Transrotor Max Nero
„Wir brauchen die Dunkelheit genauso wie das Licht. Denn nur in tiefster Finsternis erkennen wir den Trost und den Glanz, welchen uns auch ein kleines Licht schenken kann. Ohne die Dunkelheit wäre das Licht nichts, wir würden es gar nicht erkennen, es wäre ja zu hell.“ (Mein Dorfpastor in einer Schulmesse)
In aller Kürze:
In Kombination erreicht der Transrotor Max Nero mit seinem Laufwerk, Arm, System und Netzteil ein Niveau, das nicht nur an den größeren Modellen knabbert, sondern an deren Stuhl sägt.
Als Pubertierender geht man angesichts dieser Worte von hochgradigem Weihrauchmissbrauch aus, vielleicht war auch noch einiges an Messwein übrig … Heute, ein Dreiviertelleben später, fällt es einem wie Schuppen von den Augen und man gewinnt seine eigene Erkenntnis aus den warmen Worten des alten Pastors.
Akustisches Pendant zur Dunkelheit ist die Stille. Diese kann gemeinhin unheimlich sein, bedrückend, unheilvoll. Doch ebenso bietet sie Trost, Entspannung, Erdung. Sie kann Hintergrund oder Bühne sein, auf der Musik lebendig wird.
Es ist diese Stille, die zuerst auffällt. Nimmt man einen Transrotor Max Nero in Betrieb, vernimmt man kein Rauschen, nicht den Hauch eines Knackens. Nichts kommt – selbst bei versuchsweise voll aufgedrehtem Regler – aus den Boxen. Das kenne ich in dieser Ausprägung von keinem anderen Plattenspieler, der mir in den letzten zwanzig Jahren in die Finger kam. Tauscht man regelmäßig das Equipment und spielt ständig an den Kabeln herum, brummt immer irgendwas. HiFi-Geräte sind halt kein Bühnenequipment.
Um ehrlich zu sein, hatte ich mit einer Diva gerechnet, die mit Samthandschuhen und Uhrmacherwerkzeug bei angehaltenem Atem montiert werden möchte. Geliefert haben die Bergisch Gladbacher eine Fast-Plug’n’Play-Konfiguration, deren Preis sich noch gerade im Rahmen bewegt, deren Klasse hingegen weit darüber hinausgeht. Der Nero basiert auf dem seit gut fünf Jahren bewährten Max mit seinem Teller aus Aluminium, der mir als feines Laufwerk mit stabilem Fundament, gutem Durchzug sowie zackigem Timing im Hirn blieb. Nur mit sehr filigranen MCs eventuell eine kleine Prise zu frisch an meiner damaligen Anlage. Da sich die Räkes immer etwas dabei denken, wenn sie ihre Geräte überarbeiten, bin ich entsprechend gespannt, wie sich der Max Nero in meiner Umgebung verhält.
Das Kniffligste am Aufbau ist, die einzelnen Trabanten sowie das Laufwerk aus der Verpackung zu schälen. Man merkt direkt, dass die Bergisch Gladbacher auf Nummer sicher gehen. Die Laufwerke verlassen Transrotor mit penibel montierten Arm-System-Kombinationen, damit der Endverbraucher ein absolut „highendiges“ wie perfekt spielfertig justiertes Gerät erhält. Planen Sie also eine knappe Stunde zum Auswickeln und nochmal zehn Minuten für den Aufbau ein. Ansonsten ist der Aufbau auch für Laien kein Hexenwerk. Die Basis lässt sich über die Stellfüße perfekt austarieren und in die Horizontale bringen. Das Tellerlager ist ab Werk derart verkapselt montiert und so gut mit Öl versehen, dass Wartungsarbeiten bei Familie Räke eher zu den exotischeren Aufträgen gehören. Tellerlager gehen bei Transrotor eher selten kaputt. Nachdem der Teller mit einem satten Schmatzen auf seine Aufnahme gerutscht ist, muss man noch die zwei Trabanten aus Motor und Netzteil frei drumherum gruppieren, den Riemen um Teller und Motor-Pulley werfen, und fertig ist die Laube. Gut, könnte man machen, wird der Sache aber nicht gerecht. Wer in stillen Nächten ganz genau hinhört, findet sicher auch, dass ein Cello, hier für uns von Yo-Yo Ma gespielt, runder, körperhafter, nochmals etwas natürlicher wirkt, steht der Motor auf ungefähr elf Uhr.
