Thorens TD 403 DD
Kalt, nass, grau, doof … Wochenende. Man weiß nicht so recht was mit sich anzufangen. Zum Frühstück erklärt der öffentlich-rechtliche Spartensender den weltweiten Wirrwarr mit schwarzem Humor und dunkelgrauen Pointen. Was es zwar leichter konsumierbar, doch noch lange nicht verständlich macht, warum die Welt aktuell ist, wie sie ist. Man zappt weiter zu einem Nachrichtenportal freier Wahl und erkennt: Es ist ja wirklich alles im Eimer um einen herum. Selbst das Wetter spielt verrückt, es schneit jetzt wie blöd. Und das um diese Jahreszeit. Normalerweise turne ich da im T-Shirt radfahrenderweise durch den Wald, die letzten Jahre zumindest. Nicht mal auf den Klimawandel ist noch Verlass …
In aller Kürze:
Alles drin, drum und dran: Der Thorens TD 403 DD ist ein mehr als gelungenes Komplettpaket zum genießen und liebhaben. Wer mag kann ihn mit einem stärkeren Abtaster sogar noch aufwerten.
Auf Thorens und Gunter Kürten dagegen schon. Seit guten vier Jahren führt er seine Marke nun in Eigenregie. In dieser Zeit wuchs das Portfolio der Traditionsmarke beständig in Breite und Tiefe. Auch wenn Riementriebler seit jeher den Großteil der produzierten Geräten ausmachen, darf man nicht vergessen, dass nicht irgendeine japanische Bastelbude, sondern eben Thorens der Erfinder des direktangetriebenen Plattenspielers ist.
Während man sich bei Matsushita (Technics) noch mit dem Bau von Fahrradlampen die Zeit bis zum ersten 12xxer (1970) vertrieb, erfanden findige Schweizer Feinmechaniker in Sainte-Croix, nahe der französischen Grenze, das erste via Federmechanismus direkt angetriebene Grammophon. Das war 1928. Knapp dreißig Jahre später folgte mit dem E53 PA der erste elektrisch direkt getriebene Plattenspieler der Welt. Also zu einer Zeit, als die Kernkompetenz der Japaner noch zwischen Kühlschränken und Fahrradreifen angesiedelt war. Als im Land der aufgehenden Morgensonne endlich der erste Plattenspieler die Stroboskoplichter dieser Welt erblickte, hatte Thorens mit dem TD 524 als direktgetriebenem Profilaufwerk die Tanzflächen der Republik fest im Griff. Leider war der Technics mit einem Viertel des Preises eines Thorens unwesentlich günstiger und hat sich unverständlicherweise durchgesetzt. Auch der coolere Pitchregler mag Einfluss gehabt haben. Eben diesen benötigen heute nur Techno-Paläontologen zu okkulten Ritualen. Moderne Heroen elektronischer Tanzmusik wie Boris Brejcha kennen den Begriff „Platte“ nur noch im Zusammenhang mit „Fest“ und „Speicherkapazität“.
Zurück zum Thema. Direktgetriebene Plattenspieler sind während des Vinylhypes der letzten Jahre in den Hintergrund gerutscht. Dabei hat für mein Empfinden gerade das Unmittelbare, Griffige eines Direkttrieblers im Direktvergleich zum leichten Riementriebler, egal ob im Brett integriert oder federnd gelagert, einen nicht zu unterschätzenden Reiz. In meinem 1210er steckt aktuell ein Nagaoka MP 500 in einer modifizierten Thorens-Headshell und macht dort regelmäßig andere Probanden blass. Und mich ziemlich happy. Da ein Pitchregler im Alltag obsolet und zur Not am Technics vorhanden, hochwertige Verarbeitung, klassisches Design und durchzugstarker Sound dafür jeden Tag so nötig wie der Kaffee am Morgen sind, wäre so ein schnieker Thorens allein schon optisch eine stimmige Ergänzung zum Vintage-NAD-Verstärker in meinem Wohnzimmer. Das bestens ausgebaute Portfolio von Thorens bietet gleich drei direktgetriebene Lösungen, ob jetzt mit oder ohne Subchassis. Die Preisstaffelung innerhalb des Sortiments ist fein gestuft, sodass vom reinen Gelegenheitsnutzer, der nur ab und an in alten Scheiben schwelgen mag (TD 402 DD), bis hin zum Connaisseur mit höchsten Ansprüchen an Haptik und Klang (TD 124 DD) für jeden Anwender der passende Plattenspieler dabei sein dürfte.
