TechDAS Air Force III – Luft, Wasser, Zen
Ein japanischer Importeur, der im Ruhestand aufwendige Plattenspieler baut, sorgt in der High-End-Szene seit vier Jahren für feuchte Hände und Augen zugleich. Warum? Hideaki Nishikawa konstruierte einst die monumentalen späten Laufwerke von Micro Seiki.
Als die Schallplattenwiedergabe ihre Blüte erreichte, kurz bevor ihr die CD heimtückisch einen gleißenden Dolch in den Rücken rammte, also um das Jahr 1980, wurden in Japan mit der blinden Sturheit, die dem eben erst geprägten Begriff High End seither zu eigen ist, analoge Laufwerke gebaut, deren Aufwand alles bisher Dagewesene in den Schatten stellte. Kaufen wollte sie dennoch niemand mehr. Legendäre Namen verschwanden von der Bildfläche oder widmeten sich anderen Geschäftsfeldern: Nakamichi, Hitachi, ELP, C.E.C. und auch Micro Seiki, der in seiner Breite bedeutendste Hersteller jener Zeit. Freilich war auch damals nicht alles eitel Sonnenschein, der Weltmarkt war heiß umkämpft – und je größer der Konzern, umso mehr musste rationalisiert und eingespart werden. Auch Micro Seiki versuchte schon seit Jahren im Markt für preiswerte Plattenspieler Fuß zu fassen und fertigte in Kooperation für andere Hersteller. Aber während man sich an die deutschen Produzenten Thorens, Dual oder Perpetuum Ebner (auch alle wieder da – das Analog-Revival leistet ganze Arbeit) vor allem wegen ihrer breitenwirksamen Dreher erinnert, sind es bei Micro Seiki die fulminanten Masselaufwerke, die das Bild der Marke prägen, und die auf dem deutschen Markt häufig gar nicht auftauchten. Laufwerke vom Schlage eines SX 8000 oder 8000 II, SX 5000 II und vor allem RX 5000, der dem Air Force III am ähnlichsten sieht, aber doch am wenigsten mit ihm gemeinsam hat. Alle Genannten eint übrigens jener Hideaki Nishikawa, der sie entwickelte und nun der Stella Inc. bzw. TechDAS vorsteht.
Ideen mit langem Atem
Im Grunde ist am Air Force III nichts neu. Seine Konstruktionsmerkmale finden sich allesamt schon im Micro Seiki SX 8000 II: Die quadratische Basis, das Luftlager, die Vakuumansaugung der Platte, die externe Antriebseinheit (damals jedoch mit DC- statt Synchronmotor). Sogar im komplexen Lager des historischen Traumlaufwerks wurde schon vorexerziert, wie man Platz für Luftkanäle schafft: indem der Mitteldorn erst am Ende des Aufbaus aufgeschraubt wird und den heute neun Kilo schweren Aluteller lediglich am Abheben hindert, sobald das Luftkissen des Kompressors wirksam wird. Die Ideen waren damals schon bestechend; dass sie bis heute nichts von ihrer Faszination und Gültigkeit verloren haben, ist genau betrachtet ein Schlag ins Gesicht der analogen New School seit den neunziger Jahren. Nishikawa selbst begründet den späten Wiedereinstieg damit, auf die Verfeinerung technischer Entwicklungen gewartet zu haben – rund 35 Jahre lang. Zen in seiner reinsten Form.
Wenn du lange genug am Fluss sitzt, siehst du irgendwann die Leiche deines Feindes vorbeischwimmen …
… und ihr lebloser, mittig gelochter Körper glitzert silbrig in der rötlichen Morgensonne. Fernöstlicher Philosophie wohnt diese wundervolle Alles-wird-von-alleine-gut-Haltung inne. Aber hüte dich davor, es erzwingen zu wollen! Während also Hideaki Nishikawa geduldig auf Fortschritte in der Vakuumtechnologie wartete, begann sein Erzfeind, die CD, in ein urplötzliches Siechtum zu fallen. 2013 war dann der Zeitpunkt gekommen, die Welt war bereit für Air Force One, dem alsbald der etwas abgespeckte, aber aus meiner Sicht umso attraktivere Air Force Two folgte. Unser Testobjekt Air Force III ist also schon das zweite Downgrade, zu etwa einem Viertel des Preises verfügt er über alle wesentlichen Merkmale des Air Force One in kompakten Abmessungen. Für dieses Jahr hat TechDAS angekündigt, mit einem Air Force Zero das Angebot nach oben zu erweitern.
