Luxman CL-38u SE + MQ-88u SE – Vintage? Nein. Nostalgisch verpackte Moderne
Lesen Sie schneller. Es könnte sein, dass diese Vor-Endstufenkombination aus CL-38U und MQ-88U bereits ausverkauft ist, ehe sie mit der Lektüre dieses Artikels durch sind. Baut Luxman doch von diesen edlen Röhrenverstärker-Preziosen als „Special Edition“ (SE) gerade mal 100 Paare. Und nur zehn davon werden den Highendern und Klangkulinarikern in Deutschland zugeteilt
War ja klar. Einmal Vintageman, immer Vintageman. Da mussten auch diese Luxman-Oldtimer an mir hängen bleiben. Röhrenverstärker, wie sie bei betuchten Amis irgendwann Mitte der 1960er in den guten Stuben standen und irgendwelche wirkungsgradstarken Hörner antrieben. Allzu fordernd durften die Schallwandler nicht sein, weil die meisten Röhrenamps keine allzu hohen Wattzahlen stemmen können. Luxman war damals schon eine Größe und überstand im Gegensatz zu anderen Stereo-Schmieden auch den Übergang ins Transistorzeitalter vergleichsweise glimpflich.
So drückte ich mir als Schüler und Student in den 1980er und 1990er Jahren die Nase an den Schaufenstern der einschlägigen HiFi-Läden platt, wenn sich mal wieder einer der champagnerglänzenden Luxmänner in die Auslage verirrt hatte, zudem verschlang ich die Tests in den damals gängigen Fachpostillen. Luxman, das war schon immer etwas ganz Feines, aber gerade noch Bezahlbares für Leute, die nach dem Kauf der Elektronik immer noch Geld für ein ordentliches Paar Lautsprecher übrig haben wollten, um nicht auf vorzüglichen Klang verzichten zu müssen. In anderen Ländern freilich gab es auch Luxman-Modelle der Highest-End-Kategorie, die man hierzulande praktisch nie zu Gesicht bekam.
Gut 30 Jahre später reitet Luxman nicht nur mit feinen Transistorverstärkern auf der Retro-Welle, sondern hat sich endlich – und erneut – auf das glorreiche Röhren-Erbe besonnen. Ohne an dieser Stelle alle längst bekannten Weisheiten über Röhren im Vergleich zu Transistoren herunter zu beten, sei daran erinnert, dass das typische Klirrverhalten eines Röhrenverstärkers dem Gehör eher entgegen kommt als das, was ein Transistor im Grenzbereich absondert. Dass Röhren den Klang „schönen“ und tendenziell immer „lieblich“ klingen müssen, haben moderne Designs längst ad absurdum geführt und ins Reich des Klischees verwiesen. Auch die Luxman-Kombination aus dem Röhren-Vorverstärker CL-38u SE und der passenden Endstufe MQ-88u SE ist in erster Linie äußerlich eine Reminiszenz an die „gute alte Zeit“ – inwendig hat man natürlich die Erkenntnisse aus dem Verstärkerbau der letzten 50 Jahre einfließen lassen. Sogar fernbedienbar ist der Preamp, wobei man ihm das von außen nicht ansieht, denn das Empfängerauge ist in der von traditionellen Drehknöpfen und satt klackenden Kippschaltern übersäten Front gut getarnt und fast unsichtbar.
Sogar ein das Gehäuse umschließendes „Woodcase“ besitzt der CL-38u SE, damit die Illusion, einen HiFi-Oldtimer vor sich zu haben, möglichst perfekt gelingt. Der Endverstärker MQ-88u SE ist sogar so deutlich dem Design seines „Urahns“ MQ-60 nachempfunden, dass selbst der Luxman-Kenner zweimal hinschauen muss, um die Gerätegenerationen auseinander zu halten. Eindeutig besser geworden sind die Anschlüsse, denn hartvergoldete Cinch-Buchsen baute seinerzeit noch kaum ein Hersteller ein, weshalb bei echten Retrogeräten von vor 40 Jahren und älter auch regelmäßig Putzen und Polieren angesagt sind, um den korrekten Stromfluss nach allfälliger Korrosion wieder herzustellen.
