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Pro-Ject RPM 5 Carbon

Test Pro-Ject RPM 5 Carbon Plattenspieler

Pro-Ject RPM 5 Carbon – Ich rufe dich, Galaktika

Zurück zum Vinyl! Mit dem RPM 5 Carbon ermuntert Pro-Ject nicht nur zum Auf- oder Wiedereinstieg in die Welt der Schallplatte – dieser Spieler kann möglicherweise sogar Außerirdische anlocken.

Zu Zeiten des klassischen Dual-Plattenspielers, also vor einer langen, langen Weile, hat man sich die Ankunft der Außerirdischen ziemlich genau so vorgestellt: Sie reisen in einem Körper aus Milchglas, der sich in kaum merklicher, majestätischer Drehung befindet, im Inneren in ein geisterhaftes farbiges Lichte getaucht. In der Kinderserie Hallo Spencer wurde dieser kollektiven Fantasie mit der Figur der Galaktika Ausdruck verliehen – eine Space-Bewohnerin, die sich nach dem Absingen eines Anrufungsliedes zu den Erdenbewohnern herabsenkte, um gute Ratschläge in aussichtslosen Problemlagen zu erteilen.

Seitdem ist viel passiert. Zu einer UFO-Landung mag es zwar nicht gekommen sein, gleichwohl ereignete sich aber die Ankunft von kleinen silbernen Scheiben, genannt Compact Disc, welche die Geschicke auf Planet Audio ein paar Dekaden prägen sollten. Es ist – nebst anderen – der österreichischen Firma Pro-Ject zu verdanken, dass sich eine alte Handwerkskunst, die sich um das Abtasten von in Vinyl gepressten Rillen dreht, trotzdem bis heute erhalten hat – und zwar dergestalt, dass das Musikhören von Schallplatten eine mitunter erstaunliche Renaissance erleben darf. Denn nach und nach zogen sich Dual und die anderen dem Volumengeschäft verpflichteten Hersteller aus dem Plattenspielermarkt zurück, als sich die Konsumenten der CD zuwandten und massenhaft Laserabtasttechnologie ins Wohnzimmer klotzten. Vinyl wurde zu einem exklusiven Hobby der Nerds, die sich bereitfanden, auch mal mehrere Zehntausend Mark respektive Euro in Drehteller zu stecken.

Pro-Ject RPM 5 Carbon

Der Rest ist zumindest Firmengeschichte: Von der Wiener Pro-Ject-Zentrale ist es nicht weit zu den Fertigungsstätten in der Slowakei und in Tschechien, und so schuf man 1991 mit dem Pro-Ject 1 ein preisgünstiges Gerät für diejenigen, die sich von ihrer Schallplattensammlung auch in den hereinbrechenden modernen Zeiten nicht trennen wollten. Die inzwischen zum audiophilen Vollsortiment ausgebaute Produktpalette findet nun mit dem Pro-Ject RPM 5 Carbon eine Fortentwicklung. Er folgt auf den RMP 5.1 und übernimmt einige Features vom großen Bruder RPM 9 Carbon. So bietet er hochklassige Ausstattung zu einem Preis, der knapp über der Tausend-Euro-Grenze liegt und ordentlich Lust auf den Einstieg ins Vinyl macht – oder auch auf die Rückkehr dorthin.

Doch der Reihe nach. Die Ankunft des Geräts in schlichter weißer Kartonage lässt zunächst nichts besonders Außerirdisches erahnen. Dann heißt es kurz Hand anlegen: Der Aufbau dieses Plattenspielers gelingt schneller als die Inbetriebnahme eines frisch ausgepackten iPhones (und ist glücklicherweise auch nur halb so fummelig). Die drei Füße sind schnell mit dem Chassis verschraubt und sorgen für einen sicheren Stand. Das in der Testvariante rote Chassis ist, da es Plattenteller und Tonarm beherbergt, tropfenförmig – daher lässt sich der Plattenspieler auch auf eher begrenztem Raum unterbringen. Die Optik kann man nur spektakulär nennen: Der Pro-Ject mutet ebenso schlicht wie futuristisch an, ist auf das absolut Essenzielle reduziert, gleichwohl edel verarbeitet. Dass das MDF-Board obendrauf eine Carbonschicht besitzt, unterstreicht diesen Eindruck zusätzlich. Gleichzeitig soll die Konstruktion mit diesem Werkstoff dafür sorgen, dass das Chassis besonders steif und damit resonanzärmer ist.

