Parasound Halo Hint6 – Sound by the Bay
Eine Geschichte von Jugenderinnerungen und aktuellen Nöten, eine Tragödie in mehreren Teilen um den Vollverstärker Parasound Halo Hint6.
Fotografie: Ingo Schulz
Vorspiel
Parasound – dieser Name ist für mich untrennbar mit der City by the Bay verbunden, mit dem goldenen San Francisco. Und zwar nicht, weil diese Geräte eben da gebaut werden – das weiß ich erst seit wenigen Wochen. Nein, die Geschichte ist älter und beginnt in meiner frühen Teenagerzeit. Eine Zeit, In der ich schon in einigen Jugendorchestern spielte, mir die Finger wund übte, die ersten Lautsprecher baute und mir an den Fenstern der lokalen HiFi-Geschäfte die Nase platt drückte. In den Ferien ging es immer wieder zur Verwandtschaft, was im einen Fall (Emsland) nur bedingt spannend, im anderen (San Francisco) allerdings grandios war. Mein Onkel in Amerika hörte auch gerne Musik, wusste um meine Leidenschaft, und so präsentierte er mir bei einem meiner Besuche seine neue Anlage, die aus meinen damaligen Traumlautsprechern, einem Paar garstiger Infinity Kappa 9a, und zwei mir gänzlich unbekannter Endstufen bestand. Der Klang dieser Kombi machte mich binnen weniger Sekunden süchtig.
Als ich später in einem HiFi-Laden neben der Schule jobbte, gelang es mir nie, die dort stehenden Kappas auch nur halbwegs ähnlich auf die Spur zu bringen, obwohl ich an Verstärkern alles ausprobierte, was damals Rang und Namen hatte. Die Verstärker meines Onkels stammten, Sie ahnen es, aus der Schmiede von Richard Schramm und hörten auf den Namen Parasound – damals schon wie heute in Gehäusen, denen man bestenfalls Understatement attestieren kann, stecken sie doch seit jeher unter der Haube voller bester Bauteile und raffinierter, aber unbedingt zuverlässiger Schaltungen. Schramm, der seine audiophilen Wurzeln im Einzelhandel hat, legte bei seinen Kreationen außer auf besten Klang immer Wert auf höchste Zuverlässigkeit, da er keine enttäuschten Kunden mehr mit zu reklamierenden Geräten sehen wollte. Und so durchlaufen – das nur nebenbei – alle Parasound-Geräte vor der Serienreife mehrere Testläufe, bei denen sich viele ihrer Kollegen mit einem leichten Rauchwölkchen mehr oder weniger sanft verabschieden würden.
Zurück zur Geschichte. Diesen einen Klang, der die Kappas abheben ließ, konnte ich hier nicht nachbauen und freute mich daher auf jeden Flug nach Kalifornien, wo ich meine nächste Dosis bekommen sollte. So ganz konnte ich damals nicht erfassen, was daran denn so gut war, ich konnte mein frisch erworbenes HiFi-Vokabular nicht so recht darauf anwenden, merkte aber, dass irgendwas einfach goldrichtig lief. Leider hatten wir nichts von Parasound im Laden, und überhaupt führte diese Marke ja über lange Zeit bei uns ein trauriges Nischendasein.
Der Tragödie erster Teil
Die Redaktion fragt an, über was ich denn mal gerne berichten möchte. Ich suche das Internet nach Neuheiten ab und finde: Parasound. Ganz frisch bei einem Vertrieb, zu dem es auf den ersten Blick so gar nicht passen will. Input Audio steht für mich mit Harbeth und Croft zu tief in der britischen Schublade. Aber warum nicht. Alte Erinnerungen werden wach, die Neugierde sowieso. Ich melde das in Ismaning, wo man mir mitteilt, dass man mich sowieso schon für einen Verstärker dieses Herstellers eingeplant hätte. Es soll also so sein.
