Transrotor Figaro MC-Tonabnehmer – Des Meisters Glanzstück
Kaum zu glauben, aber tatsächlich: Es geht immer noch ein bisschen besser!
Seine Begeisterung für „Figaro“ kann Jochen Räke nur schwer verbergen, sie ist offensichtlich. Kein Wunder. Denn für das neue Spitzensystem von Transrotor – benannt nach der Hauptfigur aus Mozarts Oper Le nozze di figaro – gingen immerhin fast drei Jahre Entwicklungszeit ins Land. Erst dann entsprach der neue, große MC-Tonabnehmer exakt den Vorstellungen von Jochen Räke, dem Gründer und Seniorchef von Transrotor.
Dabei hat das Unternehmen doch bereits ein kleine, feine Palette wohlklingender Tonabnehmer im Programm, von denen ich beispielsweise das Cantare (siehe FIDELITY Nr. 1, Ausgabe 3/2012) in so guter Erinnerung habe, dass ich es immer wieder auch guten Freunden empfehle. Das liegt vor allem daran, dass dieser Tonabnehmer ein ausgezeichnetes Preis-Leistungs-Verhältnis aufweist, technisch anspruchslos ist (also keine besonders aufwendigen Phono-Vorverstärker oder spezielle Tonarme benötigt), hervorragend abtastet und vor allem auch noch richtig gut klingt.
Gleichwohl sind einige deutlich aufwendiger gefertigte – und zumeist auch deutlich teurere – Tonabnehmer in der Lage, doch noch mehr Transparenz und Details zu liefern. Das wissen natürlich auch treue Kunden mit hoch- und höchstwertigen Transrotor-Laufwerken. Denen konnte Jochen Räke bisher allerdings jenseits des Merlo Reference (für keineswegs unerhebliche 1200 Euro) kein adäquates Produkt unter eigener Flagge anbieten. Das soll sich nun mit dem Transrotor Figaro ändern.
Hülle aus Magnesium
Was darf ein Analog-Connaisseur für die immerhin 2500 Euro, die für das Figaro fällig werden, erwarten? Zunächst einmal eine gewisse Exklusivität. Während das Cantare auf einem wahren Goldring-Evergreen, nämlich dem Modell Eroica beruht, wird das Figaro von der britischen Spezialfirma exklusiv für Transrotor gefertigt. Dabei, so Jochen Räke, lege man gesteigerten Wert auf strenge Serienkonstanz: Jedes Exemplar wird einzeln durchgemessen, bevor es zur Auslieferung kommt – eine durchaus zeit- und kostenintensive Prozedur, die aber sicherstellt, dass der Kunde exakt dieselbe Qualität bekommt, die er auch während eines Vorführtermins beim Händler gehört hat.
Das ausgesprochen stabil wirkende rundliche Gehäuse des Figaro besteht aus einer Magnesiumlegierung, die besonders resonanzarm sein soll. Es weist an den Korpusflanken zwei kleine Ausfräsungen auf, die einen Blick auf das Innenleben gestatten. Über die technischen Details schweigen sich die Briten beharrlich aus, sodass man sich nur durch einen Blick ins Innere und durch Interpretation der technischen Daten einen Eindruck davon verschaffen kann, wie der eigentliche Generator aufgebaut ist. Leicht zu erkennen ist die klassische Konstruktion eines Moving-Coil(MC)-Systems mit obenliegenden Magneten, dessen Magnetfeld mittels zweier Polschuhe vor und hinter die Spulen geführt wird. Als Magnetmaterial kommt vermutlich Neodym-Eisen-Bor zum Einsatz – das Material, aus dem die derzeit stärksten Dauermagnete hergestellt werden. Die aus hochreinem Kupfer per Hand gewickelten Spulen befinden sich auf einem kreuzförmigen Träger, der offenbar nicht aus einem magnetisierbaren Material gefertigt wurde. Darauf lässt die weiße Farbe des verwendeten Materials, aber auch die geringe Ausgangsspannung von 0,25 mV schließen. Spulenkerne magnetisierbarer Materialien ermöglichen zwar eine höhere Ausgangsspannung, stehen aber auch im Verdacht, klangverfälschende Hysterese-Effekte zu erzeugen.
Nadelträger aus Aluminium
Im Mittelpunkt des Spulenkreuzes schließt sich der Nadelträger an – ein gerades Röhrchen aus gehärtetem Aluminium –, an dessen Spitze sich wiederum ein Diamant mit Vital Fine Line befindet, der offenbar eine sehr geringe Masse besitzt, wie sich leicht unterm Mikroskop erkennen lässt. Der Tonabnehmer selbst wiegt 8,8 Gramm und ist somit von jedem mir bekannten Tonarm problemlos ausbalancierbar. Die recht geringe Ausgangsspannung jedoch verlangt nach einem rauscharmen MC-Vorverstärker. Idealerweise soll das Figaro an einer Impedanz mit 100 Ohm angeschlossen werden. Für die Betreiber von Übertragern sei noch angefügt, dass es mit einer Eigenimpedanz von 5 Ohm zu den niederohmigen MCs gehört.
Überragende Talente
Wie schon das Transrotor Cantare kann auch das Figaro – bei einer maximalen Auflagekraft von 20 mN und entsprechend eingestellter Antiskatingkraft – stolze 80 µm sauber abtasten, was für ein Moving-Coil-System einen wirklich hervorragenden Wert darstellt. Damit dürfte gesichert sein, dass das Figaro auch höchst dynamisch produzierte Schallplatten noch absolut einwandfrei abtastet. Und falls nicht, ist entweder die Rille beschädigt oder die betreffende LP ist schlichtweg nicht sauber gefertigt.
