Lector Digitube S-192 – D/A-Wandler
Eine Analogie …
… stellt Sachverhalte mit ähnlichen Strukturen in einen Zusammenhang. Zum Beispiel den Lector Digitube S-192 D/A-Wandler und einen Plattenspieler
Digitale und analoge Wiedergabe lassen sich nicht vergleichen, zumindest das gehört zum Basiswissen jedes Audiophilen. Ein Rechteck ist nun mal keine Welle und ein D/A-Wandler kein Phonoentzerrer. Aber wenn sich das Resultat, das aus den Lautsprechern erklingt, zum Verwechseln ähnelt, kann man dem Digitalübersetzer dann arglistige Täuschung vorwerfen? Oder Amtsanmaßung? Oder darf man einfach fröhlich ein Lied mitpfeifen?
Es gibt eine gute Handvoll HiFi-Firmen, auf deren Testobjekte ich mich immer außerordentlich freue, weil sie mich privat interessieren und nicht als Fachredakteur. Lector aus der Lombardei gehört dazu. Die kleine, aber traditionsreiche Manufaktur hat ein Händchen für grandios klingende Komponenten, die im Marktvergleich meist verblüffend günstig abschneiden. Ein Paradebeispiel hierfür findet sich im kleinen ZAX-70, einem Vollverstärker, der untypisch für Lector ganz ohne Röhren in der Vorstufe auskommt. Neugierig – ich testete einst den Vorläufer ZAX-60 – bat ich Peter Schmitz von Preference Audio übers Wochenende um ein Exemplar. Der 1000-Euro-Integrierte spottet seinem Preisschild und fügt sich nahtlos in eine deutlich höherwertige Umgebung ein. Die einzig auffällige Verzerrung ist eine des Wettbewerbs.
Mein erster Kontakt mit einem Digitube-D/A-Wandler liegt auch schon rund fünf Jahre zurück. Der Vorgänger des Digitube S-192 steckte in einem kantigen Gehäuse, klang aber nichtsdestotrotz voll und rund. Auf den ersten Blick ins nunmehr ovale Gehäuse mit abgerundeten Ecken scheint sich gar nicht so viel verändert zu haben. Der Innenaufbau zeigt sich wie gehabt diskret und auf mehrere Platinen verteilt, mit einem groß dimensionierten torrodialen Trafo und unter weitestgehendem Verzicht auf ICs. Aber dieser Eindruck trügt, mir entgehen die feinen Details. Claudio Romagnoli, Entwickler und Inhaber, brüstet sich sogar mit einem „all new design“. Zumindest die Rechenzentrale in Form eines AKM-4397-Wandlerchips ist jedoch noch identisch. Der damals gerne als „Miracle DAC“ titulierte 32-Bit-Wandler ist immer noch gängig und findet sich in einer Reihe von Referenzwandlern. Obschon er auch DSD beherrscht, bleibt diese Option im Digitube ungenutzt. Soweit ich Herrn Romagnoli verstanden habe, sieht er keine grundsätzliche klangliche Überlegenheit des Ein-Bit-Formats. Dafür verarbeitet der Digitube das ebenbürtige PCM-Format DXD. Wer auf DSD nicht verzichten will, wird bei Lector aber ebenfalls fündig.
Die signifikanten Neuerungen des Digitube finden sich einerseits im USB-Interface auf Basis eines Tenor-Chips, das nunmehr asynchron bis zu 24 bit und 384 kHz arbeitet, und in der um ein Paar ECC81 von Electro-Harmonix herum konstruierten analogen Ausgangsstufe. Im Lieferumfang befinden sich proprietäre Asio-Treiber, die bemerkenswert stabil sogar im klanglich überlegenen Kernel-Streaming laufen. Der Lector wird als DAC in der Regel erkannt, auch wenn man den PC aus dem Standy-Modus aufweckt; während des langen Testzeitraums musste ich lediglich zweimal die USB-Verbindung kurz unterbrechen, als der Wandler ausnahmsweise doch nicht gleich ansprang. Das mag aber auch eine Folge dessen sein, dass meine DAC-Liste unter Foobar fast so umfangreich ist wie meine E-Mail-Kontakte. Unmittelbar an die Wandlereinheit anschließend wird das analoge Signal in zwei Stufen verstärkt, wobei die erste Doppeltriode direkt an den AKM-Chip gekoppelt ist – im Signalweg befindet sich weder ein integrierter Schaltkreis noch ein stabilisierender Halbleiter. Auch auf der anderen Seite zu den Cinchbuchsen findet sich lediglich ein Paar getarnter Koppelkondensatoren – kürzer lässt sich ein analoger Ausgang nicht konfigurieren. An dieser Stelle zahlt sich die HF-Immunität des AKM-Chips aus.
