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Luxman SQ-30u

Test: Luxman SQ-30u Röhrenvollverstärker

Luxman SQ-30u – Klassiker ab Lager (mit Fernbedienung)

Der Luxman SQ-30u wirkt, als sei er aus einer Zeitmaschine gefallen. Und genau so muss es auch sein.

Mit diesem Vollverstärker setzen sich die Japaner quasi aufs eigene Retro-Pferd. Was für ein Vorteil, wenn man für zeitgeistige Neuprodukte nur die eigenen alten Produktkataloge aufzuschlagen braucht. Bei dieser Art von Auferstehung zeigt sich Luxman jedoch als äußerst konsequent: Der SQ-30u ist ein Röhrenverstärker nach der reinen Lehre, sprich: ohne Silizium im Signalweg. Und er ist auch kein verkappter Endverstärker mit Eingangswahl und Pegelsteller, sondern vielmehr ein echter, sogar au_ rennbarer Vollverstärker mit einer eigenen Vorverstärker-Abteilung, die zudem Phonofähigkeiten besitzt und – genau wie damals – Klangregler aufweist. Die man getrost auch in wirkungsloser Mittelstellung stehen lassen darf.

Fernbedienung? Wegpacken!

Auf den ersten Blick ginge der SQ-30u (der in Japan übrigens einen Vorgänger namens SQ-38u hatte) glatt als gut erhaltener Klassiker durch, wäre da nicht ein Empfänger-„Auge“ für die Infrarot-Fernbedienung und rückseitig moderne Lautsprecheranschlüsse statt der guten alten Schraubterminals. Macht alles nix, denn das Blockschaltbild offenbart einen tatsächlich klassisch designten Ultralinear-AB-Verstärker nach Mullard mit zwei Sovtek-EL34 pro Kanal. Damit stehen 30 Watt zur Disposition, die ein wenig gegengekoppelt sind und mit ihrer ECC83/ECC82-Treiberstufe direkt aus dem 60er-Jahre-Lehrbuch entsprungen zu sein scheinen. Wer mag, der nutzt die „Main In/Pre Out“-Schleife und lässt den Luxman als Vorverstärker oder Endstufe laufen – sicher nicht der eigentliche Zweck jener in dickes Holz verpackten 20 Kilogramm, die förmlich flehen, doch bitte mit einem ebenso klassischen Lautsprecher verheiratet zu werden. Alles andere wäre Stilbruch, ganz gleich, welches Produktionsdatum auf dem Luxman-Typenschild steht. Und da wir gerade bei Stilfragen sind: Liegt die Alu-Fernbedienung (nur „Volume“ und „Mute“!) auf dem Tisch, geht die ganze schöne Illusion sofort wieder den Bach runter. Also weg mit diesem unpraktischen, modernen Zeug, freuen wir uns lieber an den Drehknöpfen, die noch keine Jahrzehnte auf dem Buckel haben, deshalb nicht kratzen und eigentlich viel zu leichtgängig sind. Kann man da nicht was machen?

Wir bleiben gleich bei Stilfragen und schauen uns den Phonoeingang an: MC und MM, fein, gottlob nicht in Gestalt trostloser OpAmps, womit einiges dafürspricht, dass in der Luxman-Entwicklungsabteilung noch alte Hasen verköstigt werden. Die plädierten offenbar für das, was das vergilbte Lehrbuch für solche Intentionen bereithält, nämlich wieder mal eine ECC83-Combo, verbunden mit – oh Wunder – einem Step-up-Übertrager, der sogar niederohmigen MC-Abtastern eine Heimat bietet. Gleich anschließend kommt nach dem leidergottseidank motorisierten Pegelsteller plus Balanceregler eine Klangregelstufe, die so auch in allen besseren Gerätschaften der Wirtschaftswunderzeit steckte, das übliche Kuhschwanz-Filter, eingeklemmt zwischen zwei Trioden. Wer Retro will, der kriegt hier genau das, was er bestellt hat, Herrschaften, vielleicht mit Ausnahme des 30-Hertz-„Low cut“-Schalters, der zu Zeiten weniger auf Bandbreite gezüchteter Übertrager genauso überflüssig gewesen wäre wie der CD-Eingang. Wer es konsequent durchzieht, der schließt einen Garrard plus SME an und das Thema damit ab, obwohl Luxman einen optisch passenden, sogar röhrenbestückten CD-Player bereithält. Igitt. Aber den könnte man ja im Schrank verstauen, wo bereits die Fernbedienung verstaubt. Ach ja: Die Tatsache, dass der SQ-30u weder USB- noch Netzwerk-Anschluss besitzt, werde ich hier und jetzt ausnahmsweise frenetisch bejubeln.

Jagger-Kabel?

