Thorens TD 124 DD – Legenden leben länger
Von der Rundfunkanstalt ins High-End-Studio – Thorens zeigt mit dem TD 124 DD, dass Ikonen unsterblich sind.
In aller Kürze
Mit dem TD 124 DD zeigt Thorens, dass man Legenden nicht nur wiederbeleben, sondern so weiterentwickeln kann, dass auch neue Kunden dem Faszinosum TD 124 erliegen werden. Preis um 7990 Euro.
Startete man unter Musikliebhabern eine Umfrage nach den großen Legenden analoger Musikreproduktion, so landete mit Sicherheit der Thorens TD 124, der von 1957 bis 1967 produziert wurde, auf einem der vorderen Plätze. Noch heute hat das Laufwerk eine große Fangemeinde, allein die Facebookgruppe „Thorens TD 124 Friends“ zählt über 2500 Mitglieder. Geplant war der TD 124 für den professionellen Rundfunkeinsatz. Speziell dafür bekam der Spieler einen zweiteiligen Plattenteller. Die obere Plattenauflage konnte mittels eines Rampenmechanismus vom rotierenden Basisteller abgehoben werden. Der Plattenaufleger war damit in der Lage, die Abtastnadel in die stehende Platte millimetergenau abzusenken.
Angetrieben wurde der Plattenteller von einer Riemen-Reibrad-Kombination, die bis heute als innovatives Konzept erachtet wird. Es galt nämlich das Problem zu minimieren, dass sich Motorvibrationen vom Reibrad direkt auf den Plattenteller übertragen konnten. Um dies zu verhindern, entkoppelte man mit einem zusätzlichen Riemenantrieb Motor und Reibrad voneinander. Der typische Drive eines Reibradlers wurde dadurch beibehalten, das Laufwerk aber frei von tiefen Störfrequenzen gehalten. Und genau hier liegt das Potenzial für Verschlimmbesserungen, die so viele Besitzer eines TD 124 in den Wahnsinn treiben. Spricht man mit eingefleischten Fans des Laufwerks, so ist immer wieder zu vernehmen, dass man dem 124 noch mehr Ruhe beibiegen möchte, den Riemen-Reibrad-Antrieb quasi noch mehr zu einem Direktantrieb mutieren lassen sollte. Ein Ansatz, der meist zum Scheitern verurteilt ist, sodass wahre Freunde des Laufwerks dessen scheinbare Unzulänglichkeiten längst als originäres Gen akzeptiert haben.
Mehr als nur eine Kopie
Nun aber ist das große Remake der Legende da, das womöglich alle Wünsche der Fan-Gemeinde in Sachen Laufruhe und Drive erfüllen kann, kommt es doch mit einem extrem anzugsstarken Direktmotor daher, der blitzschnell den immerhin 3,5 Kilogramm schweren Plattenteller in gleichmäßige Rotation versetzt. Betrachtet man den neuen 124 DD von außen, so scheint es sich bis ins kleinste Detail um eine Eins-zu-eins-Kopie zu handeln, dies jedoch nur auf den ersten Blick. Vor allem das Aludruckguss-Chassis ist im Rahmen umfangreicher Resonanzmessungen optimiert worden, es ist nun durch das Füllen der Hohlräume mit Flüssiggummi komplett ruhiggestellt.
Ansonsten finden sich die typischen Accessoires und Bedienelemente des TD 124 in Reinform wieder, wenn auch mit eindeutig verbesserter Haptik und Funktionalität: Die eingebaute Dosenlibelle, die Rändelräder für den Chassisausgleich, selbst an die mittels eines Schiebers zu bedienende Tellerbremse hat man gedacht. Neu hinzugekommen sind symmetrische Anschlüsse. Besonders erwähnenswert ist aber das ausgelagerte Netzteil, das einen erheblichen Fortschritt gegenüber dem Original bedeutet. So werden nicht nur Einstreuungen vermieden – es ist vor allem die Energieleistung, um den schweren Plattenteller in kurzer Zeit auf die exakte Geschwindigkeit zu bringen, die die Neukonstruktion auszeichnet. Thorens empfiehlt dazu, das Netzteil nicht auf die Tonarmseite zu stellen und auch sonst einen gewissen Abstand zum Laufwerk zu halten. Wobei sich bei mir knapp 10 Zentimeter Entfernung von der linken Laufwerkseite als unproblematisch erwiesen haben. Das alles wirkt sehr edel, wenn auch mit einem gewissen technischen Understatement gezeichnet. Umso gespannter war ich nach dem wirklich unkomplizierten Aufbau des Drehers auf das klangliche Resultat, hatte ich doch schon immer ein Faible für diesen speziellen Oldie.
