Test: Optoma NuForce HEM8 High Resolution In-Ear-Kopfhörer
Hohlraumversiegelung
Die sonst üblichen Klangemissionen aus meinem Refugium tendieren seit Tagen gegen null. Mitbewohner klopfen gelegentlich, um zu prüfen, ob ich noch am Leben bin. Mein wunderliches Verhalten steht in direktem Zusammenhang mit dem Eintreffen eines hochinteressanten Paares kleiner Ohrstöpsel, die mich seit einiger Zeit auf Schritt und Tritt begleiten.
Sechshundert Euro für den Optoma HEM8 sind ein stolzer Preis, doch in Anbetracht der Preise für In-Ear-Monitore mit professionellem Anspruch scheinen sie gerechtfertigt. Dafür kann man auch das Zwei- bis Dreifache hinlegen und hat noch Luft nach oben. Auf diesem Niveau darf – dem stationären High-End nicht unähnlich – ein gewisses Maß an Verarbeitungsqualität und klanglicher Präzision erwartet werden.
Die transparente Transportbox des Optoma HEM8 ist stabil genug für den Einsatz bei Outdoor-Aktivitäten, obwohl das Case eigentlich nur als „Verpackung“ für das umfangreiche Zubehör dient. Optomas Topmodelle sind nicht direkt für schweißtreibende Outdoor-Aktivitäten ausgelegt und werden sicher meist pfleglich und überwiegend stationär behandelt.
Sehr sinnvoll sind dagegen Ohrstöpsel in fünf verschiedenen Größen. So findet jeder Gehörgang den passenden Adapter. Wer sich komplett von der Umwelt ausklinken möchte, dem seien die weichen Comply-Foam-Pads sanft ins Ohr gedrückt: exzellenter Tragekomfort trifft komplette Abschottung von Umgebungsgeräuschen. Man könnte mit grobem Gerät einen Fußboden schleifen und dazu Bachs Wiegenlied hören, ohne pegelmäßig übertreiben zu müssen.
Nicht nur was die Anpassung ans Ohr angeht, zeigt sich Optoma von der großzügigen Seite. Auch sonst ist die Transportbox erfreulich durchdacht bestückt. Darin finden sich eine kleine Tragetasche für den Alltag und zwei Sätze Kabel: eines für den „alltäglichen“ Einsatz, glatt, mit Fernbedienung und Mikro, eines für den „professionellen“ Einsatz mit geflochtenem Kabel und ohne Smartphonesteuerung. Letzteres ist für mich das einzig Wahre! Nicht wegen der exotischen Optik, sondern da es kein Schubbern und Schaben an der Kleidung – sogenannten Körperschall – überträgt. Ein 6,3-mm-Klinkenadapter für die Stereoanlage und eine kleine Reinigungsbürste machen das Paket komplett.
Doch bevor der HEM8 mir was auf die Ohren gibt, erfordert er ein wenig Zuwendung. Zunächst gilt es, das zum Verwendungszweck passende Kabel zu wählen und mit Bedacht an die Gehäuse zu stöpseln. Die winzigen Pins der Steckverbindung wirken zwar robust, aber ein wenig Feingefühl kommt der Langzeitstabilität sicher zugute. Der nächste Schritt betrifft die in der Überschrift erwähnte „Hohlraumversiegelung“: Je nach gewähltem Ohrstöpsel werden die Umgebungsgeräusche mehr oder weniger stark ausgeblendet. Bei mir saß Größe M der Silikonstopfen fest genug, dass auch leichter Sport problemlos machbar war. Vorteil der Silikonstöpsel ist, dass man gedämpft noch mitbekommt, was um einen herum passiert. Die richtige Wahl, sollte noch soziale Interaktion mit realen Menschen geplant sein. Wer sich hingegen komplett in anderen Sphären schießen will, der nimmt die Schaumstoffpads und sagt dem Lärm der Umwelt ade. Etwas ungewohnt war die Kabelführung des HEM8 nach hinten über die Ohren zwar, doch verbessert sie einerseits den Tragekomfort und sorgt durch Zugentlastung zusätzlich für festen Halt des Hörers im Ohr.
Mit einer Impedanz von 32 Ohm sollte der HEM8 auch am Smartphone überzeugend funktionieren. Daher erfolgt der erste „Funktionstest“ an meinem Sony Xperia mit wechselnden Genres und bei unterschiedlicher Qualität der Konserven. Hier zeigt der HEM8 das erste Mal seine Fähigkeit, jede Nuance einer Aufnahme wie durch eine Lupe abzubilden. Im Vergleich zu meinen eigenen Sportkopfhörern agiert der HEM8 deutlich schlanker, agiler und präziser. Fragwürdige MP3-Files werden damit ganz sicher nicht zum Hochgenuss, zeigt die Wiedergabe über Hörer vom Kaliber des Optoma doch gnadenlos die Schwächen stark komprimierten Materials. Da sind sie, die erwähnten Monitoring-Qualitäten! Hier wird aus grenzwertigem Material kein audiophiles Gold gesponnen, sondern die im Medium enthaltenen Informationen eins zu eins ans Ohr geliefert! Es wird eindeutig Zeit, die eigene Playlist nach qualitativen Aspekten zu entrümpeln.