Bei den verbauten Röhren-Typen setzt Luxman in der „Limited Edition“ auf bekannte und im jahrzehntelangen Einsatz bewährte Typen: In der Vorstufe kommen drei ausgesucht feine ECC803S und fünf ECC802S zum Einsatz; die Endstufe, die dank einer variablen Eingangsstufe auch als puristischer Ein-Quellen-Vollverstärker betrieben werden kann und durchgängig im Class-A-Betrieb läuft, setzt bei der Endverstärkung auf vier KT 88 in Triodenschaltung, die aus der Slowakei stammen, wo man sich auf die Fertigung hochwertiger Leistungsröhren versteht. Röhrenfreaks mit ausgeprägtem Spieltrieb werden ihre MQ-88u SE vermutlich trotzdem mit einem Röhrensatz aus geheimen „New Old Stock“-Beständen verwöhnen wollen, um damit ein womöglich noch besseres Ergebnis zu erzielen …
Im FIDELITY-Hörraum ließ ich die Lux(us)-Geräte, die in Deutschland ausschließlich als Special-Edition-Set für 9990 Euro angeboten werden, in der Werkskonfiguration spielen – und fand ehrlich gesagt kein echtes Verbesserungspotenzial. Um Limitierungen durch die angeschlossenen Schallwandler von vornherein auszuschließen, durften CL-38u SE und MQ-88u SE sich gleich an der Wilson Audio Yvette beweisen. An diesen Ausnahme-Lautsprechern konnte das Retro-Gespann aus dem Hause Luxman besonders gut zeigen, was es tatsächlich vermag.
Und das ist eine ganze Menge. „Typischer Röhrensound“? Vergessen Sie das. Dieses Duo hat für sich zwar ohne Frage Feinzeichnung, Klangfarben und Räumlichkeit gepachtet. Die Endstufe verfügt aber bei Bedarf auch über einen – angesichts einer Class-A-Leistung von gerade einmal 25 Watt Sinus pro Kanal – gewaltigen Punch und Druck in den unteren Lagen. Natürlich sind die Luxmänner nicht dazu gedacht, große Hallen mit Disco-Pegeln zu beschallen, Und beinharte Schwermetaller werden sich diese feine Retro-Kombi auch ganz gewiss nicht ins Wohnzimmer stellen. Wer hingegen Klassik und Jazz mag, wer sich mit Musik auf akustischen Instrumenten wohl fühlt und nicht den lieben langen Tag Hardcore-Electronica oder wüsten Dubstep hört, der kann mit dem Röhren-Zweigespann auf lange Zeit froh und glücklich werden. Orchester staffelt es glaubwürdig in Breite und Tiefe und gestattet eine genaue Ortung im Raum, ohne dabei all zu seziererisch zu wirken. Bei kammermusikalischen Besetzungen laufen Luxman CL-38u SE und MQ-88u SE zu ganz großer Form auf – auch, weil hier Details glasklar und so ganz ohne „Röhren-Aura“ wiedergegeben werden. Da hört man auch scheinbare Nebensächlichkeiten wie das Anpressen der Finger auf die Geigensaiten oder das Knarren des Pianistenhockers, wenn etwa Lang Lang in Rachmaninoffs zweitem Klavierkonzert einen jener aberwitzig schnellen Läufe absolviert, die zu diesem Virtuosen-Flaggschiff einfach dazu gehören.