Weniger Tage später kommt das Paket bei mir an, ich packe es erwartungsvoll aus und sehe, dass sich äußerlich nicht so viel geändert hat. Das war ja schon früher so, der Klang aber konnte damals begeistern. Na gut, mittlerweile habe ich viel gehört, besitze Lautsprecher, die deutlich präziser arbeiten als eine alte Kappa 9a, und gehe daher mit eher nostalgischen Gefühlen an diesen Bericht und das erste Hören. Viele Helden von früher enttäuschen heute, und diesen Effekt befürchte ich auch hier. Also ersetzt der Parasound Halo Hint6 für einen ersten Eindruck meine Verstärker im Studio, spielt über Vovox-Kabel zwischen dem Merging-Wandler und Sky-Audio-Lautsprechern. Die erste Musik startet und … Mist. Schnell ist klar, dass ich jetzt ein Problem habe, denn dieser Parasound, frisch und kalt aus dem Karton, verweist meine Verstärker aus dem Stand auf die hinteren Plätze. Und zwar so gründlich, dass es nicht nötig ist, noch etwaigen klangfarblichen Details nachzuspüren. In diesem Fall haben zwei Sekunden vollauf genügt.
Der Parasound Halo Hint6 und die Bratsche
Da dieser Eindruck so stark ist, lässt er sich auch leicht beschreiben. Ich höre eine Sonate für Bratsche solo mit Basso continuo von Felice Giardini. Der Raum, in dem die drei Musiker stehen oder sitzen, ist mit einem Mal sehr klar umgrenzt. Man hört die tatsächliche Größe dieser kleinen Kirche, kann den Klang der Instrumente leicht von den Erstreflexionen der Wände unterscheiden. In diesem Raum sind auch die Musiker besser positioniert. Bratsche rechts, Cello links, der Hammerflügel dazwischen und eindeutig ein bis zwei Meter weiter hinten. Das allerdings nicht mit dieser seltsam körperlosen highendigen Räumlichkeit bis zur Brandmauer, sondern ganz natürlich und greifbar: Ein schweres Instrument mit einem üppig dimensionierten Korpus, das einfach etwas weiter hinten steht. Punkt.
Bei den Klangfarben zahlt es sich aus, dass Parasound schon immer Fleisch auf den Knochen einer blutarmen Seziererei vorzieht. Dass die Bratsche in höheren Lagen mitunter etwas heiser klingt (die Warmluftheizung der Kirche hat dem Instrument einiges seiner Geschmeidigkeit genommen), verheimlicht auch der Parasound nicht, allerdings zeigt er mit Nachdruck, dass der Korpus des Instruments durchaus noch vorhanden ist. Neben den strengeren Geräuschen der Saiten werden mit sehr geschmackvollem und feinem Pinsel die hölzernen Noten des Klanges nachgezeichnet. Schalte ich auf meine beileibe nicht schlechten Endstufen zurück, wird es richtig bitter. Ich bekomme nicht mehr Information, dafür ist der Spaß an der Sache dahin. Und die Bratsche? Die klingt nicht mehr nach Holz, sondern nach Plastik.
Womit erkauft man sich diese klangliche Schönheit? Mit meinen anderen Endstufen kann ich am Anfang noch kleinste Eingriffe des Equalizers besser identifizieren, eine Kompression gerade im Grundtonbereich leichter justieren. Nach einigen Tagen Studioarbeit habe ich mich allerdings so weit eingehört, dass es mit dem Parasound fast genauso leicht geht. Fast.
Es verhält sich mit ihm in diesem Punkt vielleicht wie mit BBC-Lautsprechern. Eigentlich klingen sie zu rund, schön, warm, um Klänge damit professionell beurteilen zu können. Seltsamerweise geht es aber doch, weil man alle relevanten (!) Informationen auf einem Silbertablett serviert bekommt. Das Mehr an Details anderer Geräte erkauft man sich oft mit einem höheren Stresslevel beim Hören, was dann wieder für eine schlechtere Rezeption sorgt und den Nutzen von mehr Details praktisch umkehrt.
Der Tragödie zweiter Teil
Nach der Ungemach, die der Parasound Halo Hint6 im Studio anstiftete, zieht er ins Wohnzimmer um, wo er mit Mark Levinsons No. 390s und kleinen 3/5-Boxen von Spendor zusammenarbeiten muss. Um es kurz und schmerzlos zu machen: Das Erlebnis aus dem Studio wiederholt sich auch hier. Die kleinen Spendors blühen unter seiner straffen Führung förmlich auf. Der Parasound Halo Hint6 ist wieder einmal einer der Verstärker, bei denen man nicht an die bescheidenen Ausmaße der 3/5 glauben will und unwillkürlich den Subwoofer sucht. Die Verstärker, die mir ähnlich in Erinnerung geblieben sind, stammen von Pass, McIntosh, Gryphon und ähnlichen Firmen. Wenn man sich jetzt das Preisgefüge dieser Runde vergegenwärtigt, ist eigentlich alles gesagt.