Zunächst einigermaßen täuschend wirkt das voll isolierte Lautsprecher-Terminal, nein, nix da mit vier und acht Ohm, sondern A und B, schaltbar, versteht sich. Bezüglich der Impedanzanpassung legten sich die Luxmänner nämlich salomonisch auf mittlere sechs Ohm fest, was den potenziellen Spielpartnern keinen Abbruch tut. Ich würde nach Electro Voice, Altec, JBL, Jensen oder Klipsch fahnden, die bröckelnden Sicken bei Klangmeister zur Reparatur geben und mir dazu ein antikes, in Baumwolle gehülltes Lautsprecherkabel besorgen, etwa so eins mit verblichenem Western- Electric-Aufdruck, das in China kilometerweise hergestellt wird und abgerockter aussieht als Mick Jagger. Was keineswegs heißen soll, dass es der SQ-30u nicht auch mit aktuellen Lautsprechern aufnimmt. Seine Röhrentechnik betagt zu nennen, ist kein Fehler, sein Klang beweist allerdings das Gegenteil, wie Experimente aufzeigten, die den vermeintlichen Altersunterschied des Ehepaars auf ein halbes Jahrhundert streckten. So motorisierte der Luxman die ebenfalls in dieser Ausgabe von FIDELITY vorgestellte Piega – eine hypermoderne Wuchtbrumme mit Science-Fiction-Mittelhochtöner – so charmant, dass selbst erfahrene Zuhörer sofort eine der üblichen 50-Kilo-Siliziumplantagen an den Klemmen vermutet hätten …

Diesen Klang nicht röhrenuntypisch eher auf der farbigen, runderen, aber dennoch alles andere als stumpfen Seite zu vermuten, ist sprichwörtlich goldrichtig, trifft es aber nicht hundertprozentig; stellenweise – da sind sicher die modernen Bauteile plus neu gezüchtete Ausgangsübertrager beteiligt –, ließ es der Wonneproppen erstaunlich bassfest und mit so perlender Frische angehen, dass man meinte, die glänzenden Zähnchen zu sehen. Wer hier noch glaubt, Einfluss nehmen zu müssen, der kann ja die Klangregler bemühen, tatsächlich und ohne Vorbehalt nun ein erlaubtes Stilmittel, um entweder eingerostete Rentner-JBLs zu kurieren oder neuzeitlichen Hochtönern, die ihren Job allzu wörtlich nehmen, die Eiszapfen zu schmelzen.

Aber, sorry, noch ist nicht alles zum Innenleben des Japaners gesagt, dessen Gewichtsklasse auch mit einem aufwendigen Netzteil in engem Zusammenhang steht. Es sind nämlich gleich vier Stromversorgungen vorhanden, wobei nur ein einziger Trakt des Netzteils auf modernen Methoden der Spannungsregelung basiert, und der hat mit der Audioschaltung nicht wirklich etwas zu tun; es sind vielmehr die Umschaltrelais der Eingänge und der Fernbedienungsempfänger, die so unter Strom gesetzt werden. Schon bei den Heizungen der insgesamt elf (!) Röhren verzichtete man frohgemut auf IC-Hexenwerk, erst recht schließlich bei der Erzeugung der Anodenspannung, die sich auch auf eine gute alte Siebspule verlässt; übrigens offenbart das „Schaufenster“ – das Gitter oben auf dem Holzeinschub –, dass der Luxman sein Vierer-Trafoensemble abschirmend in Metallhüllen packt. Besagtes Gitter ist bitter nötig, entlässt der heißblütige SQ-30u doch darüber wahre Dampfwolken an Hitze ins Freie; ihn in ein enges Regal zu packen wäre praktisch die Garantie für den langsamen Wärmetod. Merke: So dicht gepackte Röhrenverstärker lieben luftige Kleidung. Und die Schallplattenhüllen legen wir auch woanders hin … Sieben der elf Glaskolben werden ohne viel Federlesens gleich mit Wechselspannung geheizt, was dem Fremdspannungsabstand keineswegs zu schaden scheint, sogar via Phonoeingang produziert der Vollverstärker null Brumm, falls der Phono-Erdungsanschluss – das übliche unpraktische Klemm- Schräubchen – korrekt verdrahtet wird.

