Magico M3 – Drei Farben Schwarz
Es war schon immer etwas teurer, einen verdammt guten Geschmack zu haben.
Zum Einstieg will ich den BMW-Stammtisch aufmischen. Ich rufe also kurz in die Runde: „Jungs, ich fahre einen M3 – und zwar einen, der auf dem M-Pro basiert!“ Höchste Aufmerksamkeit, geweitete Pupillen. Jeder Hobby-Racer will mehr über den sportlichsten BMW mit Straßenzulassung, den M3, erfahren. Und hey, hier scheint es sich um ein besonders scharfes Gerät zu handeln: M-Pro! Als ich dann ein paar Bilder meines neuen Lieblingsspielzeugs herumzeige, werden die Gesichter lang, Spott und Hohn prasseln auf mich ein. Denn M3-Fans aus der Neigungsgruppe „Tuning & Querbeschleunigung“ kennen kein Understatement. Doch genau das ist es, was „meinen“ M3 so besonders macht.
Zur Klarstellung: Ich kenne ziemlich viele Autoverrückte, aber keinen Hot-Wheels-Stammtisch. Ich besitze auch keinen M3, ich darf ihn nur ausführlich zur Probe fahren, genauer: zwei identische Exemplare. Denn „mein“ M3 stammt nicht von BMW, sondern von Magico, einer ganz anderen, mindestens ebenso professionellen „M“-Firma. Ein Magico M3 wird immer in Stereo-Paaren und in geschlossenen Räumen gefahren. Immerhin: Die US-Lautsprecherspezialisten haben den M3 tatsächlich aus einer Konzeptstudie namens M-Pro weiterentwickelt. Dazu später mehr. Muss nur noch schnell ein paar Runden mit den beiden M3 auf der audiophilen Rennstrecke absolvieren. Kann ein bisschen länger dauern …
M wie MPod
In den vergangenen Jahren habe ich diverse Modelle von Magico intensiv hören können. Die meisten haben mich mit ihrer Performance tief beeindruckt, in meinem audiophilen Gedächtnis sind die große Q7 und die gigantische Ultimate III sogar unter „bewusstseinserweiternd“ abgespeichert. Im vergangenen Herbst erlebte ich bei einer Präsentation (bei MySound in Starnberg) erstmals die – vergleichsweise kompakte – M3. Die mich bereits nach wenigen Minuten nicht nur tief beeindruckt, sondern regelrecht begeistert hat. Ich blieb viel länger als geplant (danke, Wolfgang), hörte viel mehr Musik, machte aber auch viel weniger Notizen. Ein willkommener Anlass, gleich in den nächsten Tagen wiederzukommen. Mit mehr Musik, noch mehr Zeit und einem sehr dicken Notizblock.
Sie fragen, warum ich die M3 denn nicht einfach mit nach Hause genommen habe? – Nun, erstens sind mir die sehr gut klingenden Räumlichkeiten bei MySound bestens bekannt, ich muss meine Ohren nicht neu justieren oder gar adaptieren und fühle mich dort ausgesprochen wohl. Zweitens stehen mir dort perfekt passende Zuspieler zur Verfügung. Drittens klemmt man sich die M3 nicht mal eben zum Ausprobieren unter den Arm. Die jüngste Magico ist stattlich, wirkt aber keineswegs auffällig „schwer“: drei Variationen von Schwarz, klassisch moderne Proportionen. Was jedoch schon der erste Gehäuse-Klopftest vermuten lässt, bringt jede normale Personenwaage in die Bredouille: Eine M3 wiegt 145 Kilo, nullkommaeinsvierfünf Tonnen pro Stück. Und nein, Räder hat sie keine, nur drei MPods. Auch dazu gleich mehr.
Zuvor noch ein letzter Schlenker hinüber zum Sportwagen-Stammtisch. Ja, für den Paarpreis dieser Magico bekommt man auch einen gut ausgestatteten BMW gleichen Namens. Der allerdings kann dann – tut mir leid, Jungs – in puncto Klang und Verarbeitung nicht einmal ansatzweise mit der Magico mithalten. Und nur darum soll es hier gehen: um Musikgenuss in Perfektion. Damit schalten wir jetzt zurück von der Nordschleife ins große Wohnzimmer. Auf Wiederhören.
