei Bedarf schieben die Membranen einfach gnadenlos an.
Woher kommt dieses Antrittsverhalten? Immerhin müssen Mittel- und Basschassis einem ziemlich flinken und dynamisch explosiven Hochtonhorn folgen. Das Geheimnis liegt in einem irrwitzigen „Leistungsgewicht“. So wurden für den Mitteltöner extrem leichte Membranen aus Papier mit einer harten Aufhängung und fettem Antrieb kombiniert. Dazu erweitert ein Phaseplug das Spektrum deutlich. Fans der Lautsprecher aus Soisson dürften hier das Erbe der Triangle Magellan erkennen. Um ähnliche Dynamikfähigkeiten der Tieftöner zu erreichen, musste ein wenig in die Trickkiste gegriffen werden. Klar war, dass auch hier Papier als Material zum Einsatz kommen musste! Um dem Papier zusätzliche Steifigkeit auch für derbste Tieftonattacken zu verleihen, (er)fanden die Triangle-Ingenieure eine clevere Materialkombination: Der feine Holzbrei, aus dem die Membranen gezogen werden, enthält einen definierten Anteil Flachs- und Carbonfasern. Dieser Mix macht sie ultraleicht und extrem stabil zugleich.
Damit der ganze schöne Schalldruck nicht wieder im Gehäuse verpufft, wurde hier einiges an Aufwand betrieben. Einer der Bässe arbeitet in einem großzügig ventilierten Gehäuse und sorgt so für die nötige Tiefe, während zwei identische Exemplare einen Stock darüber auf unterschiedliche geschlossene Volumina treffen. Tiefgang und Druck vereinen sich da also auf exzellente Weise. Große Flächen regen entsprechend viel Luft an, was eine effiziente Versteifung des Inneren erfordert, und deshalb werden die Bässe mittels Streben gegen die Rückwand abgestützt. Selbst wenn ich alte Carl-Cox-Sets vom Rechner durch die Schwingspulen jage, folgt die Triangle jedem Impuls, den mein Einstein The Tune diktiert, wie ein Schäferhund dem Bein des Briefträgers.
Die Triangle Esprit Australe EZ mag nicht direkt die universellste Box des Planeten sein, denn sie zeigt Ecken und Kanten jeder Aufnahme und verzeiht keine Fehler. Doch genau darin liegt auch die große Stärke der Französin. Sie besitzt Charakter und Ausstrahlung und zeigt allen zwanghaft linearisierten schmalen Säulen, wie die Musik zu spielen hat. Wer sich auf die Australe EZ einlässt, wird mit Gänsehaut belohnt, egal wie heiß es draußen auch sein mag. Vive la France!
Lautsprecher Triangle Esprit Australe EZ
Funktionsprinzip: 3-Wege-Standlautsprecher, Bassreflex
Impedanz: 8 Ω
Wirkungsgrad: 92,5 dB
Ausführung: Klavierlack schwarz oder weiß
Maße: (B/H/T): 20/113/37 cm
Gewicht: 39 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Paarpreis: 3800 €