Phono: Eingangsübertrager

Im MC-Phonoeingang kommt ein primär zweifach angezapfter Übertrager zum Einsatz – „MC high“ bedeutet hier einen 40-Ohm-Eingang, der für Tonabnehmer geeignet ist, die an aktiven Phonostufen üblicherweise mit 100 Ohm abgeschlossen werden. „MC Low“ prädestiniert den Vollverstärker dagegen für die Zusammenarbeit mit niederohmigen Tonabnehmern, also beispielsweise einem Ortofon SPU. Der MM-Eingang, der den Übertrager ja umgeht und direkt an die aus zwei Triodensystemen einer ECC83 bestehende RIAA-Phonostufe angeschlossen ist, weist natürlich die Normimpedanz von 47 Kiloohm auf. Es ist fast nicht nötig, darauf hinzuweisen, dass die Phonostufe im SQ-30u alles andere als eine Notlösung darstellt; vielmehr darf man der Röhrenschaltung guten Gewissens bescheinigen, klanglich erstaunlich weit „oben“ mitzumischen, was den Vollverstärker umso wertvoller macht. Dass er als echte Schaltzentrale sogar noch die eine Tape-Schleife (Aufnahme-Ausgang und Wiedergabe-Eingang) besitzt, ist angesichts des Konzepts kein großes Wunder. Noch einen Tick weiter gedacht wäre statt eines optisch dazu passenden CD-Players ohne Digitaleingang vielleicht eher ein röhrenbestückter D/A-Wandler (dann aber mit USB-Eingang!) angesagt gewesen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.

Lautsprecher? (Fast) Alle!

Der frische und lockere Klangstil des Luxman setzt sich an praktisch allen Spielpartnern – von echten Stromsäufern einmal abgesehen – durch. Er schüttelt die Musik quasi aus dem imaginären Ärmel, kombiniert mit einem kleinen zusätzlichen Schuss Farbe und Wärme. Eigentlich genau das, was der Röhrenfan hören will. Und im Tieftonbereich ist der Japaner immer wieder für eine Überraschung gut, selbst in Kombinationen, wo man ihm das nicht zutrauen würde. Da ist einfach Ausprobieren angesagt, ganz klar, zumal die nominal 30 Watt schieben und drücken, dass es eine wahre Freude ist. Will sagen: Der SQ-30u wirkt realiter immer viel kräftiger, als es die simplen Zahlen auf dem Papier vermuten lassen. Sein bewundernswertes Drehmoment legt natürlich im Teamwork mit federleichten Lasten – etwa einem „lauten“ Breitbänder – sogar noch etwas zu; nichtsdestotrotz ist dieser Vollverstärker glasklar für die große Mehrzahl üblicher Lautsprecher geeignet.

Luxman SQ-30u
In Metall verpackt – Fernbedienung mit Pegelsteller.

Dass er dabei auch eine wunderbar ausgedehnte, dreidimensionale Klangbühne aufzieht, ist ihm ebenfalls hoch anzurechnen, und dass er sich dabei nicht als akribischer Erbsenzähler betätigt, sondern eher den größeren Überblick bevorzugt, tut der Sache keinen Abbruch. Dieser Amp klingt so angenehm, unangestrengt und locker, dass er den Zuhörer eher als Spaßmaschine denn als superpräziser Reproduzierer in seinen Bann zieht. Die Balance zwischen Wissenmüssen und Nicht-mehr-wissen-Wollen trifft er folglich genau dort, wo es nicht wehtut: in der Mitte. Bezogen auf die Tonlage würde ich ihm genau dort auch eine winzige Spur an sich überflüssiger Zurückhaltung bescheinigen, das allerdings in einem Maßstab, der im größeren Toleranzfeld verschiedener Lautsprecher-Frequenzgänge – oder akustischer Gegebenheiten – schon wieder untergeht. Kein Punkteabzug deswegen, i wo, denn muss er etwa Stimmen darstellen, dann tut er das ergreifend, natürlich und trotzdem mit Zahnpasta- Lächeln. Dies macht ihn so sympathisch, dass man ihn eigentlich dreimal pro Abend umarmen möchte, wozu bei all der Schallplatten-Wühlerei kaum Zeit bleibt. Ebenso wenig Muße sollte man an Gedanken wie Röhrenverschleiß und Wärmeentwicklung verschwenden, betont der Hersteller doch ausdrücklich die Standfestigkeit und optimierte Lebensdauer des nostalgischen Produkts, dem die bekannten Elko-Schwächen oder gar die bräunlichen Frühplastik-Röhrenfassungen des Uralt-Vorbildes glücklicherweise abgehen. Und die vier EL34 von Sovtek? Genießen inzwischen hohe Reputation. Also: Einschalten, Musik hören, Spaß haben. Denn genau dafür und für nichts Anderes ist der SQ-30u gemacht.

 

Luxman SQ-30u
Röhren-Vollverstärker
Leistung (6 Ω): 2 x 30 W
Eingänge: 4 x Line, 1 x Tape, Phono MM/MC, 1 x Main In (Cinch)
Ausgänge: 1 x Pre Out, 1 x Tape Monitor (Cinch), 2 x Lautsprecher A/B (Polklemmen)
Röhrenbestückung: 4 x EL34, 5 x ECC83, 2 x ECC 82
Stromaufnahme: 185 W
Besonderheiten: Fernbedienung, Phono-MC-Übertrager,
Low-Cut-Filter 30 Hz, Muting, Kopfhöreranschluss
Maße (B/H/T): 40/20/31 cm
Gewicht: 20 kg

 

www.luxman-deutschland.de

 

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