Skandiert Cassandra Wilson auf Blue Moon Daughter mit androgyner Stimme einen ihrer Düstersongs, dann verraten die Luxmans zweifelsfrei, dass diese intensive Musik im Studio entstanden ist und dass die Regie tonale Präsenz an die Spitze der Prioritätenliste setzte. Dass dieses fusionjazzige Powerplay auch auf Dauer nicht nervig wird, dürfen die Röhrenverstärker auf ihre Fahnen schreiben. Sie geben Cassandras Stimme in ihrer ganzen Vielschichtigkeit wieder, ohne einzelne Bereiche überzubetonen – eine Art freundliche Neutralität, die das Vorhandene deutlich darlegt und sich lediglich allzu harte Spitzen in den Höhenlagen verkneift. Das ist dann doch „typisch Röhre“, macht aber zugleich das Sympathische dieser feinen Kombination aus. Denn sie ermöglicht den Zugriff auf mehrere Jahrzehnte konservierter Schallereignisse, ohne deren Schwachpunkte überdeutlich vor Augen zu führen. Dafür präsentieren die Luxmans Höhepunkte tonmeisterlicher Kunst in schwelgerischer Opulenz. Zum Beispiel das Brahms-D-Dur-Violinkonzert mit Jascha Heifetz, das der Ausnahmegeiger mit dem Chicago Symphony Orchestra unter Fritz Reiner im Februar 1955 einspielte: Drei Jahre, ehe die Plattenfirma Mercury damit begann, das Stereoformat kommerziell zu vermarkten, gelangen den Toningenieuren der RCA bereits höchst bemerkenswerte Aufnahmen, die nach wie vor zum Besten gehören, was im Klassiksektor realisiert wurde. Mit den exklusiven Luxman-Verstärkern gewinnen diese klingenden Dokumente eine ganz eigene Lebendigkeit, eine Selbstverständlichkeit des „Da-Seins“, wie ich sie über andere Verstärker – ganz gleich ob Röhre, Transistor oder auch „Class D“ – bislang nur äußerst selten gehört habe. Und das macht diese „Limited Edition“ im besten Sinne preiswert, soll heißen: Sie ist ihren Preis wert. Zumal ihr Überleben langfristig gesichert sein dürfte: Keiner der in den Luxmans verwendeten Röhrentypen entstammt der „Exotenecke“, Nachschub für ausgebrannte Exemplare dürfte auch in Jahrzehnten noch problemlos zu bekommen sein. Kurz: Die Luxman CL-38u und MQ-88u kann man getrost den Enkeln vererben. Und wenn die auf gute Musik egal welcher Provenienz stehen, werden sie sich auch zweifellos darüber freuen …
Röhren-Vorverstärker Luxman CL-38u SE
Röhrenbestückung: 3 x ECC803S, 5 x ECC802S
Eingänge: 1 x Phono MC/MM, 4 x Hochpegel, 1 x Tape (Cinch)
Ausgänge: 2 x Pre out, 1 x Rec out (Cinch)
Ausstattung: abschaltbare Klangregelung mit wählbaren Eckfrequenzen, Mono-Schalter, Balanceregler, Subsonic-Filter, Hinterbandkontrolle (Monitor), Phono-Eingangsimpedanz wählbar (47k/100/30 Ω) , Fernbedienung für Lautstärke und Muting, Holzgehäuse
Maße (B/H/T): 40,5/17/31 cm
Gewicht: 14 kg
Röhren-Stereoendverstärker Luxman MQ-88u SE
Röhrenbestückung: 2 x ECC803S, 2 x ECC802S, 4 x KT88
Leistung (8/6/4 Ω): 2 x 20/25/20 W
Eingänge; 1 x direkt, 1 x variabel (Cinch)
Ausgänge: 1 Paar Lautsprecher (Schraubterminals)
Maße (B/H/T): 44/19/23 cm
Gewicht: 16 kg
Setpreis CL-38u SE/ MQ-88u SE: 9990 €
Erhältlich bei folgenden Händlern:
Isenberg Audio
Rentzelstraße 10b
20146 Hamburg
040-447037
Performance
Konsul-Smidt-Straße 24
28217 Bremen
0421-36519155
Klangtreu Audiotechnik e.K.
Eleonorastraße 32
45136 Essen
0201-43626919
kubik&klang
Rüthener Straße 23
59558 Lippstadt
02941/298 24 52
Hifi Senf
Oppenheimer Straße 17
99817 Eisenach
03643/495999
FINK Hifi Kompetenzzentrum
Riedstraße 26
71691 Freiberg/Neckar
07141- 9911322
Vertrieb
IAD Audio GmbH
Johann-Georg-Halske-Straße 11
41352 Korschenbroich
Telefon 02161 61783-0