Kontrolle über den Luftraum
Der Kompressor des Air Force III ist wie der Heinzelmann, er saugt und bläst. Er ist sogar moderner als der bekannte Saugblaser von Loriot, denn er bläst und saugt gleichzeitig, und dies unabhängig voneinander. Vom luftgekühlten Kompressor führen zwei mit „V“ (Vakuum) und „F“ (Floating) gekennzeichnete PVC-Leitungen zu passenden Ventilen in der Laufwerksbasis. Daneben verläuft noch ein serielles Anschlusskabel zur Steuerung des Kompressors und zur Stromversorgung des Laufwerks. Ein weiteres Steuerkabel verläuft zwischen Laufwerksbasis, die auch die Motorsteuerung enthält, und Motordose. Ohne laufenden Kompressor lässt sich der Teller nicht bewegen, erst wenn ein konstantes Luftkissen von 30 Mikrometern Stärke zwischen einen Subteller aus Glas und den Plattenteller gepumpt wird, beginnt er zu schweben. Das geschieht im Übrigen vollkommen unhörbar, der Kompressor vibriert sanft am Fingerknöchel, verhält sich ansonsten aber mucksmäuschenstill.
Auf der Oberseite des Alutellers bewirkt er das genaue Gegenteil. Die Platte wird am Label und am äußeren Rand von zwei Dichtlippen empfangen, die als Ersatz auch auf alte Micro Seikis passen, und auf Befehl vom Frontpanel an den Teller gesaugt. Man vernimmt ein kurzes Fiepen wie von einem verängstigten Meerschweinchen – das einzige Betriebsgeräusch dieses unglaublich ruhigen Laufwerks –, der Suction-Button am Bedienfeld leuchtet nun grün und die Platte ließe sich nur noch mit roher Gewalt vom Teller reißen. Unter ihr entsteht aber kein hermetisches Vakuum, sondern eines mit kontrollierter Undichtigkeit. Eine der wichtigsten Neuentwicklungen der TechDAS-Dreher besteht aus einem winzigen Atemzug, einem hauchdünnen Film komprimierter Luft zwischen Teller und Platte, der Vibrationen der Abtastung vor Ort absorbiert. Dass man die strukturierte Oberfläche des Tellers möglichst sauber halten sollte, versteht sich von selbst, ist aber bei dieser Arbeitsweise besonders wichtig. Eine leichte Welle in der Platte wird vom genügend kräftigen Vakuum übrigens problemlos plattgebügelt, notfalls darf man auch mit sanftem Druck nachhelfen. Aber auch eine zu stark eiernde Scheibe wäre kein Ausschlussgrund, selbstverständlich funktioniert der Air Force III auch ohne Vakuum; zudem gibt es optional eine generell sehr empfehlenswerte Plattenklemme.
Drehmoment oder Laufruhe …
… die Gretchenfrage im zeitgenössischen Laufwerksbau beantwortet der Air Force III nonchalant: Beides in jederzeit ausreichender Menge. Der kräftige, von einer eigenen Endstufe angesteuerte Synchronmotor in einer massiven Dose überträgt seine Kraft über einen sehr dünnen und straffen Polyurethan-Riemen auf eine Nut in der Außenseite des Tellers. Mit dem Abstand der Motordose zum Teller darf man ein wenig spielen, es geht nicht darum, ein exaktes Optimum zu treffen, sondern einen Kompromiss zwischen ausreichender Riemenspannung und maximaler Laufruhe zu finden. Über eine Rändelschraube lässt sich auch das Pulley selbst in einem Rahmen von etwa zwei Zentimetern verschieben; so erhält man mehr Bewegungsfreiheit, falls tatsächlich vier Tonarme betrieben werden sollen. Rückmeldung über den Erfolg der Motorjustage erhält man wiederum vom Bedienfeld, das anzeigt, wie die Drehgeschwindigkeit eine Weile um den korrekten Wert pendelt, bevor sie festgelegt und mittels Memory-Funktion gespeichert wird. Sofort drosselt der Motor seine Spannung um die Hälfte, sodass der Teller gerade noch auf Drehzahl gehalten wird. Eine träge Regelschleife mit Hall-Sensor kontrolliert im Idealfall lediglich nach. Geschieht dies alles innerhalb von 30 Sekunden, befindet man sich im grünen Bereich, dauert es länger, kann man über die Riemenspannung nachhelfen. Mit der vom String-Antrieb bekannten Faustregel, wonach der Antriebsriemen etwa einen Finger breit nachgeben sollte, liegt man auch beim Air Force III richtig. Sollte das unerwartet Schwierigkeiten bereiten, offeriert die Elektronik einen sogenannten „tension adjustment mode“, ein kurzer Routinedurchlauf, der die Einstellung erleichtert.