Bodenpersonal
Am vorderen Ende des Teppichs steht die M3 auf ihren Spezialfüßen namens MPod. Drei massive Ausleger unterhalb des Basisgehäuses sorgen für einen absolut wackelfreien Stand. Selbstverständlich sind die darin verankerten MPods nicht einfach irgendwelche „Füße“. Die halbkugelartigen MPods sind exakt berechnete, messtechnisch unterfütterte und in zahllosen Hörtests verfeinerte mechanische Tiefpassfilter, mithin detailliert durchdachte Bausteine des M3-Gesamtkonzeptes. Der Sandwich-Aufbau mit gehärtetem Edelstahl, Reinkupfer, eloxiertem Aluminium und jeder Menge Know-how sorgt für die gewünschte „harte“ Ankopplung des Lautsprechers an seine Stellfläche unterhalb von 1000 Hertz, oberhalb davon für die gewünschte Entkoppelung.
Allein über die MPods könnte Magico-Chef Alon Wolf, der mir beim Erstkontakt mit der M3 ausführlich Rede und Antwort steht, locker einen abendfüllenden Vortrag halten. Er belässt es bei einer Viertelstunde. Doch die Begeisterung für sein „Baby“ wird auch bei diesem scheinbar nebensächlichen Detail dezent spürbar. Wer Alon Wolf kennt, wird seine nur halb scherzhaft gemeinte Bezeichnung „NASA feet“ für die MPods richtig einordnen: Es geht bei Magico grundsätzlich hoch hinaus, und der Einsatz von Hightech-Werkstoffen dient einzig dem Ziel, bisher unbekannte (Klang-)Sphären zu erkunden.
Dicke Sprüche? Hohles Marketinggewäsch? Nicht bei Magico, nicht mit Alon Wolf. Und bitte auch nicht zu diesem Preis. In der Tat ist der Ausnahmelautsprecher M3 mit zahlreichen Spezialitäten gespickt, die derart aufwendig herzustellen und kostspielig sind, dass die allermeisten Hersteller von vornherein panisch abwinken würden – einmal ganz davon abgesehen, dass sie diverse Fertigungsprozesse gar nicht beherrschten. Doch Magico, die sympathisch-verrückte Manufaktur aus der Bay Area, wird von einem absoluten Perfektionisten geführt. Und der zieht (s)eine Sache bis ins kleinste Detail gnadenlos durch.
Harte Schalen
Das Gehäuse einer M3 ist lediglich die sichtbare, elegante Hülle eines komplexen Materialmixes. Die geschwungenen Seitenflächen bestehen beispielsweise aus einem resonanzarmen Carbon-Schaum-Carbon-Sandwich. Sie werden rundum von massiven Aluminiumteilen luftdicht versiegelt. Die gesamte Architektur der M3 weist nicht eine einzige parallele Fläche auf. Ein ausgeklügeltes Aluminium-Skelett ist „untrennbar“ mit der Hülle verbunden und versteift das Gebäude zusätzlich, selbst minimale Resonanzen werden so unterbunden. Tatsächlich besitzt die M3 das steifste Gehäuse aller Magico-Modelle überhaupt, was angesichts der Firmenhistorie schon eine echte Ansage ist. Hier schwingt nur das, was auch schwingen soll: die Membranen der fünf Chassis, verteilt auf drei identische Bässe und je einen Mittel- und Hochtöner.
Gestatten: Graphen
Ist schon die Diamantbeschichtung des Hochtöners für das menschliche Auge praktisch nicht zu erkennen, begeben wir uns bei den Mittel- und Tieftöner- Membranen in einen Bereich, wo eine fünf tausendstel Millimeter starke Diamantschicht schon als feistes Geschmeide gilt. Die Konusmembranen sind mit einer Beschichtung ausgestattet, die bei Magico-Fans schon mal zu Jubelausbrüchen führen kann. Denn die Manufaktur ist offenbar das erste Unternehmen, das einen neuartigen Hightech-Werkstoff namens Graphen (engl.: „graphene“) in einem kommerziellen Produkt einsetzt. Graphen, überhaupt erst vor rund zwölf Jahren in England erfunden, ist einerseits federleicht, andererseits rund hundertmal fester als der stärkste Stahl.