Pro-Ject RPM 5 Carbon
Ähnliches gilt auch für den Plattenteller: Er ist aus transparentem Acryl gefertigt und liegt schwer in den Händen. Aufgesteckt wird er auf eine Lagerachse, die in einem Inverslager mit Keramikkugel rotiert. Eine Libelle zur Justage einer selbstverständlich streng waagerechten Aufstellung liegt dankenswerterweise bei, dies erspart das Herunterladen einer Wasserwaagen-App fürs Mobiltelefon – schließlich montieren wir hier einen Plattenspieler und lassen uns gern ein klein wenig in alte Zeiten zurückversetzen!

Beim RPM 5 Carbon handelt es sich um ein manuelles Laufwerk, das – eine der Anleihen vom RPM 9 Carbon – von einem nebenstehenden Motor per Riemen angetrieben wird. Auf diese Weise ist der Antrieb weitgehend entkoppelt, das Übertragen von Motorvibrationen praktisch ausgeschlossen. Die Dose des 15-Volt-Wechselspannungsmotors ist in Laufwerksfarbe lackiert und steht auf einer massiven, rutschfesten Metallbasis. Mit der beiliegenden Distanzlehre ist die korrekte Aufstellposition schnell ermittelt, jetzt nur noch rasch den Riemen um Plattenteller und das zwecks Auswahl der Tellerdrehgeschwindigkeit zweistufige Pulley gelegt, und der fröhliche Bastelnachmittag kann in die zweite Runde gehen.

Geliefert wurde das Testgerät mit bereits montiertem Tonarm nebst MC-Tonabnehmer Quintet Red von Ortofon. Beim Tonarm handelt es sich um das 9-Zoll-Evolution-Modell, dessen gerades Armrohr und Headshell aus einem Stück Carbonfaser gefertigt sind (das kleinere Modell 9cc ist übrigens gut genug, um auf dem Basismodell des Linn LP12 eingesetzt zu werden, aber das nur nebenbei). Das kardanische Armlager bietet Einstellmöglichkeiten für VTA und Azimut, die Auflagekraft wird am Gegengewicht mit verstellbarem Skalenring angepasst, Antiskating erfolgt über ein Fadengewicht. Da selbst das Antiskatinggewicht zu störenden Resonanzen durchaus fähig ist, erhält es eine Bedämpfung durch TPE, einen Werkstoff aus dem Bereich der thermoplastischen Elastomere. Älteren Herrschaften sei hier nicht etwa die Anrufung der Galaktika aus Hallo Spencer, sondern stattdessen die Anschaffung einer leistungsfähigen Lesebrille empfohlen: Der Faden ist nahezu unsichtbar und erfordert ein perfektes Miteinander von Hornhaut, Pupille und Linse sowie einer sprichwörtlich ruhigen Hand. Das Einstecken der Kabel in die Cinchbuchsen und das Verschrauben des Erdungskabels ist dagegen willkommene Routine.

Gaudeamus igitur: Nun aber ist er gelandet, der Pro-Ject RPM 5 Carbon. Neben einer physikalischen Dimension hat das Schallplattenhören ja noch zwei weitere: einerseits die klangliche, andererseits aber auch die kulturelle, wenn nicht gar quasi-religiöse. Es ist nun mal ein himmelweiter Unterschied, ob man einen kurzen Auszug aus „Shine On You Crazy Diamond“ über die NAS abgespielt und sich schon bald die Ungeduld nach einem anderen Audio-File breit macht, oder ob man sich doch durch die kompletten fünf „Parts“ der ersten Schallplattenseite hört, weil es schließlich gerade so gemütlich ist und man sonst umständlich einen physikalischen Tonträger wechseln müsste – mit all den Beschwerlichkeiten, die das mit sich bringt. Tatsächlich verschiebt der Pro-Ject RPM 5 Carbon das Ritual vom Kulturellen ins Quasi-Religiöse: Der Motor vermeldet seinen Betrieb nämlich mit einer blauen Kontrollleuchte, die zum einen den Acryplattenteller von innen erstrahlen lässt, zum anderen aber einen spektakulären Lichtkegel nach oben an die Decke wirft. Das hat schon etwas Erhabenes, Außerweltliches – als wäre tatsächlich ein UFO im heimischen Hörzimmer gelandet.