Auch in dieser Kombination begeistert mich die überaus präzise und glaubhafte Raumdarstellung. Es wird sicher Audiophile geben, denen es nicht weit und tief genug ist. Meinen Geschmack bedient der Hint6 allerdings mit seiner unprätenziösen und glaubhaft lebensechten Darstellung allerdings auf den Punkt. Und wenn ein anderes Gerät noch ein paar kleinste Details mehr aus der Konserve pult? Geschenkt! Hier stimmen Fluss, Raum und Klang auf so natürliche Weise, dass ich Musik höre und nicht nach Stuhlknarzen forsche. Obwohl man das auch heraushören kann – wenn man denn möchte.
Spät nachts höre ich über Qobuz und Laptop die HiRes-Version von Wagners Tristan und Isolde mit Christian Thielemann und der Wiener Staatsoper (DGG). Diese Aufnahme ist der Gegenentwurf zu den alten, vollständig auf die Sänger fokussierten Produktionen: Zwar sind die Sänger prominent besetzt und gut zu hören, das Drama wird allerdings ständig im Graben vorangetrieben. Hier wird nicht nur brav begleitet, sondern kommentiert, widersprochen, tatkräftig unterstützt. Dank dieser Vielschichtigkeit stellt die Einspielung eine rechte Nagelprobe für alle Anlagen dar, wenn es darum geht, besonders leise schon alles darzustellen. Meist fallen dann ein paar Ebenen weg, die lauteste Stimme gewinnt. Bei stimmigen und wirklich kompetenten Anlagen kann die Reise losgehen. Denn bei so geringen Pegeln wird das Ohr nicht müde, im Gegenteil. Die Aufmerksamkeit steigt mit jedem Ton, und man saugt sich gleichsam in die Aufnahme hinein. Das Hören ist auf diese Art meist viel intensiver als bei üblichen Pegeln.
Um das Elend komplett zu machen, betritt die Dame des Hauses die Szene, hört kurz zu und kommentiert knapp und endgültig: „Klingt wie im Konzert, der kann bleiben!“ Was soll ich sagen – stimmt. Womit ganz nebenbei klar ist, dass auch der integrierte Wandler nichts anbrennen lässt.
Epilog
Ältere Kollegen berichten gern von den goldenen Zeiten, als Geräte einfach bei den Autoren „stehen blieben“. Dass es heute nicht mehr so ist, stellt einerseits eine nötige Hygiene für die Presselandschaft dar. In genau diesem speziellen Fall könnte ich aber von meinen Grundsätzen abweichen und mir so ein Gerät herbeiwünschen. Denn das aktuelle Budget ist mit diversen Mikrofonen schon mehr als ausgeschöpft, jetzt muss damit erst einmal Geld verdient werden. So folgt der traurige Abgesang dieses Artikels: Der Parasound Halo Hint6 wird wieder eingepackt und verschickt. Etwas Gutes bleibt jedoch: Die Erinnerung ist wieder aufgefrischt. Und wenn ich gespart habe, weiß ich jetzt ja, wo ich den Sound by the Bay bekommen kann.
Wir meinen
Einen für diesen Preis so vollständig und richtig spielenden Verstärker muss man mit der sprichwörtlichen Lupe suchen.
Technische Info
Konzept: Vollverstärker mit USB-DAC
Funktionsprinzip: Vollverstärker mit integriertem USB-DAC
Besonderheiten: verarbeitet Digitaldaten bis 384 kHz/32 bit (USB) oder 192 kHz/24 bit (Coax, Opt); Fernbedienung im Lieferumfang
Eingänge: 5 analoge Eingänge (einer wahlweise per XLR), Phono (MM und MC umschaltbar), USB, 3 Digitalzugänge (1 x Coax, 2 x optisch)
Ausgänge: Vorverstärkerausgang (Cinch oder XLR), 2 x regelbarer Subwooferausgang (Cinch/XLR), Festpegelausgang (Cinch)
Ausgangsleistung (8/4 Ω): 2 x 180/270 W
Bandbreite: 10 Hz bis 100 kHz (+0/−3 dB), 20 Hz bis 20 kHz (+0/−0,5 dB)
Dämpfungsfaktor: > 800 bei 20 Hz
Maße (B/H/T): 44/42/15 cm
Gewicht: 15 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: 3485 €
Kontakt
input audio HiFi-Vertrieb, Bernd Hömke
Ofeld 15
24214 Gettorf
Telefon +49 4346 600601