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ViV Laboratory Rigid Float Ha Tonarm

Test ViV Laboratory Rigid Float Ha Tonarm

28ViV Laboratory Rigid Float Ha – Outlaw auf Speed

Rigid Float – Ein Gesetzesbrecher und junger Draufgänger, der das gestrenge analoge Protokoll respektlos links liegen lässt, hat selbstverständlich meine volle Sympathie. Aber hat er sie auch verdient?

Meine erste Begegnung mit einem Rigid-Float-Tonarm aus dem japanischen ViV Laboratory liegt nun schon circa vier Jahre zurück. Es handelte sich um die Ur-Version des revolutionären Arms in Sieben-Zoll-Länge, und ich konnte ihn damals nicht hören, sondern nur taktil begutachten. Mittlerweile gibt es einen Rigid Float CB mit Carbonrohr und den mir zugespielten Rigid Float Ha, dessen Arm aus Aluminium mit hohem Magnesiumanteil besteht. Er zeichnet sich ferner durch das sogenannte Series-2-Lager aus, dessen magnetische Führung noch straffer sein soll. Armrohr und Lager schmiegen sich über zwei Halbschalen wie zwei Löffelchen aneinander, werden aber von einer hauchdünnen Ferrofluid-Schicht getrennt.

 

ViV Laboratory Rigid Float Ha Tonarm

Solche Ferro- oder auch Magnetofluide sind zwar schon ein alter Hut – bereits Mitte der Sechziger wurden erfolgreiche Versuche der Magnetisierung von Wasser durch Eisenteilchen durchgeführt –, aber diese kolloidalen Dispersionen zeigten sich wenig stabil. Heutzutage hilft Nanotechnologie mit magnetischen Teilchen nicht größer als 20 Nanometer, die sich innerhalb einer Trägerflüssigkeit, etwa Öl wie beim Rigid Float, durch Oberflächenspannung erzeugende Tenside voneinander abgrenzen. Die Lagereinheit des Rigid Float versteckt sich gut geschützt in einem Dom. Befürchtungen, das Öl im Betrieb oder durch Unachtsamkeit zu verlieren, kann ich nicht bestätigen. Auch im etwas raueren Alltagsbetrieb schwimmt der Arm fest verankert auf seinem dünnen Ölfilm, daher auch sein an sich widersprüchlicher Name Rigid Float („starr fließend“).

Abgehoben, aber nur ein wenig

Das an ein Geschütz aus einem Tower-Defense-Spiel erinnernde Konstrukt (Akimoto baut übrigens auch Lautsprecher, die aussehen wie die Familie Barbapapa) aus massivem und schweren Standfuß und Lagerglocke wirkt außergewöhnlich stabil, trotzdem hat das Armrohr Bewegungsfreiheit in alle Richtungen ohne den geringsten Widerstand. Mit sanfter Gewalt kann man die beiden Lagerschalen sogar ineinander etwas verschieben, das Lager zentriert sich aber sofort wieder. Allein die magnetische Arretierung des Armrohrs packt so unmittelbar und rustikal zu, dass es sich Mimosenhaftigkeit nicht leisten könnte.

ViV Laboratory Rigid Float Ha Tonarm

Der Grund, warum ich mit der Schilderung des Lagers beginne, liegt in seiner revolutionären Ausgestaltung, die meiner Ansicht nach entscheidend für den Klangcharakter des Rigid Float verantwortlich zeichnet. Mir ist kein anderer Drehtonarm bekannt, dessen Rohr vollkommen von der Stellfläche abgekoppelt ist. Beim Rigid Float besteht die einzige Verbindung in der unvermeidlichen Innenverkabelung aus Silber, die mitten durch das ringförmige Magnetfeld zu Cinchbuchsen in der Messing-Basis führt. Diese auch noch zu kappen und durch Bluetooth aptX in „CD-Qualität“ zu überbrücken, dafür ist selbst der japanische Erfinder Koichiro Akimoto nicht kaltschnäuzig genug. Obwohl man ihm wahrhaft heroische Furchtlosigkeit attestieren muss, so radikal, wie er mit als unumstößlich geltenden Regeln bricht.