Folgerichtig umhüllt Magico die – frisch überarbeiteten und mit neuer Webstruktur geflochtenen – Carbonfasern seiner Nano-Tec-Membranen mit dem Hauch einer Ahnung eines Nebels von Graphen. Was in Verbindung mit zahlreichen weiteren und mindestens ebenso unsichtbaren Details (Titanschwingspulen, aerodynamische Körbe – fragen Sie einfach Alon Wolf, wenn Sie sehr viel Zeit haben) zu einer 20 Prozent leichteren und 300 Prozent steiferen Membran geführt hat. Und zu neuen Bezeichnungen von Mittel- und Tieftönern, die ähnlich geschmeidig ins Ohr gehen wie das Kürzel des neue Hochtöners. Man merke sich einfach „Multi-Wall Carbon XG Nanographene“ für das nächste Treffen mit Gleichgesinnten sowie „einmal sechs, dreimal sieben Zoll in der M3“, dann passt’s schon.
Völlig klar, dass im Zuge all dieser Neuentwicklungen auch das technische Design der Frequenzweiche entsprechend weiterentwickelt wurde. Ein gewisser Raimund Mundorf soll dabei gefordert worden sein wie schon lange nicht mehr …
Jeden Tag Feiertag
Diese geballte Ladung von Hightech-Stoffen und Know-how ist geradezu ideal, um damit am audiophilen Stammtisch mal so richtig zu punkten. Die Frage ist nur, ob sich ein M3-Besitzer nach der Inbetriebnahme seiner Super-Schallwandler überhaupt noch aus dem Haus begibt, geschweige denn einen derartigen Stammtisch aufsucht. Aus eigener Erfahrung möchte ich das anzweifeln. Wer eine M3 in Ruhe und mit den „richtigen“ Zuspielern hört, dürfte für den audiophilen Alltag verloren sein.
Mein allererster Eindruck von großer, großartiger und größenrichtig anspringender Echtheit verstärkt sich mit jeder weiteren Stunde, die ich mit der neuen Magico verbringen darf. Die grundsätzliche „Ansprache“ der M3 ist unfassbar direkt und energiegeladen, zugleich großzügig und ausgedehnt, körperhaft und gleichwohl akustisch im Raum aufgehend, spielfreudig und extrem präzise, ohne die geringste Spur von „HiFi“ oder gar „Box“.
Beim Requiem von Gabriel Fauré (auf Telarc) stellt die M3 zum Beispiel mühelos und absolut gleichzeitig die extrem tiefen Pedalbässe der riesigen Orgel mit trockener, abgründiger Wucht und scharf umrissener Gestalt in den Raum, während der riesige Orchesterapparat samt doppelt besetztem Chor diesen nicht nur komplett füllt, sondern dessen Wände geradezu verschwinden lässt. Obwohl sich auf dieser erstklassigen, betont „großen“ Produktion der konservierte Raum über die M3 in alle vier Dimensionen öffnet, bleiben die Größenverhältnisse stets (ge)wahr(t). Der Gesamtklang hat weder etwas mit den physischen Begrenzungen, die ich bei wieder geöffneten Augen erkenne, zu tun, noch in irgendeiner Form mit dem Begriff „Lautsprecher“.
Mit fein produzierten Click-&-Drop-Werken oder anderen Electronica – etwa Scale von Herbert oder Boris Blanks Electrified – durchpflügt eine M3 die komplette Palette zeitgemäßer, sprich tricky unterfütterter und extrem breitbandig aufgestellter Pop-Werke quasi mit hochgezogenen Augenbrauen, spielt locker aus dem Handgelenk und schüttelt auch größte Phasenschweinereien oder quadratkilometergroße Klangflächen wie aus dem Nichts. Atmosphärische Vorahnungen und elfenhafte Akustikerscheinungen schweben in feinstofflich-durchhörbarer 3D-Klarheit durch den virtuellen Raum … Äh, wie meinen, bitte? – Na, gut. Wie schön! Rage Against The Machine hält sofort mit einem strahlenden, körperhaften Eigenklang der Becken, extrem muskulöser Physis und einem livehaftigen Shouter dagegen. Und die M3 stellt ungerührt die große Rock-’n’-Roll-Bühne auf.