Dazwischen liegt mit dem TD 403 DD zu knapp 1400 Euro das für mich preiswerteste, also seinen Preis mehr als werte Modell im Thorens-Sortiment. Wartungsarmer Direktantrieb mit durchdachter Motorsteuerung, ohne Subchassis, dafür mit dem Tonarm TP 150, Sahnestück der Feinmechanik im Schick der Siebziger, der schon im TD 1500, welcher nochmals eine Klasse über dem 403 DD einzuordnen sein soll, einen mehr als positiven Eindruck hinterließ. Geliefert mit fix und fertig montiertem MM-Abnehmer Ortofon Blue, stabiler Abdeckhaube und, Surprise, Surprise, einem sowohl ausreichend langen wie halbwegs vertrauenerweckendem Netzteil. Ein Satz Signalkabel samt separater Masseleitung gehört zum Lieferumfang, was brummfreien Kontakt zwischen den Cinchbuchsen des TD 403 DD und den Eingängen am NAD garantiert. Weitere Berührungspunkte zur Außenwelt sind die vier – leider nicht höhenverstellbaren – Kunststofffüße, deren softes Material dämpfenden Einfluss auf mikroskopisch-mikrofonische Störungen nehmen soll. Wer sich einen 403 DD ins Wohnzimmer stellen möchte, hat eigentlich keine Wahl. Es gibt ihn nur in Hochglanz, ob dieser nun in schwarzem oder rötlichem Holz das Licht spiegelt, macht im Ergebnis keinen Unterschied. Die Qualität der Lackierung ist absolut makellos und unterstreicht den Ruf, ein Thorens sei immer eine Prise schicker, etwas nobler als die breite Masse.
Für die Oberseite kommt ein Sandwich aus Holz und einer Aluminiumplatte zum Einsatz, deren sanfter Schimmer einen reizvollen Kontrast zum Hochglanzlook der Zarge setzt und den stilistischen Bogen zum Retro-Schick des Tonarms zieht. Auch wenn sich das Design des gewichtsmäßig am oberen Ende von „mittelschwer“ liegenden Arms haptisch wie optisch am Design des letzten Jahrhundert orientiert, liegt er feinmechanisch absolut auf der Höhe der Zeit. Dank umfangreicher Einstellungsoptionen lässt sich der TP 150 mit so ziemlich jedem Tonabnehmer kombinieren, ultraleichte MCs mit vierstelligen Preisschildern sind davon eventuell ausgenommen. Mit dem beiliegenden Stahlstift lässt sich die Tonarmhöhe via Feingewinde stufenlos justieren. Sollte wider Erwarten eine Korrektur des Azimuts nötig sein, justiert man diesen am einfachsten durch Lösen einer kleinen Schraube unterhalb der Headshell. Von der Möglichkeit, den Azimut an der Basis des Tonarmrohres zu verdrehen, würde ich tendenziell die Finger lassen, da sich sonst Kröpfung und vertikaler Abtastwinkel ebenfalls ändern und man das angedachte System nicht mehr korrekt justiert bekommt.
Apropos Justierung – die können Sie getrost vergessen. Schon ab Werk sind die Tonabnehmer perfekt montiert, daher bleibt nur, die Headshell samt System mittels SME-Verschluss am Tonarmrohr zu fixieren und die Auflagekraft mittels des zweiteiligen Gegengewichts einzustellen. Das Ortofon Blue spiele ich bevorzugt mit etwas mehr Druck auf der Rille als empfohlen. Ein bis zwei Newtonmeter mehr Auflagekraft stabilisieren das Fundament, ohne den für ein „Mittelklassesystem“ formidablen Mitten Energie zu rauben. Auch hier beweist Gunter Kürten einen feinen Riecher dafür, welcher Abnehmer mit welchem Modell am besten harmoniert. Schon mit dem im Paketpreis von 1400 Euro enthaltenen Blue kommt man die ersten Jahre wunderbar zurecht.
Fink’s Sunday Night Blues Club behält über die komplette Albumlänge ein herrlich knarziges Fundament mit mehr Knoten als ein alter Apfelbaum. „Little Bump“ schleppt sich wie ein verwundetes Mammut durch den Raum – würde sich der Herzschlag an die Taktfrequenz angleichen, sollte ein Defibrillator in Reichweite stehen. Bluesige Sprengsel verstäuben irgendwo zwischen Plattenregal und Wand. Für so wenig Töne zieht der Thorens eine ziemlich große Bühne auf. Liegt es am Antrieb? Wo jeder Technics aus dem Stand gut sieben Meter pro Sekunde sprintet, lässt es der 403 DD fast gechillt angehen. Doch man sollte sich nicht täuschen lassen. Zwar startet der Thorens recht behäbig den Plattenteller, doch keine Angst: Der nimmt nur Anlauf, um dann kraftvoll durchzuziehen. Dass der Motor durchaus über das entsprechende Drehmoment verfügt, merkt man beim Plattenbürsten. Mit ein wenig Druck bekommt man die meisten Plattenspieler zum Stillstand, während der Thorens stoisch seine Runden zieht. Warum also das gedrosselte Anlaufverhalten? Entwickler Walter Fuchs verspricht sich deutlich bessere Rumpelwerte, zupft der Motor nur leicht am Teller, statt mit brachialer Gewalt auf Touren zu kommen. Was soll ich sagen, der Mann hat recht. Der Thorens verfügt über genau den Feinsinn, der mir bei meinen zwei Japanern abgeht. Das schon in den beiden Technics nicht gerade blasse Nakaoka MP 500 düngt den Sarkasmus in Georg Kreislers „Tauben vergiften im Park“ mit Arsen und Sonnenschein zugleich. Sowohl Kreisler wie auch sein Spiel mit Klavier und Stimme verbreiten einen ungewohnt frischen Elan. Ein erster Sonnenstrahl an diesem bis jetzt so grauen Tag, auch wenn das Wetter weiterhin zu wünschen übrig lässt.