Widmen wir uns also der vornehmsten Tätigkeit eines Vinyl-Junkies und senken die Nadel in die Rille. Es mag ideologisch schwer vermintes Terrain sein, das ohne eine Armada von Messlaborequipment und absolut wasserdichte Argumente besser nicht betreten werden sollte – die olle Gretchenfrage danach, was wohl am besten klinge: „Der Kuckuck und der Esel“ auf Vinyl oder Compact Disc? Ein streng unseriöser, subjektiver Eindruck soll aber geschildert werden. Lassen wir den analog-digitalen Sängerwettstreit von Keith Richards austragen, dessen aktuelles Solowerk Crosseyed Heart fast ausschließlich aus Overdubs besteht und unter Zuhilfenahme von allerlei aktueller Studiotechnik produziert wurde. Und siehe da: Die Höhenwiedergabe der Schallplatte ist deutlich weniger gleißend, die Bässe kommen stabiler und mit mehr Kontur – das Klangbild wirkt insgesamt homogener, ausgewogener. Da ist also etwas dran: Es gibt sie, die oft beschworene, zum Klischee gewordene analoge Wärme.

Pro-Ject RPM 5 Carbon

Aber lassen wir den ideologischen Grabenkampf. Kramen wir stattdessen nach alten Schätzchen. Hier zum Beispiel: Get Yer Ya Ya’s Out, das an zwei Abenden im Jahr 1969 aufgenommene Live-Album der Rolling Stones. Ein schönes Beispiel dafür, dass auch im Analogzeitalter nicht alles ganz so urtümlich war, schließlich sind nur die Basis-Spuren wirklich live, den Rest hat Herr Jagger später lieber noch einmal im Studio drübergesungen. Dennoch: Der Ampeg-SVT-Bassverstärker von Billy Wyman – ein Prototyp mit monströsen 300 (!) Watt – feuert auch aus der sicheren Entfernung von mehr als vier Jahrzehnten ehrfurchtgebietende Salven in die bescheidene Mietwohnung.

Wenden wir uns nun feiner ziselierten Dingen zu. Etwa dem Besenspiel von Shelly Manne in dem titelgebenden Stück von Tomorrow Is The Question von und mit Ornette Coleman. Beeindruckend geräuschlos senkt sich der Diamant auf die mittels Schraubklemme fixierte Platte. Man hört förmlich die einzelnen Drähte des mit der rechten Hand gespielten Besens, wenn diese akzentuiert ins Schlagfell gepresst werden. Erstaunlich, welche Obertöne die Toms über das feine Pro-Ject-Paket liefern!

Pro-Ject RPM 5 Carbon
Ob Blues, Jazz oder Klassik: Es hat unbestrittenen Vorzüge, Musik, die weiland produziert wurde, um auf Vinyl gepresst zu werden, auch auf Vinyl zu hören. So kommt man dem angestrebten Klangideal der jeweiligen Zeit deutlich besser auf die Spur, als wenn man diese Musik nach einer digitalen Bearbeitung hört. Der Pro-Ject RPM 5 Carbon macht es denkbar leicht, sich die Welt der schwarzen Scheiben zu erschließen: Er stellt nur moderate Anforderungen an den Geldbeutel und ist auch sonst gutmütig und genügsam: Im Test mochten ihn selbst Tanzbewegungen auf dem Dielenboden nicht aus der Laufruhe bringen. Zuverlässig und resonanzresistent spielt er jederzeit gleichermaßen präzise wie lebendig. Klangimpulse zeichnet er schnell und direkt, das Klangbild ist voll und rund – dieser Pro-Ject beweist echte audiophile Klasse, die für manche angesichts des hochattraktiven Paketpreises nicht einmal von diesem Stern zu sein scheint. Und wer weiß: Vielleicht lockt er sie mit seinem himmelwärts gerichteten blauen Lichtdom ja an, die Außerirdischen mit ihren fliegenden Untertassen …

Pro-Ject RPM 5 Carbon Navigator

Plattenspieler
Pro-Ject RPM 5 Carbon

Funktionsprinzip: riemengetriebener Plattenspieler
Geschwindigkeiten: 33, 45 U/min
Besonderheiten: Chassis mit Carbonbeschichtung, freistehender Motor, manueller Geschwindigkeitswechsel
Ausführungen: Schwarz, Rot, Weiß
Maße Laufwerk (B/H/T): 43/15/33 cm
Gewicht: 8 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis Laufwerk mit Tonarm (ohne Tonabnehmer): 1199 €
Preis mit Ortofon Quintet Red: 1299 €

ATR – Audio Trade Hi-Fi Vertriebsgesellschaft mbH
Schenkendorfstraße 29
45472 Mülheim an der Ruhr
Telefon 0208 882660

 

www.audiotra.de

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