Test Sonoro Prestige – Neusser Taschenmesser
Was die Features angeht, kann diese flotte Kiste des in Neuss ansässigen Herstellers Sonoro so mancher altgedienten Anlage die Zunge herausstrecken. Doch kann sie auch klanglich mithalten?
Echter HiFi-Fanatismus treibt seltsame Blüten. Das gilt vor allem für die Mühen, welche der Ausübende dieses Hobbys zuweilen auf sich nimmt. Permanent wollen neue Komponenten, Kabel oder Zubehörteile erworben und in die Kette integriert werden, auf dass man sich dem Optimum asymptotisch nähere. Und einfach mal eben so Musik anknipsen geht bei vielen ernsthaften HiFi-Adepten schon gar nicht: Möglicherweise muss erst einmal der als solcher ausgewiesene Hörraum aufgesucht werden, Röhrenverstärker wollen vorgewärmt, Masselaufwerke in Schwung gebracht, die der Stimmung entsprechende Schallplatte gesucht, herausgeholt, gereinigt und aufgelegt, der Tonabnehmer mit erfrischenden Substanzen benetzt werden … und schon sind 20 Minuten rum, ehe überhaupt der erste Ton erklingt. Hau den Lukas!
Wer’s gerne mal etwas spontaner und einfacher mag, der setzt auf eine Zweitanlage, die ihren Besitzer vielleicht nicht an den finalen audiophilen Weihen teilhaben lässt, ihn aber dafür unkompliziert mit Musik beglückt. Das Sonoro Prestige könnte hierfür ein heißer Kandidat sein, denn es kommt nicht nur mit einer beeindruckenden Feature-Liste, sondern kann aufgrund seiner Abmessungen und seines moderaten Gewichts schnell mal unter den Arm geklemmt werden. Doch was verbirgt sich denn eigentlich hinter dem eleganten Kasten, der mit seinem handgeschliffenen Holzgehäuse in edlem Klavierlack ein gelungenes Amalgam aus retro und modern darstellt? Nun, man muss wohl ein Wortungetüm bemühen: Das Sonoro Prestige ist ein CD-Streamer-Receiver-Audiosystem mit eingebautem Verstärker und Lautsprechern.
Was wird geboten?
Fangen wir mal „hinten“ an, bei den Lautsprechern. Im Gerät sind fünf Treiber verbaut: Nach vorne strahlen pro Kanal ein Mittel- und ein Hochtöner in Koaxialeinheit, nach unten ein „Subwoofer“ – bei einem Vierzöller seien an dieser Stelle einmal Gänsefüßchen erlaubt. Die einzelnen Wege werden mit separaten Verstärkerstufen gefüttert; für den Mittel- und Hochtonbereich stehen jeweils 20 Watt Sinusleistung bereit und für den Subwoofer 40 Watt. An Bord gibt es als originäre Quellen ein CD-Laufwerk (Slot-in) und ein FM/DAB+-Digitalradio. Über eine Stabantenne bzw. einen RJ45-Anschluss kann Musik aus dem hauseigenen Netzwerk sowie per Bluetooth gestreamt werden, zwei Analogeingänge (Cinch und Mini-Stereoklinke) und zwei Digitaleingänge (Toslink und USB-Speichermedien) runden das Konnektivitätsportfolio ab. Freundlicherweise handelt es sich beim Sonoro Prestige nicht um ein vollständig hermetisches System – ein Festpegelausgang (Cinch) gestattet den Anschluss eines separaten Leistungsverstärkers.
Die Integration ins Heimnetzwerk ist für Anfänger wie Experten befriedigend: Anfänger werden die einfache Auswahl von SSID und Passwort schätzen, Experten die Möglichkeit, auch abgefahrene Einstellungen inklusiver fester IP-Adressen zu realisieren. Mustergültig!
Alle Wege führen nach Rom
Was mich ebenfalls überzeugt, denn es ist gerade bei designorientierten Kompaktanlagen bedauerlicherweise eher die Ausnahme als die Regel: Alle entscheidenden Funktionen des Geräts lassen sich auf drei Arten erreichen. Direkt am Gerät sorgen zwölf Bedientasten, ein Drehregler und ein schickes, gut ablesbares Display für eine absolut intuitive Bedienung. Selbiges gilt für die mitgelieferte Fernbedienung, die gut in der Hand liegt und klar strukturiert ist. Wer’s noch moderner mag, der steuert das Sonoro Prestige zeitgemäß über eine App namens Undok. Diese App gestattet es übrigens auch, bis zu fünf Sonoro Prestige zu gruppieren und gleichzeitig zu nutzen. So lässt sich mit Sonoro-Komponenten ein echtes Multiroom-System aufbauen.