Breaking the Law

Zu einem ordentlichen Tonarm oder dem, was ich darunter verstehe, fehlt es dem Rigid Float zuvorderst an Länge. Er ist mit sieben Zoll um fast die Hälfte zu kurz, was auf einem großen Laufwerk wie dem Feickert-Firebird unfreiwillig komisch wirkt. Als ob das nicht schon abschreckend genug wäre, hat er auch nur eine rudimentäre Headshell und weit und breit kein S oder J, soll heißen, keine Kröpfung. Gar keine!

ViV Laboratory Rigid Float Ha Tonarm

Ein zu kurzer, gerader Stummel! Wäre er ein Bleistift, müsste man ihn ersetzen. Und wäre er einfach nur ein normaler Tonarm, würde man ihn mitleidig belächeln. Aber dem Rigid Float eilt der Ruf des Outlaws voraus, der sich um Konventionen nicht schert und der die analoge Abtastung von Grund auf reformieren könnte. Skepsis ist angebracht, und Neugier oder Ablehnung wären die natürlichen Reaktionen. Meine Wahl fiel auf Neugier, auch weil ich hinter all der zwanghaften, übergenauen Systemjustage oft genug mehr Neurose als Gründlichkeit vermute.

Gerade noch die Kurve gekratzt

Beim Rigid Float entfällt die Systemjustage fast vollständig. Es gibt eine vorbildlich komplexitätsreduzierte Einstelllehre, bestehend aus einem Stück Plastikfolie im rechten Winkel mit zwei Löchern, eines so groß, dass der Mitteldorn des Tellers hindurchpasst, das andere nur ein gestanzter Punkt, auf dem die Nadelspitze zu liegen kommt, und – sonst nichts. Das System wird schnurgerade unter die sogenannte Nelson-Hold-Headshell geschnallt, die nach dem im Deutschen als Doppelnelson bekannten Ringer-Griff benannt ist, der den Gegner im Genick am Boden fixiert.

ViV Laboratory Rigid Float Ha Tonarm

 

Die Basis des Arms sucht sich irgendwo um den Plattenteller herum ein passendes Plätzchen, von dem aus der Tonabnehmer gerade so und ganz genau mit der Nadelspitze auf den Punkt in der Schablone reicht. Dieser Punkt markiert den einzigen Nulldurchgang, über die restliche Platte läuft das System mit Unterhang. Wenn nun der längere Schenkel des Plastikwinkels genau unter dem Armrohr verschwindet, ist die Systemjustage auch schon beendet. Auflagekraft und VTA prüfen – fertig. Für Spezialisten mit Mikroskop hält die neue Ha-Version eine Schraube am Armrohr bereit, mit der sich der Azimut verändern lässt.

Freie Platzwahl

Es ist tatsächlich so, dass der Arm nicht fest mit dem Laufwerk oder einer externen Basis verbunden ist, sondern nur durch sein Eigengewicht von fast zwei Kilo völlig autark steht. Das kann auf dem Laufwerk sein, sofern es groß genug ist, oder auch daneben. Um auf Tellerhöhe zu kommen, bietet der Rigid Float über Spikes einerseits und einen Zylinder im unteren Teil andererseits eine mögliche Höhenverstellung von rund drei Zentimetern.

Falls das nicht reicht, stellt man etwas Stabiles unter. Während des Tests nutzte ich die Gelegenheit, die mir ein frisch restaurierter Perpetuum Ebner 2015 bot, und der Tonarm musste einen Ausflug auf die Werkbank – also den Küchentisch – unternehmen. Mit einem Ziegelstein am Heck des Laufwerks war es möglich, die geforderte Höhe und zugleich den benötigten geringen Abstand zum Teller erreichen. Im Handumdrehen spielte dann ein Rigid Float mit Murasakino-Abtaster und Kondo-Übertrager an einem Flohmarkt-Reibradler und einem klassischen Sansui-Receiver mit DIY-Lautsprechern. Was soll ich sagen? War gut, sehr gut sogar.