Verbesserungspotenzial
Für Möglichkeiten, die mechanische Stabilität des Air Force III zu verbessern, muss man nur auf seine größeren Brüder schielen, die sich im Wesentlichen durch ihr Gewicht und eine ausgeklügeltere Entkopplung von der Stellfläche unterscheiden. Mit diesem Fahrplan habe zumindest ich gute Erfahrungen gemacht. Zwar spielte der Air Force III im Solidsteel-Rack einwandfrei, doch der Fingerklopftest schlug ein wenig auf die Lautsprecher durch. Eine zusätzliche schwere Base von Subbase Audio sorgte dagegen umgehend für Ruhe. Mit ein wenig Lust und Experimentierfreude lässt sich der Air Force III mit Sicherheit noch weiter optimieren. Wer weiß, vielleicht kann er sogar die Differenz zu Nr. 2 durch kluge Aufstellung ausgleichen?
Vorhang auf …
Für den großen Auftritt des „kleinen Luftikus“ haben wir uns nicht lumpen lassen und im Redaktionshörraum ein angemessenes Empfangskomitee versammelt. Obgleich integriert, gehört die MC-Vorstufe der Tidal Preos-D zu den besten Phonoentzerrern des Weltmarktes, die Stereoendstufe Soulution 511 und die glorreiche Yvette von Wilson Audio sind ohnehin nur mit an den Haaren herbeigezogenen, geschmäcklerischen Argumenten angreifbar, die Verkabelung besteht mit Ausnahme des Fünfpol-Kabels vom Tonarm aus Premium-Ware von AudioQuest bzw. netzseitig von HMS. Auf der Fensterseite des Raumes blinkt sogar ein Quantum Noise Resonator – mit mir noch nicht ganz klarer Funktion. Bislang kann ich nur sagen, dass seit seiner Installation kein störendes Quantenrauschen mehr aufgetreten ist; vorher habe ich zugegeben nicht so sehr darauf geachtet. Insgesamt also traumhafte Bedingungen für einen fundierten Hörtest.
The Tonearm – Treffen der Altmeister
Lassen Sie mich noch eben den Tonarm nachreichen, der erste Arm mit Einstein-Label und ein wahrlich besonderer Neunzöller. Für die Zukunft stellt Volker Bohlmeier von Einstein noch eine Zwölf-Zoll-Version in Aussicht, den Mittelweg von 10,5 Zoll lehnt er als faulen Kompromiss hingegen radikal ab. The Tonearm, so heißt die noch relativ junge Schöpfung, verfügt über ein massives kardanisches Lager, das wie ein Riegel über dem Drehpunkt liegt, und ein nur spärlich bedämpftes Doppelrohr aus Edelstahl außen und Aluminium innen. Wie auch der Tonabnehmer The Pickup, der bei Ortofon gebaut wird, stammt der Tonarm nicht aus eigener Fertigung. Dass man sich außerhalb der Verstärker-Kernkompetenz nötigenfalls fremde Hilfe an Bord holt, daraus macht Einstein keinen Hehl. Immerhin tritt die kleine Manufaktur fast als Vollsortimenter auf. Für den Tonarm konnte Volker Bohlmeier eine weitere Analoglegende aus dem High-End-Mutterland Japan gewinnen: Akiko Ishiyama fertigt unter anderem für Ikeda und Lyra, manchen Kennern ist sein Name vielleicht noch durch die Klassiker von Fidelity Research geläufig. Optisch ist The Tonearm durch sein kantiges Profil aber ein höchst eigenständiges Produkt. Sehr wahrscheinlich werden wir den Einstein-Arm in absehbarer Zeit auch als Solisten unter die Lupe nehmen, für den Moment belasse ich es bei der schönen Geschichte, dass für diesen Ausbau des Air Force III über den Link des deutschen Vertriebs zwei japanische Altmeister ihre gesammelte Erfahrung in den Ring warfen. Was soll da noch schiefgehen?