Bemerkenswert ist die Nadelnachgiebigkeit des Transrotor-Systems. Sie liegt mit nominellen 16 µm/mN für ein Moving Coil schon beachtlich hoch; weshalb es idealerweise in leichten bis mittelschweren Tonarmen betrieben werden sollte. Es ist also eher für die neunzölligen Tonarme beispielsweise von Rega oder SME gedacht. Übrigens könnte das Figaro auch ein geradezu idealer Kandidat für den in der letzten Ausgabe besprochenen Nottingham Analogue AceSpacearm (FIDELITY Nr. 17, Ausgabe 1/2015) sein. Leider konnte ich diese Kombination nicht mehr selbst ausprobieren; der Plattenspieler befand sich schon wieder beim Vertrieb, als dieser Artikel entstand. Dass das Figaro mit Transrotor-Plattenspielern besonders gut „tut“, dürfen wir wohl als selbstverständlich voraussetzen. Bei mir kommt es auf dem SME-Laufwerk Model 10 (FIDELITY Nr. 13, Ausgabe 3/2014) sowohl in einem SME Series V als auch im SME M2-9R (FIDELITY Nr. 9, Ausgabe 5/2013) zum Einsatz. Und in beiden Tonarmen fühlt es sich hörbar wohl.
Je länger, je lieber
Die Einspielzeit des Figaro fällt übrigens erfreulich kurz aus. Schon nach etwa 20 Stunden hat der anfangs etwas zurückhaltende Bassbereich deutlich an Volumen gewonnen, ohne in Übertreibung zu verfallen. Im Gegenteil: Die Basswiedergabe erweist sich als eine Schokoladenseite des großen Transrotor-Systems. Und das mit beachtlichem Differenzierungsvermögen gesegnete Figaro weiß auch pieksauber zwischen elektronischen und akustischen Bassgitarren zu unterscheiden. Dabei punktet es bei Bedarf sehr wohl mit einer gehörigen Portion Fülle, wenn es denn die Aufnahme erfordert bzw. hergibt. Ein schönes Beispiel hierfür ist Lizz Wrights wunderbare Aufnahme Fellowship (Verve), bei der die Bassdrum mit vielen federnden Akzenten den Raum füllt. Für einen Tonabnehmer dieser Preisklasse ist es nichts weniger als eine Selbstverständlickeit, dass die später einsetzende Stimme von Lizz Wright felsenfest in der akustischen Mitte und mit jeder nur möglichen Nuancierung dargestellt wird. Überraschend ist hingegen, dass das Transrotor Figaro sich hierbei nicht etwa die Eigenheit leistet, die Frauenstimme überzubetonen. Tatsächlich gehört es nach meiner Einschätzung zu den ehrlichsten, weil neutralsten Tonabnehmern, die ich jemals hören durfte.
Nur: „Neutralität“ wird in manchem HiFi-Zirkel gelegentlich als unvorteilhaftes Attribut verstanden, gilt mitunter gar als die kleine Schwester der Langeweile. Und genau das ist hier nicht der Fall! Denn das Transrotor Figaro besitzt zwei (für mich unabdingbare) Eigenschaften, die es aus der Masse herausragen lassen und zugleich jeden Anflug von Langeweile von vornherein ausschließen: Es wirkt erstens sehr breitbandig und zweitens ausgesprochen „schnell“. Die Breitbandigkeit zeigt sich dabei nicht nur bei der präzisen Basswiedergabe und der Reproduktion sauberer Mitten, sondern auch im Hochtonbereich, der sich stets offen und detailreich präsentiert; vorteilhafterweise werden die Höhen aber nicht über ein „natürliches“ Maß hinaus reproduziert. Das Figaro vermeidet einen künstlichen Eindruck von Schnelligkeit, der auf Dauer als störend empfunden wird. So habe ich mit ihm beispielsweise seit langer Zeit mal wieder Gustav Mahlers Zweite Sinfonie (DGG, Bernstein, Concertgebouw Orkest Amsterdam) vollständig durchgehört, ohne dabei auch nur den kleinsten Anflug von Anstrengung verspürt zu haben. Großartig!
Es wundert mich daher überhaupt nicht, dass Jochen Räke von seinem Figaro begeistert ist. Im weiteren Gesprächsverlauf schwärmt er erneut von dessen Eigenschaften und berichtet, sich kürzlich gemeinsam mit seinem Sohn Dirk über einen sehr langen Abend hinweg „quer durch die gesamte Plattensammlung“ gehört zu haben. Da ich mittlerweile auf eine ganz ähnliche Erfahrung zurückblicke, kann ich nur jedem Analogfan nachdrücklich empfehlen, sich das Transrotor Figaro einmal unvoreingenommen zu Gemüte zu führen – je länger, je lieber. Die Investition lohnt sich!
MC-Tonabnehmer Transrotor Figaro
Nadelträger: Aluminium
Nadelschliff: Vital Fine Line
Ausgangsspannung: 0,25 mV
Nadelnachgiebigkeit: 16 µm/mN
Empfohlene Abschlussimpedanz: 100 Ω
Empfohlene Auflagekraft: 15-20 mN
Empfohlene effektive Tonarmmasse: mittel (10-15 g)
Gewicht: 8,8 g
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: 2500 €
Räke Hifi/Vertrieb GmbH
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