Vom rechten Weg abgekommen

„Die vorliegende Arbeit bezweckt, die infolge dieses Winkelfehlers entstehende nichtlineare Verzerrung der Art und Größe nach theoretisch zu untersuchen“, heißt es in Erik Löfgrens Arbeit Über die nichtlineare Verzerrung bei der Wiedergabe von Schallplatten infolge Winkelabweichung des Abtastorgans vom November 1938. Vielleicht ist „theoretisch“ der Schlüsselbegriff, denn sicherlich kennt Akimoto diese grundlegenden Berechnungen für Drehtonarme mit Kröpfung. Er ignoriert sie auch nicht, sondern geht einen Schritt weiter zurück, denn es gab schon Radialarme, bevor sich die Kröpfung durchsetzte. Ist es möglich, dass man vor rund 80 Jahren die falsche Abzweigung genommen hat? Warum nicht, bei der Durchsetzung eines Standards ist nicht unbedingt dessen optimale Eignung entscheidend. Denken Sie an die Cinch-Verbindung.

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Jedenfalls reifte im praxiserprobten Akimoto eine Arbeitshypothese: Was, wenn die Komplikationen, die man nur deshalb in Kauf nimmt, um den tangentialen Spurfehlwinkel des Abtasters über eine Plattenseite möglichst gering zu halten, schwerer wiegen als Fehlstellungen von zehn Grad oder mehr? Prinzipiell ist Kröpfung eine verführerische Idee, um die Armlänge bei geringen Verzerrungen möglichst kurz zu halten, aber sie erzeugt auch eine ungleich höhere Skatingkraft, die wiederum kompensiert werden muss. Zu allem Überfluss verhält sich das Skating dynamisch, was ein klassisches Faden-Antiskating metaphorisch vor die unlösbare Aufgabe stellt, ein Kamel während des Verlaufs einer Plattenseite unbeschadet durch ein Nadelöhr zu bugsieren. Das wollte sich Akimoto um jeden Preis ersparen, also experimentierte er zunächst mit 14 Zoll langen Armen, mögliche Verzerrungen immer noch als Schreckgespenst im Hinterkopf, bis er feststellte, dass es trotz sprunghaft ansteigendem Fehlwinkel nicht schlechter klang, je kürzer das Armrohr wurde. Eine Erkenntnis, die nun wirklich allem widersprach, was als gesichert gelten konnte. Deshalb ist der Siebener, neben den 9 und 13 Zoll langen Versionen, heimlicher Star des Rigid-Float-Ensembles.

Namenlos und ohne Referenzen

Der Tonarm aus dem ViV Laboratory kam in Begleitung reichhaltigen Zubehörs, einiges davon – Kondo-Übertrager und -Kabel, LS-Kabel und Magnesiumbasen von Black Forest Audio – kann ich aus Platzgründen gar nicht ausreichend würdigen, aber um den Tonabnehmer komme ich nicht herum. Trotz seines gesalzenen Preises von rund 9000 Euro halte ich ihn für nicht minder sensationell als den Rigid Float. Wie jener vor einigen Jahren kommt auch das Sumile von Murasakino wie aus dem Nichts.

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Das MC-System wird als erstes und bislang einziges Produkt des jungen Unternehmens geführt. Sein Bor-Nadelträger steckt in einem Edelstahl-Body mit vergoldeter Basis, was schon reichlich ungewöhnlich ist, und verfügt über einen sehr niedrigen Innenwiderstand von nur 1,2 Ohm, liefert aber trotzdem eine gesunde Ausgangsspannung von 0,35 mV, laut Entwickler Daisuke Asai das ideale Verhältnis. Um von vornherein die üblichen Vertriebstricks zu unterlaufen (denn ein teures System kann den ersten Eindruck eines Tonarms durchaus positiv beeinflussen), habe ich es schon nach einigen Tagen gegen die Systeme ausgetauscht, die regelmäßige Leser inzwischen kennen. Schon mit dem AT50ANV klang es bei weitem nicht mehr so gut, aber andererseits auch viel besser, als das sehr sezierende Audio-Technica sonst klingt. Insbesondere nachdem ich die große Rändelschraube mittig auf der Headshell etwas angezogen hatte. Sie macht dem Namen „Nelson Hold“ alle Ehre, indem sie von oben auf den Systemkörper drückt und somit den Generator sowie das Gehäuse ruhigstellt – mit beeindruckender Wirkung. Sogar das gehäuselose Lyra Kleos SL reagierte darauf noch hörbar. Ebenso Clearaudios da Vinci, dessen vollmundige Farbigkeit mich qualitativ wieder näher ans violette Sumile brachte. Aber letztlich führt an dem Newcomer kein Weg vorbei. Auch im Mørch und im Genuin Point war dessen Vorstellung absolut hinreißend. Es bildet mit dem Rigid Float also kein zufälliges Dreamteam, wobei der Arm ohnehin nicht zimperlich bezüglich der Systemwahl ist: Die Abtastwerte waren generell überdurchschnittlich hoch.

