Q Acoustics 3020 – No Nonsense
Ernsthafter Spaß für kleines Geld
Ein kleiner Lautsprecher aus England wird von der internationalen Fachpresse mit Superlativen überschüttet. In Anbetracht des Preises ist hier ein wenig Skepsis angebracht – nur selber hören macht schlau. Also positioniere ich die Q Acoustics 3020 in meinem 22 m² großen Wohnzimmer auf 60 cm hohen Stahlrohrständern. Sie bilden ein Stereodreieck von knapp drei Meter Kantenlänge, sind mehr als einen Meter von der Rückwand entfernt und auf den Hörplatz eingewinkelt.
Die kleinen Briten sind keine Schmuckkästchen, sondern das Resultat modernen Industriedesigns. Es gibt sie in fünf verschiedenen Oberflächen, darunter auch ein schwarzer Lederlook, sodass jeder etwas für seinen Geschmack finden sollte; als Zubehör sind verschraubbare Stahlrohrständer oder Wandhalterungen erhältlich. Die Verarbeitung ist – inklusive magnetisch haftender Schallwandabdeckungen und Gewindebohrungen auf der Unterseite – äußerst solide. Darüber hinaus wurden Schaumstoffpfropfen beigelegt, mit denen bei wandnahem Betrieb die Reflexöffnungen verschlossen werden können.
Die 3020 macht bereits im Auspackzustand einen überraschend erwachsenen Eindruck. Der angegebene Wirkungsgrad von 88 dB/W ist absolut glaubhaft: Diesen Lautsprecher muss man nicht zum Jagen tragen.
Gehen wir gleich in medias res: Ich habe mich kaum jemals zuvor an einem Lautsprecher so „abgearbeitet“, denn ich bekam ihn klanglich zunächst nicht zu fassen: Keine typischen Mängel, keine herausragenden Highlights, alles klang immer überzeugend und detailreich. Selbst mit extrem dynamischem Material, z. B. Siyou Meets Hellmut Hattler (36music) stößt die 3020 in meinem Hörraum noch an keine Grenzen. Bassenergie, Pegel und Dynamik sind in allen Fällen mehr als ausreichend.
Ich beginne allmählich zu verstehen, was es mit diesen Lautsprechern auf sich hat, als eine CD aus EMIs Celibidache-Edition (Joseph Haydn, Sinfonien Nr. 103 & 104, Münchner Philharmoniker) in meinem Rega Apollo R rotiert. Hier entsteht einer dieser seltenen Augenblicke, wo man das Gefühl hat, dass wirklich alles stimmt: Schon der Begrüßungsapplaus hat eine selten anzutreffende satte Farbe, die 3020 übertragen die Akustik des Saales eindrucksvoll in mein Wohnzimmer. „Weiträumig“ ist die erste Vokabel, die sich mir aufdrängt, die Lautsprecher machen sich bei dieser Aufnahme völlig unsichtbar, Celli und Kontrabässe haben gerade so viel Volumen und Tiefe, dass mein Hörraum nicht überladen wird. Die Violinen der Münchner Philharmoniker verbreiten seidigen Wohlklang und sind doch so hell und brillant, wie Violinen eben sein müssen. Und: Die 3020 stoßen in meinem Hörraum auch mit Sinfonieorchester an keine Pegelgrenze.
Szenenwechsel. Tapestry von Carole King (1971/1999, Epic Ode Records) ist ein beispielloser Geniestreich. Bei den Grammy-Verleihungen für das Jahr 1971 erhielt Carole King nicht weniger als vier Auszeichnungen: Album des Jahres, Single des Jahres („It’s Too Late“), bester weiblicher Gesangsbeitrag sowie Song des Jahres („You’ve Got A Friend“). Die Produktion des Albums ging leer aus – zu Recht, denn in Sachen Klang und Aufnahmetechnik bewegt es sich eher auf Garagenniveau. Man vergisst diese Tatsache aber schnell, weil die Musik so herrlich ist. Die 3020 lässt sich davon allerdings nicht beeindrucken. Sie macht ganz einfach hörbar, was Sache ist – ohne es freilich zu übertreiben … Und damit nähere ich mich der Lösung des Rätsels, das die 3020 für mich dargestellt hat: Sie ist kein Schöntöner, sondern ein Richtigtöner! Ich habe versucht, die 3020 als einen ganz normalen HiFi-Lautsprecher zu verstehen − dabei saß ich die ganze Zeit vor einem Monitor. Dieser Lautsprecher gehört eigentlich auf die Konsole eines Mischpultes. Er war deshalb nicht zu greifen, weil er ganz und gar mit der Programmquelle mitgeht − was in diesem Preissegment schon an ein Wunder in puncto Neutralität und Durchsetzungsvermögen grenzt. Wollte man böswillig sein, könnte man so viel Perfektion schon fast wieder langweilig finden. Aber man muss sich eben entscheiden: Neutralität und bedingungsloser Schönklang lassen sich in einem Produkt nicht vereinen. Nachdem wir jetzt wissen, dass sich dieser Lautsprecher nur mit erstklassigem Material beurteilen lässt, weil man sonst immer das Programm beurteilt − bitte schön, erstklassiges Material: Larry Carlton & Robben Ford bieten mit Unplugged (in-akustik/335 Records) eine Liveaufnahme aus dem Pariser Jazzclub „New Morning“ an. Was sofort auffällt, ist die Anschlagsdynamik der beiden Gitarren. Larry Carlton reizt seine großvolumige Akustikgitarre mit harten Anschlägen bis an die Grenzen aus, an leisen Stellen spielt er virtuos mit feinsten Flageoletttönen. Weder die harten Anschläge noch die leisen Flageoletts habe ich in dieser Preisklasse bislang so klar definiert gehört. Man hat den Eindruck, dass der Lautsprecher bei den feinen, zarten Tönen in eine Art „Lupenmodus” schaltet – das ist natürlich Unsinn, aber es drängt sich so auf. Ebenfalls auffallend ist die exzellente Sprachverständlichkeit dieser Aufnahme, auch über wirklich gute Lautsprecher so noch nicht gehört. Und offenbar ist dieser Lautsprecher auch ein hervorragender Leisesprecher. Er klingt leise genauso gut wie bei höheren Lautstärken, spielt auch after hours artikuliert und detailreich.