Was den zur Schallwandlung getriebenen Aufwand angeht, könnte man mit etwas Phantasie von stark geschrumpften Standboxen sprechen. Pro Kanal kommen vier Treiber samt Frequenzweiche zum Einsatz, was das Fassungsvermögen einer normalen Ohrmuschel bei Verwendung dynamischer Treiber übersteigen dürfte. In hochwertigen In-Ears finden sich daher oft BA-Treiber. Ursprünglich kamen Balanced-Armature-Treiber in der Hörgerätetechnik zum Einsatz, bevor sie von In-Ear-Produzenten adaptiert wurden. Grob umrissen wird bei einem BA-Treiber das ankommende Signal durch eine Spule geleitet, die einen Anker umschlingt. Ein Ende der Ankerplatte ruht ausgeglichen in einem Magnetfeld und ist über einen Antriebsstift mit einem kleinen Plättchen verbunden. Das Signal induziert einen magnetischen Fluss, der bewirkt, dass sich das Ende des Ankers im Magnetfeld auf und ab bewegt. Diese Kraft wird mittels des Ankerstifts auf das Plättchen übertragen, welches durch Schwingung die im Gehäuse eingeschlossene Luft bewegt. Treiber mit „ausgeglichenen Armaturen“ gelten als hocheffizient, klein, leicht und ultrapräzise. Zumindest in einem gewissen Frequenzbereich sollen sie somit dynamischen Treibern überlegen sein. Damit das volle Frequenzband übertragen werden kann, setzt man für In-Ear-Monitore oft mehrere, auf den jeweiligen Frequenzbereich optimierten BAT pro Kanal ein.
Im Fall des HEM 8 handelt es sich um ein Dreiwegesystem mit doppelter Bassbestückung, das schon am Ausgang meines Smartphones eine respektable Vorstellung zeigt. Deutlich besser funktioniert der Achtender von Optoma aber am Ausgang meines M-DAC Mini, während die Musik von CD oder aus dem heimischen Netzwerk kommt. Dank stabiler und potenter Kopfhörerausgangsstufe und der Fähigkeit, auch hochauflösende Datensätze zu dekodieren, beweist der HEM8 im Zusammenspiel ernsthafte Profi-Qualität hinsichtlich Klangfülle und Timing. Man bekommt Details auf dem Silbertablett serviert, die in den meisten Fällen per Lautsprecher nur zu erahnen wären. Je höher die Qualität des gelieferten Materials, desto beeindruckender spielt der HEM8 auf. Eine Aufnahme von Berlioz‘ Symphonie fantastique mit dem London Symphony Orchestra als FLAC-Konserve beispielsweise wird mühelos in das Vakuum zwischen den Ohren projiziert und beeindruckt mit Strahlkraft, Attacke und dem nötigen Fundament. Die Bühnenabbildung gelingt dabei weit aufgefächert und klar nachvollziehbar, das Bühnenpanorama scheint sich stärker im vorderen Teil des halsabschließenden Hohlraums abzubilden, als dies mit anderen getesteten K(n)opfhörern bislang der Fall war. Wer möchte, kann durch konzentriertes Lauschen die Musik in mikroskopische Kleinteile zerlegen und sich dabei an immer neuen Details ergötzen. Oder man ergibt sich der kontemplativen Seite des HEM8 und wird von den Tönen vollständig assimiliert, während die Existenz einer Welt außerhalb des eigenen Kopfes immer mehr entschwindet. Bis zum nächsten Klopfen an der Tür zumindest.
In-Ear-Kopfhörer Optoma NuForce HEM 8
Funktionsprinzip: 3-Wege-BAT
Gehäuse: geschlossene Bauform
Frequenzgang: 10–40.000 Hz
Impedanz: 32 Ohm
Gewicht: ca. 17 g (inkl. geflochtenem Kabel)
Ausstattung: 2 Paare Kabel (1x glatt inkl. Mikrofon, 1x geflochten), 5 Paare Silikon-Ohrpolster(XS, S, M, L, XL), 2 Paare Comply-Foam-Ohrpolster (M, L), Reinigungswerkzeug, Transporttasche, Kabelclip, wasserfeste Displaybox, 6,3mm Klinken-Adapter
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: 599 Euro
Optoma Deutschland GmbH
Wiesenstraße 21
40459 Düsseldorf
Telefon 0211 50 66 67