Der Riemen darf den Teller dabei nur so schwach ziehen, dass eine Plattenbürste die Scheibe fast stoppt. In meinem Fall steht der wuchtige Knubbel des Konstant-Netzteils direkt unter dem Tonabnehmer, da die Nadel des Merlo ansonsten doch sehr exponiert und frei in der Luft hängen würde. Jetzt ruht der Handballen während der Nadelpflege stabil auf dem Deckel des Konstant. Der Deckel fungiert gleichzeitig als Schalter für die gewünschte Umdrehungszahl. Eine kleine Einbuchtung lässt dabei den eingravierten Wert erkennen. Über ein kleines Loch im Deckel kommt man an das zur Stellung gehörige Poti, sollte eine Justierung der Drehzahl irgendwann einmal nötig werden. Der dazu zwingend nötige Schraubendreher findet sich ebenso im Lieferumfang wie ein sackschweres Plattengewicht aus Stahl samt graviertem Logo. Das beiliegende Kabel für die Masse des Tonarms darf, wer sich für den Rega RB 880 entscheidet, im Karton lassen, da der Rega-Arm die Masse über die Signalkabel führt. Auch oder gerade wegen dieser nicht alltäglichen Lösung generiert der Max Nero im Leerlauf eine absolute Ruhe, diese rabenschwarze Leinwand, die ich eingangs erwähnte. Doch senkt man die Nadel des Merlo in geschnittenes Vinyl, gehen die Lichter an.
Ungeachtet dessen, ob ein Stadion, große Konzertsäle oder eine Kapelle in den Tiroler Alpen in den Rillen konserviert wurden, es interessiert den Max Nero nicht groß. Wo der Begriff Masselaufwerk eine gewisse Gemütlichkeit suggeriert, beweist Max überraschende Agilität. Gelassen entwirrt er die komplexen Läufe in John Butlers „Ocean“, hält der aufkommenden Brandung stand und zerstäubt die Gewalten zu sprühender Gischt. Zwar hängt mir die Platte etwas zu den Ohren raus, doch ist die Aufnahme eine Wucht. Was der Max Nero hier aus leicht abgenutztem Vinyl zu destillieren vermag, trifft auch nach 15 Jahren noch ins Herz wie am ersten Tag.
Was das Durchzugsverhalten und die Attacke angeht, verhält sich der Transrotor Max Nero trotz der ganzen Masse einem leichtgewichtigen Brettspieler gar nicht so unähnlich. Man sollte lediglich vermeiden, mit Tellerauflagen zu experimentieren. Ob Carbon, Leder, Filz oder Gummi, immer weichte die Auflage die Attacke auf und nahm einiges an musikalischem Fluss raus. Funky Basslines und elektronisches Geplucker der Gebrüder Kalkbrenner schnappt sich der schwarze Max, wirft sie locker über die Schulter und tanzt Sirtaki zu den Dancegrooves. Wieso geht dieses Laufwerk, dessen Design irgendwo zwischen einer Insel mit drei Bergen und einem Stealth-Bomber liegt, trotz eindeutigem Übergewicht im Vergleich zu meinen Laufwerken ab wie gerade erwähnter Düsenjet? Ein Sumo taugt ja auch kaum als Sprinter. Es könnte am Zusammenspiel der gewählten Materialien liegen. Dirk Räke setzt für die Basis und die Gehäuse der Trabanten auf Alu, Stahl kommt am Lagerdorn und den beiden Auslegern für die Armbasis zum Einsatz. Den Teller fräst man neuerdings – statt wie beim Max aus Alu – für den Nero aus einem extrem zähen und stabilen Kunststoff mit dem unaussprechlichen Namen Polyoxymethylen, kurz POM. Findet sich auch im Motor meines E-Bikes, und was da hält, kann schlecht nicht sein.
Die beruhigende Wirkung dieses Kunststoffs auf die umgebenden, doch recht kühl klingenden Metalle drumherum scheint mir der eigentliche Clou des Max Nero zu sein. Praktischer Nebeneffekt für den Produktionsprozess ist, dass es Kunststoffe wie POM bereits komplett durchgefärbt und dabei in höherer Qualität gibt, als es mit Metall in dieser Konstanz mach-, doch zumindest am Standort Deutschland auf keinen Fall bezahlbar wäre. Der Ausschuss wäre bei den herrschenden Qualitätsansprüchen im Hause Transrotor einfach zu hoch. Da der Rohling eh in der CNC-Maschine steckte, wurden gleich noch die passende Vertiefung für das Plattenlabel sowie eine kleine Stufe in den Rand des Tellers gefräst. Sinn der erstgenannten Maßnahme ist eine möglichste plane Auflagefläche fürs Vinyl, das sich dank der kleinen Stufe auch im laufenden Betrieb umdrehen lässt. Macht man allerdings selten, da das satte „Klack“, mit dem der Wahlschalter des Konstant einrastet, dem nicht völlig erwachsenen Nutzer mit jedem Mal das gleiche Grinsen ins Gesicht zaubert – als hätte ein zwar grimmig blickender, doch freundlich einen „geilen Abend“ wünschender Konzertkartenentwertungsbeauftragter just den Einlass zur Depeche-Mode-Aftershowparty freigegeben.