Obwohl sich die 3020 damit als ernst zu nehmender Schallwandler für ernsthafte Hörer empfiehlt, „kann“ sie natürlich auch Easy Listening: Bert Kaempfert mit großem Orchester 1974 live in der Royal Albert Hall (Bert Kaempfert In London, Polydor). Peter Klemt, der damalige Aufnahmeingenieur, konnte die Original-16-Spur-Bänder frisch abmischen, und das Resultat ist einfach phänomenal. Das einleitende Medley kommt dermaßen locker und entspannt daher, dass man schnell den Lautstärkeregler zu weit aufzieht und umgehend zurückrudern muss: Von halb rechts kommt nämlich Ack van Rooyen mit seinem Flügelhorn und zeigt den Trommelfellen des Hörers ihre Grenzen auf … Überhaupt die Bläser: Hier bleibt wirklich kein Auge trocken, selbst die Posaunen kommen richtig satt und sonor. Das riesige Orchester spielt mit der Geschmeidigkeit einer Raubkatze und schlägt bei Bedarf gnadenlos zu. Dass ich mich einmal so für eine 16-Spur-Aufnahme begeistern würde, hätte ich nie gedacht – wenn jeder Solist sein eigenes Mikrofon hat, werden Details hörbar, die mit One-Point-Recording einfach auf der Strecke bleiben. Diese Aufnahme enthält eine derartige Überfülle an Informationen, dass sie für mich mittlerweile zum „Heiligen Gral“ der Aufnahmetechnik geworden ist – ein Lautsprecher, der hier wirklich befriedigt, darf immer als etwas Besonderes gelten. Die 3020 ist jedenfalls hörbar in ihrem Element. Ich habe diese Musik schon spektakulärer gehört, mit noch strahlenderen Bläsern und kräftigerem Bass, aber noch nie detailreicher und stimmiger. Der Aufnahmeingenieur hätte vermutlich seine Freude an den kleinen Briten.
Die Grenzen kleiner Lautsprecher kann man mit Andreas Scholl Goes Pop (Sony Classical) schnell überschreiten: zwei Countertenöre, Andreas Scholl und Orlando alias Roland Kunz, plus die Nürnberger Symphoniker unter Rick Stengårds plus die Band Orlando & Die Unerlösten. Klingt schon ziemlich bombastisch und ist es auch. Die Arrangements sind unter anderem vom fabelhaften Dieter Reith, zudem haben Die Unerlösten eine indische Trommel im Programm, die richtig tief (!) ist … Hört man diese Aufnahme über Lautsprecher mit eingeschränktem Tieftonvermögen, ist viel schneller als sonst zu merken, das hier etwas Wesentliches fehlt. Die Aufnahme selbst ist über jeden Zweifel erhaben, die Musik wiederum ist interessant und ungewöhnlich, ohne esoterisch zu wirken. Auch hier hinterlässt die 3020 sofort wieder den Eindruck von Weiträumigkeit! Das Tieftonfundament der Aufnahme ist so gewaltig, dass mein Wohnzimmer allmählich an seine Grenzen kommt – die Lautsprecher hingegen zeigen keinerlei Stress. Na gut, wir sprechen hier über 22 m² Raumgröße, nicht über eine Mehrzweckhalle, aber immerhin …
Mein Fazit: So viel Neutralität und Detailreichtum hat es zu diesem Preis bisher noch nicht gegeben; dieser Superlativ muss schon sein. Die Q Acoustics 3020 werde ich daher auch nicht zurückgeben, sondern kaufen!
Q Acoustic 3020
Funktionsprinzip: Zweiwege-Kompaktlautsprecher, Bassreflex
Empfindlichkeit: 88 dB/W/m
Nennimpedanz: 6 Ω, min. 4 Ω
Bestückung: 125-mm-Tiefmitteltöner, 21-mm-Kalottenhochtöner
Übergangsfrequenz: 2,9 kHz
Besonderheiten: Hochtöner vom Gehäuse entkoppelt, Frontbespannung magnetisch fixiert, eingelassene Gewindebuchsen für Spikes, optionale Stativbefestigung oder Wandhalterung
Ausführung: Folie Graphit matt oder Walnuss, gegen Aufpreis Hochglanzlack schwarz oder weiß, „Lederlook“ schwarz
Maße (B/H/T): 17/23/26 cm
Gewicht: 4,6 kg
Garantiezeit: 5 Jahre
Paarpreis: ab 320 €
IDC Klaassen oHG
Am Brambusch 22
44536 Lünen
Telefon 0231 9860285
Mitspieler:
CD-Player: Rega Apollo-R
Plattenspieler: Thorens TD 160 MkII
Tonabnehmer: Shure V15 Type III, Elac EMM 190 HB 33
UKW-Tuner: Harman/Kardon TU610
Vollverstärker: Mission Cyrus III mit PSX-R
Lautsprecher: Pioneer S-A4SPT-PT, Jamo S 602, Avantone MixCube B-Monitor, Monacor SP-205/8 in offener Schallwand
Kabel: Inakustik Monitor Power Cable Studio Line, Neutrik Profi-Cinchkabel
Zubehör: Stein Music DE2 CD Conditioner, SP ENACOM Audio Noise Eliminators, LencoClean