Tiefenforscher
Mit der M3 „passiert“ Musik ansatzlos, man kann komplett darin eintauchen und als angefixter Klangforscher völlig entspannt in bisher unbekannte Tiefen vorstoßen. Apropos: Auf Wunsch stünde mir auch der „amtliche“ Q-Sub aus gleichem Hause zur Verfügung. Doch die nominelle Grenzfrequenz der M3 (substanzielle 24 Hertz) ist kein Fabelwert, sondern glaubhafte Realität. Ein extra Subwoofer macht unter diesen Umständen kaum Sinn – vorher sollten alle Fragen in puncto Elektronik für die M3 geklärt sein. Die allerdings leicht zu beantworten sind: Jegliche klangliche Charaktereigenschaft aller, wirklich aller Zuspieler legt die M3 mit einer geradezu lasziven Selbstverständlichkeit offen. Dazu erwartet sie nicht einmal eine gehobene Leistung an ihren Klemmen. Die spielfreudige M3 öffnet das riesige Tor zur Musik auch schon bei sehr geringer Lautstärke. Was die mögliche Auswahl der richtigen Ansteuerung vergrößert.
Da die Magico keinen eigenen Klangcharakter zeigt, sondern das Timbre der vorgeschalteten Elektronik, Kabelage und möglichen Tweaks perfekt eins zu eins umsetzt, bestimmt nunmehr der klangliche Unterschied zwischen Verstärkern, etwa von Pass und Spectral, das Gesamtergebnis. Um ehrlich zu sein, gefällt mir sowohl das herrlich farbige und strahlende, nachgerade explosive Timbre der Spectral-Kombi extrem gut als auch die wärmere und erdigere, teils sogar noch offenere Performance eines großen Pass-Bestecks neuerer Bauart. Am Faszinierendsten jedoch ist, wie groß und völlig klar diese Unterschiede über die M3 dargestellt werden. Beide Kombinationen sind absolut erstklassig und einer großen Magico angemessen, doch in dieser Deutlichkeit wurde mir der unterschiedliche Charakter erstklassiger Elektronik noch nicht einmal über die Q7 serviert.
Erfahrene Hörer – ich zähle mich jetzt mal ganz frech dazu – entdecken in der M3, diesem Hightech-Leuchtturm von einem Schallwandler, die nachgerade geniale Verschmelzung ganz unterschiedlicher Schallwandler-Prinzipien. Die M3 klingt dynamisch anspringend und energetisch wie ein sehr gutes Horn, füllt den Raum reichhaltig und feinsinnig wie ein sehr guter Flächenstrahler, wirkt aber trotz dieser verblüffenden Spreizung von Talenten so verführerisch „unkompliziert“ wie der beste Direktstrahler. Der möglicherweise Magico M3 heißt.
Lautsprecher
Magico M3
Funktionsprinzip: 3-Wege-Standlautsprecher, geschlossen
Wirkungsgrad: 91 dB
Nennimpedanz: 4 Ω
Bestückung: 3 x 18-cm-Tieftöner und 1 x 15-cm-Mitteltöner mit Graphen-„Nano-Tec“-Membran, 1 x 28-mm-Kalotte mit diamantbeschichteter Beryllium-Membran
Besonderheiten: MPods als Füße, Seitenteile Carbon-Schaum-Sandwich, alles Übrige Massiv-Aluminium, im Inneren Aluminium-Skelett und Mittelton-Gehäuse
Ausführungen: Schwarz/Carbon, andere Farben und Lackierungen auf Anfrage
Maße (B/H/T): 49/123/48 cm
Gewicht: 145 kg
Garantiezeit: 5 Jahre
Paarpreis: 99 800 €
Audio Components Vertriebs GmbH
Harderweg 1
22549 Hamburg
Telefon 040 401130380
Mitspieler:
Digitalspieler: Aurender W20, EMM Labs TSDX und DAC2 SE, ReQuest The Beast
Vorverstärker: Pass XP-30, Spectral DA-30
Endverstärker: Pass XA 160.8 (Mono), Spectral DMA-300
Kabel und Netzaufbereitung: BB Cable Design, M.I.T. Cables, Shunyata Research
Raumakustik: MySound