Dieses Kribbeln, das unmittelbar vor einem Livekonzert an den Synapsen zupft, das Rückenmark rauf und runter vibriert, lässt sich gemeinerdings in meiner Hütte mit den gegebenen Mitteln nur homöopathisch reproduzieren. Doch statt anthroposophisch verdünntem Placebo kuriert die kleine Bohrinsel aus Bergisch Gladbach meine durch fehlende Livemusik-Infusionen entstandenen mentalen Defizite mit einem Schluck aus der Pulle von Cletus Spuklers bestem Moonshine. Jap, das Zeug brennt, macht blind, öffnet allerdings Koronargefäße und Ohren wie ein Rohrreiniger auf Chlorbasis. Stationen eines lauschenden Abends waren Onkel Pös Carnegie Hall, Zappa in Saarbrücken, danach kurz nach Tokyo zu den Scorpions, und des ökologischen Fußdrucks wegen, man war eh in der Nähe, eine Runde Clapton im Budokan. Besonders Livekonzerte liegen dem Max, es muss nicht zwingend Rock oder Blues sein. Mit dem Merlo MC hat Dirk Räke ein vortreffliches Händchen in der Wahl eines geeigneten Systems bewiesen. Dank des rabenschwarzen Hintergrunds, den das Laufwerk generiert, strahlt das Licht des Merlo bis in die hinterste Ecke der imaginären Bühne, verleiht dem durchaus stämmig, dabei immer zackig spielenden Laufwerk eine urtümliche Energie, ähnlich der eines Vollwaschgangs beim Wellenreiten. Trotz aller Schnellkraft und des kraftvoll-drahtigen Fundaments gelingt dem Max Nero der Ritt auf dem Drahtseil. Die Kraft und Dynamik exponierter Masselaufwerke verbindet sich in Transrotors neuem Einsteiger-Laufwerk mit der leichtfüßigen Eleganz englischer Brettspieler. Die Noten in Georg Kreislers „Telefonbuchpolka“ purzeln nur so aus den Lautsprechern, wieseln die Klaviatur erst rauf, dann runter. Hart im Anschlag, im Nachklang knackig und dennoch genauso voll und körperhaft, wie ein Piano gefälligst zu klingen hat. Unbeeindruckt von Kreislers Ritt durch das Namensverzeichnis sortiert der Max Nero sämtliche zungenbrechenden Varianten des Buchstabens V auch für Nichtösterreicher mit der nötigen Balance aus Wiener Schmäh und Sarkasmus schön in Reih und Glied, ohne die Spielfreude des Grandseigneurs zu verwässern.
In Kombination erreichen Laufwerk, Arm, System und Netzteil ein Niveau, das an der Klasse der großen Modelle nicht nur knabbert, sondern ganz schön an deren Stuhl sägt. Als Händler würde ich den Transrotor Max Nero nicht direkt neben einem der noblen Modelle platzieren. Fragen über den Sinn von teureren Möglichkeiten der Schallplattenwiedergabe wären vorprogrammiert.
Info
Plattenspieler Transrotor Max Nero mit Tonarm Rega RB 880 und Tonabnehmer Transrotor Merlo
Konzept: riemengetriebenes Masselaufwerk
Antrieb: geregelter Gleichlaufmotor
Material: Aluminium, Polyoxymethylen, Edelstahl
Teller: 40-mm-POM-Teller
Drehzahl: 33 oder 45 U/min
Besonderheiten: zweite Armbasis möglich
Maße (B/H/T): 46/15/36 cm
Gewicht: 20 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis Testmodell: um 4830 € (inkl. Tonarm Rega RB 880 und Tonabnehmer Merlo MC, Laufwerk um 2800 €)
Tonabnehmer Transrotor Merlo
Konzept: Low-Output-MC
Nadelschliff: Harmonic
Auflagekraft: 1,8 g
Ausgangsspannung: 0,5 mV
Frequenzgang: 20 Hz bis 30 kHz
Gewicht: 5,7 g
Preis: um 800 €
Kontakt
Räke Hifi/Vertrieb GmbH
Irlenfelder Weg 43
51467 Bergisch Gladbach
Telefon +49 02202 31046
Mitspieler
Plattenspieler: Acoustic Solid Vintage
Tonarm: Acoustic Solid WTB 213
Tonabnehmer: Clearaudio Charisma V2, Ortofon Quintet Red
Phonovorverstärker: Acoustic Solid Phonovorverstärker
CD-Player: Sony CDP-XA 777ES Swoboda
D/A Wandler: Audiolab M-DAC Mini
Vollverstärker: Einstein The Tune, Magnat MA 900, NAD C 302
Endverstärker: Lehmann Black Cube Stamp
Lautsprecher: Audio Physik Seemon, Heco BellaDonna
Zubehör: Steinmusic, Simply Analog