Auf die schiefe Bahn geraten

Um Verzerrungen zu minimieren, sind Tonarme gekröpft. Ob das sinnvoll ist, sollte man doch leicht hören können, oder? Ich lausche also Horse Stories, dem Meisterwerk der Dirty Three von 1996 mit erhöhter Konzentration im ersten und letzten Viertel der ersten Seite, wenn das System am Rigid Float so scheps in der Kurve hängt, dass es mir beim Betrachten körperliches Unwohlsein bereitet. Bei Verzerrungen schmerzen jedoch zuerst die Ohren, die sind aber schon während des ersten Titels „1000 Miles“ auf Wellness eingestellt. Obwohl das Trio seine Instrumente nur sanft streichelt, ist das nicht unbedingt eingängige Musik. Warren Ellis’ Violine weht mit einem kaum hörbaren Kratzen von links ins Bild, Drums werden nur ein wenig angestupst, ein paar Schellen, ein Glöckchen hier und da. Aber die instrumentale Geschichte der körperlich tönenden, außergewöhnlich intensiven Geige fesselt mich, die Soundlandschaft weitet sich, am Ende unterstützen doch noch ein paar dumpfe Schläge der Bassdrum die Dramatik in einem wundervoll zähen Finale furioso auf Valium.

ViV Laboratory Rigid Float Ha Tonarm

 

Wie Rigid Float und Sumile die berstende innere Spannung dieses so ruhig dahinplätschernden Post-Rocks herausschälen, darauf hinweisend, da ist noch Leben, da lodert ein Feuer, ist einmalig. In „Hope“, dem letzten Stück auf der A-Seite des vierseitigen, hervorragend klingenden Albums, erhält Drummer Jim White Gelegenheit, sich etwas mehr einzubringen, und ich sitze einfach näher dran als sonst: trockene Schläge wirken rund, sanfte Besen fahren wie silberne Striche über die Felle. Niemand außer Warren Ellis kann eine Violine so spielen, als wäre sie eine von Stradivari persönlich gefertigte singende Säge – er stützt sie scheinbar auf meiner Bauchdecke ab. So direkt, unverstellt, klar beleuchtet und doch schummrig warm, glühend, konnte ich das bislang nicht hören. Falls da etwas verzerrt, und theoretisch muss es das, nehme ich es nicht wahr – zumindest nicht als negativ. Ein unheimlich rasanter Auftritt, den das Gespann aus Rigid Float und Sumile hinlegt. Alles geschieht immer ohne Vorwarnung, die Unmittelbarkeit von Transienten oder rhythmischen Akzenten reißt einen förmlich mit. Alles fließt, die alten Gesetze sind außer Kraft, aber die Lage bleibt stabil.

ViV Laboratory Rigid Float Ha Tonarm Navigator

 

Tonarm ViV Laboratory Rigid Float Ha

Funktionsprinzip: Drehtonarm ohne Kröpfung
Ausführungen: 7,9″ und 13″ in Schwarz-Metallic oder Schwarz-Gold
Effektive Länge: 7–8″ (7/Ha), 9–10″ (9/Ha), 13–14″ (13/Ha)
Absolute Länge: 31 cm (7/Ha), 37 cm (9/Ha), 47 cm (13/Ha)
Unterhang: 5–20 mm
Basisdurchmesser: 90 mm
Anschlüsse: Cinch und Masse
Besonderheiten: berührungsfreies Magnetofluid-Lager, keine Kröpfung, Nelson-Hold-Headshell, ohne feste Montage
Gewicht: ca. 2 kg
Absolute Höhe: ca. 8–11 cm
Garantiezeit: 3 Jahre
Preise: 3400 € (7/Ha), 3600 € (9/Ha), 4080 € (13/Ha)

www.blackforestaudio.de

Die angezeigten Preise sind gültig zum Zeitpunkt der Evaluierung. Abweichungen hierzu sind möglich.