The Wand Plus – Wand Of Sound
„Mit dem Kopf durch die Wand“ wäre auch ein schöner Titel gewesen. Ein neuseeländischer Zauberstab zäumt die Angelegenheit konsequent von hinten her auf. Und sitzt dennoch sicher im Sattel.
Seit mehr als dreißig Jahren schon prägt Simon Brown die Selbstbauszene Neuseelands. The Wand ist das erste professionelle Serienprodukt seiner Firma Design Build Listen. Der Name des Tonarms lässt sich mit „Stift“, „Stab“ oder auch „Zauberstab“ übersetzen, „to wand“ kann „abtasten“ bedeuten. In den vergangenen Jahren durchlief der Tonarm eine Reihe kleinerer Modifikationen, bis er jetzt als The Wand Plus endlich auch in Deutschland auf den Markt kam.
Wenn wir in Europa davon so lange nichts mitbekommen haben, beweist das doch irgendwie, dass die Welt eben nicht so klein ist, wie wir immer behaupten. In Australien und Neuseeland existiert eine sehr eigenständige HiFi-Szene, die fast abgeschottet vom Rest der Welt gedeiht. Es soll schon vorgekommen sein, dass wir hier in Europa Innovationen bestaunen, die Down Under längst ein alter Hut sind. Berühmtestes Beispiel: die Steckverbinder des Australiers Keith Eichmann (die übrigens am Ende der Cardas-Innenverkabelung des Wand hängen). Seine „Erfindung“ von Wirbelströmen bewirkte eine weltweite Abkehr von massereichen Cinch-Steckern (die theoretische Grundlage von Denis Morecroft habe ich nicht vergessen, aber aus Gründen der Vereinfachung unterschlagen).
Oder erinnern Sie sich an die beeindruckenden Continuum-Laufwerke, deren Tonarm – ich glaube, er hieß Cobra – durchaus Ähnlichkeiten mit The Wand, dem neuseeländischen Testobjekt, aufwies. Hauptsächlich wegen des aststarken Armrohrs, dessen Umfang die meisten anderen Tonarme zu Stricknadeln degradiert. Der muskulöse Auftritt scheint mir eine Spezialität dortigen Designs zu sein. Brown behauptet, sein Tonarm sei viermal so verwindungssteif wie „normale Tonarme“, was eine Bezugsgröße, auf die man ihn festnageln könnte, aber vermissen lässt. „Extrasteif“ notiere ich im Geiste dennoch als versprochene Eigenschaft. The Wand besteht aus einem einteiligen, 22 Millimeter durchmessenden Carbonrohr, an dessen vorderem, in flachem Winkel abgeschrägtem Ende der Tonabnehmer in einem Metallträger mit Halbzollbohrungen Platz findet; die Kröpfung orientiert sich an der Baerwald-Geometrie, und es gibt keine Headshell mit Langlöchern. Die Lagerglocke aus antimagnetischem Edelstahl bildet zugleich das Gegengewicht des ungewöhnlichen Einpunktlagers; auch der Nadelazimut wird direkt am Drehpunkt justiert. Jedes Bauteil wirkt sich klanglich aus, ergo steht alles Überflüssige dem neutralen Klang im Weg, so lautet ein in langen Jahren intensiver Entwicklung gewonnener Grundsatz Browns. Dem er mit der kuriosen von unten her umschließenden Armarretierung gleichwohl untreu wird. Mein Tipp: Einmal zurückschieben und dann vergessen. Auf nur 500 Gramm Gewicht bringt es der reduzierte Arm und sollte auch von den meisten Subchassis-Laufwerken ausbalanciert werden können. Brown bietet sogar eine passende Basis für das Armboard des LP12 an – ziemlich selbstbewusst! Ebenso gibt es für Technics’ 1200er-Familie ein spezielles Mounting-Kit – diese Kombination kann ich mir sehr gut vorstellen, und zumindest optisch macht sie aus dem Massenprodukt von Panasonic einen originellen und individuellen Dreher.