… Bühne frei
Während des Testzeitraumes sah ich keine Veranlassung, das offenbar gut harmonierende und bestens eingespielte Team aus Tonarm und Abtaster zu verändern, geschweige denn auszuwechseln. Wenn Sie nachvollziehen könnten, dass man schon mit den ersten Takten des Air Force III keine Notwendigkeit mehr verspürt, irgendetwas zu verändern, könnten Sie mir dies sicher leichter nachsehen. Wüsste ich nur, wie ich Ihnen das vermitteln soll. Ab und an tauchen diese erhabenen High-End-Komponenten auf, die einfach keinen Widerstand, keine Angriffsfläche bieten. Echtes High End ist eben oft nicht sensationell, sondern glänzt eher durch das Fehlen eindeutiger Eigenschaften. Alles, was man klanglich am Air Force III herausstellen könnte, würde allein durch die Exposition weniger wahr. Na gut, ich versuche es trotzdem. Leicht zu überhören, aber außerordentlich signifikant ist die vollkommene Ruhe, die er ausstrahlt. Nicht exakt die schwarze Leinwand, wie man sie von gestandenen Masselaufwerken kennt, sondern eine reine, transparente Stille aus der Einlaufrille. Schon mit den ersten Tönen entzieht sich der Air Force III einer eindeutigen Zuordnung nachdrücklich. Lustvoll, swingend und leichthändig dehnen sich die Bläsersätze auf Bettye LaVettes „Do Your Duty“ aus, aber ihre Einsätze kommen knallhart auf den Punkt. Die Yvette verwöhnt mit Klangfarben und Druck bis in tiefste Lagen. Die rohe Energie, die sie im Verbund mit der Soulution-Endstufe aus der Sixties-Produktion holen, ist schlicht umwerfend. Die Schweizer Endstufe ist so brutal gut, dass es nur einen möglichen Kritikpunkt an ihr gibt: Niemals kann die Künstlerin oder der Produzent gewollt haben, dass wir diese Musik rund 50 Jahre später so hören können. Mit all ihren Unzulänglichkeiten, den Übersteuerungen, dem düsteren Hall und dem von viel Enthusiasmus getragenen Schießbuden-Schlagzeug. Dennoch erklingt die unverwüstliche Stimme der Soul-Diva in mannigfaltigen Schattierungen zwischen brüchig und eigensinnig. Der Eindruck einer runden oder besser elliptischen Bühnendarstellung verstärkt sich noch, als Carla Thomas Otis Redding einen „Tramp“ schimpft. Die beiden stehen zwar weiter als gewohnt auseinander, bleiben aber doch in einem klar abgezirkelten Oval, einzig die mächtige Rhythmusgruppe unternimmt schlagartige Ausbruchsversuche mit mitreißender Dynamik. Diese urplötzliche extreme Dynamikentfaltung scheint mir dann doch eine Spezialität des Air Force III zu sein, insbesondere weil er auch dann nicht, wie viele zackig aufspielende Dreher, einen Schritt auf den Hörer zugeht. So leicht ist der japanische Bolide nicht aus der Ruhe zu bringen, er agiert jederzeit überlegen und gelassen von der Grundlinie aus.
„Leere deinen Geist, werde formlos, gestaltlos – wie Wasser. Sei Wasser, mein Freund.“
Den Zitatgeber Bruce Lee eint mit dem Air Force III, dass beide mit einem Handstreich für Ruhe sorgen können. Und Wasser ist nach reiflicher Überlegung der einzige metaphorische Vergleich, der dem Air Force III gerecht wird. Es ist nachgiebig und passt sich an, aber diese vermeintlichen Schwächen sind seine eigentliche Stärke. Wasser findet immer den leichtesten Weg, es setzt sich durch und verwandelt die Stärken des Gegners in den eigenen Vorteil. Wasser fließt perlend durch einen dünnen Trinkhalm und gräbt andererseits tiefe Gebirgstäler, es erfrischt des Freizeitschwimmers weiche Landung nach dem Aufstieg zum Drei-Metter-Brett, aber erscheint dem Rekordspringer aus 50 oder mehr Metern Höhe wie eine Betonwand. Wasser hat keine Eigenschaft, der nicht eine andere entgegenstünde. Nicht einmal sein Aggregatzustand ist unveränderlich. Und nicht zuletzt ist Wasser der Ursprung, die Voraussetzung für alles, was daraus erwächst. Am Anfang steht reines, sauberes Wasser. Finden Sie nicht auch, ein Plattenspieler sollte wie klares Wasser sein? Mit einer Brise Frischluft?
Plattenspieler TechDAS Air Force III
Funktionsprinzip: riemengetriebenes Masselaufwerk
Antrieb: Synchronmotor mit eigener DC-Endstufe
Material: Aluminium
Drehzahl: 33 oder 45 U/min
Besonderheiten: luftgelagerter Teller, Vakuumansaugung der Platte, Platz für bis zu vier Tonarme, Micro-Seiki-Gene
Maße (B/T): 55/40 cm
Gewicht: 35 kg (inkl. Motoreinheit)
Gewicht Netzteil/Kompressor: 9 kg
Garantiezeit: 3 Jahre
Preis: 26 500 €
Tonarm Einstein The Tonearm
Funktionsprinzip: kardanischer Drehtonarm
Länge: 9″
Material: Aluminium, Edelstahl
Garantiezeit: 5 Jahre
Preis: 6200 €
Tonabnehmer Einstein The Pickup
Funktionsprinzip: MC-Tonabnehmer
Ausgangsspannung 0,4 mV
Gewicht: 13 g
Garantiezeit: 3 Jahre
Preis: 4400 €
Einstein Audio Components GmbH
Prinz-Regent-Straße 50–60
44795 Bochum
Telefon 0234 9731512