Können und auch wollen?
Wir halten schon mal fest: Das Sonoro Prestige hat technisch viel drauf, kommt mit Features, die es fast schon zum „Neusser Taschenmesser“ machen und lässt sich noch dazu schnell unter den Arm klemmen und mitnehmen. Die Frage ist natürlich: Will man das denn auch? Oder verbirgt sich hinter dem freundlichen, kompetenten Antlitz dann doch nur der Klang von zartem Plastik?
Mitnichten! Nun darf man natürlich von einer Komponente dieses Ausmaßes nicht erwarten, dass sie in den Abbey Road Studios als Abhörmonitor eingesetzt werden könnte. Doch der Rezensent gesteht freimütig ein, dass ihm die klangliche Abstimmung sehr gefallen hat. Das Sonoros Prestige versucht glücklicherweise eben nicht, sich mit einem alerten Badewannenfrequenzgang (also einer unbotmäßigen Höhen- und Oberbassbetonung) beim Hörer einzuschmeicheln. Eher sonor, eher lässig-entspannt, aus den Mitten heraus, wird das Klangbild aufgebaut. Spontan mir einfallendes Adjektiv: erdig! So hörte ich mich gutgelaunt durch die neue Scheibe der Wave Pictures und erfreute mich insbesondere am durchzugskräftigen Bass, der schallernden E-Gitarre und dem schleppenden Schlagzeug in der Ballade „Shelly“. Zwar würde ein überraschungsartig in die Wohnung einfallender „Messtrupp“ mit Referenzmikrofonen und Sinusgenerator sicherlich keinen glattgezogenen Frequenzgang ermitteln können, doch das Sonoro Prestige schafft es, bei Zimmerlautstärke und auch noch ein gutes Stück darüber hinaus, einen insgesamt schlüssigen, ausbalanciert wirkenden Klang in die Wohnung zu schieben. Damit nicht genug: Angesichts der eher schnuckligen Basisbreite der beiden Koaxialtreiber ergibt sich bei nicht allzu weitem Hörabstand auch ein erstaunlich befriedigendes stereofones Klangbild, das sich deutlich und positiv von dem absetzt, was man bei klassischen Billiglösungen erwarten kann.
Auch in Bezug auf die Leistung zeigt sich das Sonoro Prestige gut austariert. Der Lautstärke-Regelbereich, der in 32 Stufen gerastert ist, lässt sich in der Praxis tatsächlich ausnutzen. Selbst bei bassstarker Musik setzen ab Stufe 25 zwar gewisse Kompressionseffekte, aber noch keine unbotmäßigen Verzerrungen ein. Und wenn es eher leichtere Kost ist, kann man sogar „alle Regler nach rechts drehen“, ohne dass Unbeteiligte fluchtartig den Raum verlassen müssen.
At your fingertips
Was bleibt als Fazit? Das Sonoros Prestige könnte ich mir durchaus auch in meinem Heim vorstellen (wenn auch eher als Drittanlage, zwei gibt es schon). Es bringt zügigen Genuss ohne Reue, einen HiFi-Snack ohne Magengrimmen und Bäuerchen. Die Bedienung ist so intuitiv, dass nur tumbe Zeitgenossen einen Blick in die Anleitung werfen müssen. Ein Fingerwisch auf der App, ein Druck auf die Fernbedienung und Musik erklingt – ganz gleich, ob es sich dabei um Internetradio, CD, Gestreamtes von der Festplatte oder klassischen Rundfunk handelt. Und das alles in einem harmonischen, klaren, artefaktefreien Klangbild, während das Auge sich am zurückgenommenen, trotzdem aber nicht langweiligen Design erfreut. Passt!
Sonoro Prestige
All-in-one-Player in Hochglanz-Schwarz, -Silber oder -Weiß
Maße (B/H/T): 44/15/26 cm
Gewicht: 7,2 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: 799 Euro