Das Fundament bestimmt den Sound
Um nicht sofort mit dem Vergleichsohr an die Sache heranzugehen, habe ich wahllos in einen Stapel neu erworbenes Japan-Vinyl gegriffen, und so landete Chick Coreas Three Quartets auf dem Plattenteller. Wie da der Bass treibend von unten herauf spielt, wie Michael Brecker sein Tenorsaxofon mit einer gewissen Rotzigkeit bearbeitet – es erinnert sofort an das Kernige und auch bisweilen Knorrige, das man von einem gut gewarteten originalen TD 124 kennt. Der Durchzug des Direkttriebs, die Steifigkeit des Arms und sicherlich auch die Konstruktion der Zarge sorgen hier für eine klangliche Reminiszenz mit dennoch eindeutig moderner Note.
Obwohl das klangliche Geschehen äußerst kompakt vom Bass her aufgebaut wird, versackt der musikalische Fluss nicht in Trägheit, wie dies bei manchem Masselaufwerk der Fall sein kann. Vielmehr erklangen bei mir die Three Quartets mit einem Drive, der eher an eine Liveaufnahme als an eine Studioproduktion erinnert. Dieses feste Grundgerüst sorgt freilich auch dafür, dass leise und rhythmisch weniger strukturierte Musikpassagen eine mystische Leichtigkeit bekommen. So erklingen die gedämpften und nur gehauchten Trompetentöne Miles Davis’ im Soundtrack zu Ascenseur pour l’échafaud geradezu gespenstisch. Wer den nur schwer in Worte zu fassenden Unterschied zwischen einem HiRes-File und einer optimalen Analogwiedergabe emotional erfahren will, der höre sich den kompletten Soundtrack zu Louis Malles Filmklassiker auf dem 124 DD an.
Das Beste aus zwei Welten
Maßgeblich verantwortlich für diese Klangästhetik ist zweifellos auch der fest zum Laufwerk gehörende Tonarm. Thorens kann auf eine lange Entwicklung eigener Tonarme zurückblicken. Beim TD 124 blieb die Wahl des Tonarms jedoch den Vorstellungen des Kunden überlassen. Beliebt waren hier der SME 3009 und später vor allem der EMT 929. Später lieferte Thorens den TD 124 auch komplett mit dem eigenen Tonarm BTD-12S. Der aktuelle TP 124 nimmt nun beide Ansätze auf. Es ist eine hausinterne Produktion, die aber deutlich Anleihen bei den EMT-Klassikern macht, sowohl beim Design als auch bei den technischen Details.
Der TP 124 ist ein mittelschwerer kugelgelagerter Arm, der mittels eines surrenden Liftes automatisch punktgenau in der Rille landet. Als sehr beglückend erwies sich die Gesamtkombination aus TD 124, TP 124 und SPU 124 bei der Tulip-Aufnahme der Bach’schen Goldbergvariationen mit Wilhelm Kempff. Ohnehin eine interpretatorisch interessante und umstrittene Aufnahme, bei der Kempff zwar wundervoll fließend und in historisch korrektem Tempo spielt, dabei aber weitgehend auf die barocken Verzierungen verzichtet, wodurch die Musik mitunter seltsam leer klingt. Hinzu kommt eine klanglich nicht gerade üppige Aufnahmeästhetik. Hier nun aber steht das Kempff’sche Spiel in voller Pracht im Raum, selbst das Fehlen der Verzierungen stört nicht weiter, zieht der TD 124 doch das Ohr ganz tief in das Klanggeschehen hinein. So wird auch eine mittelprächtige Tulip aus den 1960er Jahren zu ganz großem Kino.