Aber auch ohne diese Spezialanfertigungen lässt sich The Wand auf den meisten Plattenspielern problemlos montieren. Man benötigt lediglich eine Bohrung zwischen 23 und 30 Millimetern im „Rega-Abstand“ von 222 Millimetern, da der dünne Lagerschaft, der wiederum gleichzeitig die Armhöhe bestimmt, exzentrisch auf einer Montagescheibe sitzt. Und jetzt wird es etwas eigenwillig, aber nach mehrfachem Systemwechsel und Gegenprobe auch einfach und, Verzeihung, idiotensicher. Im Lieferumfang befindet sich ein zackiges und gelochtes Edelstahlprofil, das an einen flachen Mehrzweck-Schraubenschlüssel aus der Fahrrad-Satteltasche erinnert. Man könnte es für Verschnitt aus der Fertigung halten, denn es sieht aus, als wären eine Reihe Formen daraus gestanzt worden, doch es handelt sich um eine sehr durchdachte Justagelehre, mit der sämtliche Einstellungen, bis auf Azimut und Antiskating, zum Kinderspiel werden. Man beginnt mit Achsabstand sowie VTA, und mit etwas Glück, sprich einem System, das dem Standard entspricht, ist damit schon der größte Teil erledigt. Falls der Überhang nicht genau passt, muss man noch einmal an die Armbasis, da an der Systemaufnahme – wie bereits angedeutet – kein Spielraum bleibt. Man drehe nun die exzentrische Basis vorsichtig, bis die Nadel mit einem kleinen Ausschnitt des Thaleskreises auf der Schablone übereinstimmt. Armhöhe überprüfen, fertig. Sofern das Systemgewicht bekannt ist, kann man sich hinsichtlich der Auflagekraft an einer Tabelle orientieren; falls nicht, beginnt man mit zwei der drei großen Edelstahlplättchen. Sie werden einfach an der Lagerglocke fixiert, die Feineinstellung erfolgt dann über eine große Schraube ganz hinten am Arm. Hab ich was vergessen? Ach ja, Antiskatingkraft wird klassisch über ein Fadengewicht ausgeübt und der Azimut mittels einer kleinen Inbusschraube justiert. Insgesamt gelingt die Montage des neuseeländischen Arms sehr einfach, sobald man sich mit seiner Eigenheit, alle Optionen um den Drehpunkt zu konzentrieren, arrangiert hat.
Hinsichtlich des Unipivot-Designs schlägt Simon Brown ebenfalls einen eigenen Weg ein. Wo andere Einpunkter mithilfe doppelt und dreifach gehärteter Spitzenlager oder ausgewiesen schlüpfriger Materialien versuchen, Reibung zu minimieren, bis sie möglichst keine Rolle mehr spielt, setzt Brown auf definierten Widerstand und orientiert sich an Kugelgelenken. In der Glocke befindet sich eine Halbkugel von etwa der Größe eines Schrotkorns, die in eine Pfanne auf dem Lagerdorn schlüpft; im Prinzip also ein um 180 Grad gedrehtes Einpunktlager. Der Lagerdorn wird vorher etwas gefettet, um das gefürchtete Moment des Losbrechens zu verhindern, was zu einem geringfügig zähen oder sämigen Lauf des Arms führt, weil er einen winzigen, aber konstanten Reibungswiderstand überwinden muss. Brown erhofft sich davon, das Taumeln vieler spitzengelagerter Arme zu vermeiden, das sich in zittriger Wiedergabe manifestieren kann. Und tatsächlich lässt sich die „Kurvenlage“ und das Handling des Wand-Arms eher mit kardanischen als mit tendenziell nervösen Einpunktlagern vergleichen. Sicherlich hat dies seine Ursache auch in der Massekonzentration: Alle balancierenden Elemente befinden sich in unmittelbarer Nähe unter dem Drehpunkt. Trotz seiner nur 12,5 Gramm effektiver Masse klingt er analog zu schweren Armen mit wenig Antiskating besser, was meiner Ansicht nach bereits auf seinen satten Sitz in der Rille hinweist.