Bleibt etwas Zeit zum Basteln. Zwar steht der 403er ab Werk hundert Prozent in der Horizontalen, mein Wohnzimmer-Rack leider nicht. Eigentlich mehr aus der Not wurden mittels Japansäge aus dem Bein eines alten Beistelltisches drei kleine Würfel geschnitten und dann an den vorderen Ecken sowie mittig hinten platziert. Zwar kann ich es nicht erklären, doch es macht einen klar nachvollziehbaren Unterschied. „Hells Bells“ von AC/DCs Back In Black ohne Klötzchen ist schon eine eindrucksvolle Sache, mit Klötzchen dann deutlich mehr Raum mit deutlich mehr Glocke darin. Tritte in die Snare kommen nicht mit Turnschuhen, sondern Motorradstiefeln, und Angus Young fräst seine Klampfe mit präpubertärem Elan durch die Hirnwindungen. So langsam sollte ich darüber nachdenken, den Thorens zurückzuschicken. Der 403 DD passt musikalisch dermaßen gut in mein Wohnzimmer-Setup, dass ich anfange, darüber nachzudenken, wie sich der Mahagoniwürfel als dauerhafter Gast machen würde. Immer wenn mich der Bastel- und Optimierungswahn überfällt, schlägt mein Kaufveränderungsimpuls die Hände über dem Kopf zusammen. Es sind doch schon vier Plattenspieler, die sich bei mir zu Hause die Stellflächen teilen. Doch da hab ich noch was: Rap, dreckigen Rap. Politisch absolut nicht korrekt, schon damals so chartkompatibel wie Obertongesänge, doch so straight produziert, dass Dr. Dre seinerzeit der Schnuller aus dem Mund gefallen sein muss, wenn Daddy die Scheibe spielte. Der 403 stellt den knochentrockenen Beat auf ein derart griffiges Fundament, dass selbst der Transrotor im anderen Raum ein wenig blass wird. Die Vocals wie geschält, nackt, direkt, kein Fitzelchen Fett auf den Stimmbändern. Mit 90er-Rap zeigt der Thorens seinen japanischen Kollegen ziemlich respektlos einen von fünf Fingern und verweist die beiden Klassiker als Dekostücke auf ihren Platz.
Mit dem TD 403 DD ist Thorens-Mastermind Gunter Kürten und seinen Entwicklern erneut ein Paket gelungen, das auch im Direktvergleich mit deutlich teureren Plattenspielern auf Augenhöhe spielt. Dank wartungsfreiem Antrieb, makellosem Finish und zeitlosem Design kann man da, sollte man ernsthaft am Thema Vinyl interessiert sein, fast nicht anlegen.
Info
Plattenspieler Thorens TD 403 DD
Konzept: manueller Plattenspieler mit Direktantrieb
Antrieb: elektronisch geregelter Gleichstrommotor
Teller: 22-mm-Aluminiumteller
Drehzahl: 33 1/3 oder 45 U/min
Tonarm: Thorens TP 150 mit SME-Headshell
Anschlüsse: 1 x Stereo-Cinch
Ausführungen: Schwarz oder Walnuss Hochglanz
Maße (B/H/T): 42/14/36 cm
Gewicht: 7 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: um 1400 € (inkl. Tonabnehmer Ortofon 2M Blue)
Kontakt
Thorens
Lustheide 85
51427 Bergisch Gladbach
Telefon +49 2204 8677720
Mitspieler
Plattenspieler: Transrotor Max Nero, Acoustic Solid Vintage, Technics SL-1210 MK2, Technics SL-1710
Tonabnehmer: Clearaudio Charisma V2, Ortofon Quintet Bronze, Nagaoka MP 500, Ortofon Nightclub, Transrotor Merlo
Phonovorverstärker: Acoustic Solid Phonovorverstärker
Vollverstärker: Einstein The Tune, NAD C320
D/A Wandler: Audiolab M-DAC Mini
Endverstärker: Lehmannaudio Black Cube Stamp
Lautsprecher: Heco Belladonna, Sonoro Grand Orchestra, Sonoro Orchestra Slim, Audio Physic Seemon
Kabel: German Highend, AudioQuest, T+A, Horn Audiophiles, in-akustik, Isotek