Der Thorens is ein Muss für alte und neue Liebhaber
Die Produktion des TD 124 DD ist für eingefleischte Thorens-Fans eine gute und eine schlechte Entwicklung zugleich. Positiv ist zweifellos das klangliche Ereignis: Der Direkttriebler klingt jetzt so, wie sich viele den TD 124 schon immer gewünscht haben. Enttäuschend mag aber für den ein oder anderen sein, dass stundenlange Optimierungs- und Instandsetzungsarbeiten ab sofort entfallen können. Und die Hörer, denen der geschichtsträchtige Background des Laufwerks bislang unbekannt war, brauchen sich auch weiterhin nicht um diesen zu kümmern, ist doch der TD 124 DD mit dem hauseigenen Tonarm und dem dazugehörigen SPU ein so spezifisches klangliches Ereignis, dass zu viel historisches High-End-Wissen nur vom Musikgenuss ablenken würde. Welcome back, TD 124!
Der 124 DD kann natürlich mit jedem Tonabnehmer betrieben werden, im besten Falle mit einem, der sich an mittelschweren und schweren Tonarmen wohlfühlt. Historisch stilecht ist jedoch ein SPU, das sich an jedem MC-Entzerrer betreiben lässt. Für diesen Zweck suchte man bei Thorens die Zusammenarbeit mit Ortofon, um ein zum Tonarm passendes System zu entwickeln. Orientiert hat man sich am Synergy G, dem SPU mit der höchsten Ausgangsspannung, um den Betrieb an möglichst vielen Phonostufen zu ermöglichen, ohne dabei zwingend auf einen Übertrager angewiesen zu.
Nein, das SPU ist nichts für analytische Erbsenzähler, die den Abstand zwischen Triangel und Glockenspiel in der vorletzten Orchesterreihe akustisch auf den letzten Millimeter vermessen wollen, auch wenn der elliptische Schliff Details offenbart, die eine klassische SPU-Rundnadel verschweigt. Wer aber die volle Wucht eines Mahler’schen Orchestertuttis körperlich spüren will, wer miterleben möchte, wie sowohl in der Barockmusik als auch im BeBop der Bass Träger des musikalischen Geschehens ist, und wer wissen will, warum Operngesang auch „Belcanto“ genannt wird, für den ist dieses SPU Pflichtprogramm.
Info
Plattenspieler Thorens TD 124 DD mit Tonarm TP 124
Konzept: Plattenspieler mit Direktantrieb und externer Stromversorgung (TPN 124)
Drehzahlen Plattenteller: 33⅓ und 45 U/min
Gleichlaufschwankungen nach DIN/WRMS: ≤ 0,04 %
Material Plattenteller: Aluminium
Gewicht Plattenteller: 3,5 kg
Maße (B/H/T): 43/35/19 cm
Garantiezeit: 2 Jahre
Komplettpreis inkl. Tonarm TP 124: um 7990 €
Tonarm TP 124
Effektive Tonarmlänge: 23,28 cm
Kröpfungswinkel: 23,66°
Effektive Masse Tonarm: 15 g
Antiskating: Gegengewicht mit Faden durch Rubin geführt
Leistungsaufnahme: 5 W
SPU TD 124
Ausgangsspannung bei 1000 Hz, 5 cm/s: −0,5 mV
Kanalgleichheit 1 kHz: < 1,5 dB Kanaltrennung: > 23 dB (bei 1 kHz), > 15 dB (bei 15 kHz)
Frequenzgang (± 2 dB): 20 Hz bis 20 kHz
Nadel: nackt, elliptisch
Bereich der Auflagekraft: 2,5 g bis 3,5 g
Empfohlene Auflagekraft: 3,0 g
Interne Impedanz, DC-Widerstand: 2 Ω
Empfohlene Lastimpedanz: 10 bis 50 Ω
Gewicht: 30 g
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: um 1990 €
Kontakt
Thorens GmbH
Lustheide 85
51427 Bergisch Gladbach
Telefon +49 2204 8677720