„Profund“ setzt sich schon bald als Leitbegriff für die Darbietung des Wand-Arms durch; es impliziert lautmalerisch sowohl den unzweifelhaft breitbeinigen Auftritt mit Wucht und Druck als auch dessen Stabilität und Gründlichkeit. Außerdem verweist „profund“ etymologisch auf das französische „profond“, was in etwa bedeutet, den Boden unter den Füßen zu vermissen. Mit beiden preislich passenden Systemen von Ortofon – Quintet Bronze und 2M Black – wirft The Wand freigiebig mit Klangfarben um sich, als wäre Musik Action-Painting. Das klingt übrigens nur dann wie Kritik, wenn man Action Painting für Farbkleckserei hält. Sein Pinselstrich ist gegen die Tuscheskizzen des nebenan montierten Brinkmann mit Clearaudio da Vinci zwar deutlich kräftiger, malend statt zeichnend, aber bemerkenswert konturenscharf und kontrastreich im Sinne von grobdynamisch. Die Tiefenschärfe, Feindynamik und Offenheit seiner vielfach teureren Gegenspieler kann The Wand nicht erreichen, auch nicht mit im Grunde überdimensionierten Systemen wie besagtem da Vinci oder meinem AT50ANV. Er benimmt sich weniger filigran Details suchend als vielmehr ordnend und zusammenführend. Dass er Defiziten der Software wie kleinen Knacksern oder Rillenrauschen schulterzuckend wenig Beachtung schenkt, passt da ganz gut ins ungestörte Gemälde.
In meinem mittlerweile in den Ruhestand versetzten Scheu Classic findet sich ein perfekt passender Kontrahent: Einpunkter, neun Zoll, günstig, gut. Das Quintet Bronze habe ich als System der Wahl auserkoren, weil ich seine tonale Klarheit sehr schätze, die allerdings von beiden Armen – im Vergleich zu den Giganten Brinkmann und Mørch – geringfügig getrübt oder vielleicht sollte ich lieber sagen, mit satten Pastellfarben angereichert wird. Dem Scheu gelingt es zwar sehr überzeugend, große Freiheit zu simulieren, doch im Vergleich zum Mørch DP-8 als Meister der reinen Klarheit hört man doch deutlich bisweilen willkürlich wirkende Verfärbungen. Da scheint mir The Wand näher an der Wahrheit, auch wenn er sie vollmundig vorträgt. Am Ende entpuppt sich die schrullige Konstruktion als wohlüberlegt und klanglich sehr ausgewogen. Für seinen Verzicht auf das letzte Quäntchen Lebendigkeit erhält er stoische Laufruhe und kaum zu erschütternde physische und tonale Stabilität – insbesondere auf Subchassis-Spielern wird sich das positiv auswirken.
Input Audio HiFi-Vertrieb, Ofeld 15, 24214 Gettorf, Telefon 04346 600601
Tonarm The Wand Plus
Funktionsprinzip: einpunktgelagerter Drehtonarm
Effektive Länge: 9,5″ (240 mm)
Effektive Masse: 12,5 g
Montageabstand: 222 mm
Montagebohrung: ca. 25 mm (23 mm min.)
Geometrie: Baerwald (angelehnt)
Antiskating: Fadengewicht
Ausführungen: 9,5″, 10,3″ und 12″ mit durchgehender Cardas-Innenverkabelung und Eichmann ETI Bullet Plugs (andere Optionen möglich)
Besonderheiten: Carbonarmrohr (Durchmesser: 22 mm), Einpunktlager mit definierter Reibung
Gewicht: 500 g
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: 1200 € (9,5″)