Think Big: Heute beschreiten wir den Königsweg in Richtung audiophiler Unzufriedenheit: (zu) große Lautsprecher in (zu) kleinen Räumen. Das Streben nach einem „realistischen” Bassbereich wird dabei häufig mit der akustischen Überlastung des Hörraumes bezahlt. Hörlust wird zu Hörfrust.
Illustration: Ralf Wolff-Boenisch
Große Lautsprecher erfordern üblicherweise einen größeren Hörabstand als kleine, doch der dafür benötigte Platz ist in kleinen Räumen logischerweise Mangelware. Also werden die (zu) großen Boxen (zu) wandnah platziert, was unter anderem ungünstig frühe Schallreflektionen und Überhöhungen im Bassbereich herbeiführt – keine guten Voraussetzungen für guten Klang. Die schattenspendende Wirkung wirklich voluminöser Lautsprecher kann zusätzlich auf die Stimmung drücken. Da verzichte ich doch lieber auf ein wenig Tiefton. Dicke Boxen in meiner kleinen Dachkemenate? Not for me, folks!
So lautete meine felsenfeste Überzeugung, bis ein Freund vorschlug, mir zwecks Erweiterung meines akustischen Erfahrungsschatzes ein Paar solcher Boxenungetüme auszuleihen. Gegen meine Neugierde hatte die Vernunft keine Chance, also wurden im Spielzimmer kurzerhand Freiräume geschaffen und zwei bleischwere Kartons hineingewuchtet. Der gemeine Highender ist ja bekanntlich leidensfähig.
Zu meiner Verteidigung möchte ich anmerken, dass die Voraussetzungen für einen möglicherweise positiven Ausgang des Experiments günstig waren, handelte es sich doch um Aktivboxen mit vielfältigen Möglichkeiten der Positionsanpassung und geregelten Tieftönern. Das versprach einen trockenen Tieftonbereich, der eventuelle Bassprobleme nicht noch weiter verschärfen sollte.
Dennoch fiel der erste Eindruck katastrophal aus: Ein überzogener Hochtonbereich, begleitet von einem noch dominanteren Bass, deckte die Mitteltonlagen erbarmungslos zu. Entspannter Musikgenuss war unmöglich. Reflexartig überlegte ich, wo ich die Kolosse übergangsweise parken könnte. Da der Freund längst gegangen und niemand zur Stelle war, um den Abtransport der Monster logistisch zu unterstützen, machte ich mich aus reiner Verzweiflung daran, deren Frequenzgang per Ortsanpassungsfilter (minus sechs Dezibel im Bassbereich) und einer schrittweisen Neupositionierung zu zähmen. Was nach und nach zu akzeptablen Ergebnissen führte.
Sehr viel später, nach zahlreichen Zwischenschritten, konnte mich insbesondere der nunmehr bis in tiefste Regionen reichende und dabei absolut durchhörbare Bassbereich dann doch überzeugen. Und wie! Er verlieh dem Klang ein Fundament, das sich auf das gesamte Frequenzspektrum positiv auswirkte. Ich hätte vorher nie geglaubt, dass hier etwas fehlen könnte, da ich bereits einen Subwoofer einsetzte. Doch die frisch gewonnenen Erfahrungen, das ahnte ich, würden die Rückkehr zum gewohnten Klangbild schwermachen.
Zugegeben, die „Räumlichkeit“ über die großen Mehrwege-Lautsprecher war etwas diffuser als über meine kleinen Studiomonitore. Das Klangbild wirkte dadurch aber auch weniger aufdringlich, was in Summe Appetit auf mehr machte. Ein abschließendes Feintuning bescherte mir dann den Durchbruch zu vielen Stunden entspannten Musikgenusses.
Konnten diese Erfahrungen meine Vorurteile gänzlich ausräumen? Nein. Noch immer halte ich die Verwendung großer Standboxen in kleinen Räumen für eine der gängigsten Ursachen, sich das Audioleben unnötig zu erschweren. Kleine Boxen, im Nahfeld betrieben und bei Bedarf durch einen – oder besser zwei – Subwoofer unterstützt, sind hier im Vorteil. Andererseits habe ich am eigenen Leib erfahren dürfen, dass das Ergebnis unter Umständen auch positiv überraschen kann, beispielsweise wenn Aktivboxen mit aktiver Bassregelung und Ortsanpassungsfiltern im Spiel sind. Das ist dann richtig gut! Einzig das Problem der schattenspendenden Wirkung voluminöser Boxen wird wohl auch weiterhin ungelöst bleiben. Tiefbass sei Dank.