Neu am Digitube sind außerdem ein Synchronisationseingang für eine externe Word-Clock, was in dieser Preisklasse äußerst selten ist, und ein koaxialer S/PDIF-Ausgang für digitale Aufnahmen. Die anderen S/PDIF-Schnittstellen sind Eingänge – Cinch, BNC, Toslink – und gleich dem AES/EBU-Input mit maximal 24/192 spezifiziert, lediglich über USB akzeptiert der Digitube Taktungen bis 384 kHz. Ein blaues Frontdisplay informiert über die anliegende Datenrate, was ich als Kontrollinstrument für die korrekte Konfiguration des Audioplayers immer sehr hilfreich finde. Daneben schaltet ein Taster durch die Eingänge. Der harte Netzschalter versteckt sich auf der linken Seite hinter der Frontverkleidung aus Acryl.
Generell hat jeder D/A-Wandler derzeit einen schweren Stand in meiner Anlage, in der fünf außergewöhnlich gute Tonarme mit entsprechenden Abtastern um zwei Oberklasse-Laufwerke kreisen. Um ausgeglichene Verhältnisse zu schaffen, müsste ich zu einer Wandlereinheit im deutlich fünfstelligen Preisbereich greifen. Vor diesem Hintergrund hatte ich nicht viel Hoffnung, dem Digitube einen glänzenden Auftritt zu ermöglichen. Obwohl mich die Erfahrung lehrt, Komponenten aus dem Hause Lector nicht zu unterschätzen.
Eine handwerklich gute CD-Aufnahme, aktuell, aber wenig komprimiert, dennoch weit davon entfernt, ein produktionstechnisches Meisterwerk sein zu wollen, ließ mich denn auch umgehend stutzig werden. „Das Komitee“ vom neuen Fehlfarben-Album Über … Menschen sprühte überschwänglich, transparent und außergewöhnlich luftig aus den SP 1.1. Durchaus hart, aber nicht infolge digitaler Härte, mit einem luziden Fokus auf Peter Heins bellender Stimme. Dazu im Kontrast weiche, flächige Backvocals der Band weit aus dem Hintergrund im Refrain. Betreffend der Feinstauflösung zwar mit gehörigem Abstand zur Schallplatte, was in erster Linie am CD-Format liegt, aber für den digitalen Zweig ungewöhnlich, gleichsam stromlinienoptimiert fließend und ohne Widerstand ins Ohr gehend. Erneut ein gutes Album der Fehlfarben, die längst Denkmalschutz verdient hätten, aber immer noch spannend klingen. Musikalisch liebenswert starrsinnig und textlich wie immer poetisch, aussagekräftig, illusionslos, offenherzig und bissig. Aber da die Indie-Post-Punk-Rock-Scheibe sicher nicht unter Verdacht steht, überproduziert zu sein, sollte klanglich noch eine Steigerung möglich sein.
Die kanadische Songschreiberin Chloe Charles schwebt auf dem ebenfalls brandneuen Album With Blindfolds On mühelos zwischen Jazz, Soul und Pop. Selbst wenn ihre Songs bisweilen sehr verletzlich, wenn nicht gar schwermütig wirken, bleibt die Produktion eingängig und glatt. Nichtsdestotrotz fesselt Charles’ dunkle, aber zerbrechlich und mädchenhaft klingende Stimme, deren Färbung mich spontan an Tanita Tikaram erinnert hat, die ich wiederum längst vergessen zu haben glaubte. Ein assoziativer Querverweis, der letztlich vielleicht gar nicht stichhaltig ist. Bemerkenswert jedoch, dass der Digitube mir erlaubt, meine Gedanken schweifen zu lassen, in Erinnerungen zu kramen und doch bei der Musik zu bleiben, weil er so unangestrengt reproduziert. Für meinen Geschmack bleibt der Orchester-Pop eine Spur zu oberflächlich, aber losreißen kann ich mich auch nicht, so wie man bei einer Tafel Nougatschokolade auch nicht nach der Hälfte aufhört. Wieder erscheint die Stimme herausgeschält, dennoch möchte ich nicht von einer Betonung der Mitten sprechen, eher von Mut zur Farbe und Expressivität.
Moderne D/A-Wandler sollte man nicht nur an ihrer CD-Wiedergabe messen, sie müssen mehr können. Erst bei höheren Auflösungen zeigt sich, was wirklich in ihnen steckt. Mit HiRes-Files vom PC schleicht sich eine leichte Rauigkeit ein, ein sanftes Kratzen, das ich schon kenne, es kommt vom Standard-USB-Kabel. So unmissverständlich und dennoch nachsichtig wird es mir allerdings selten vor Augen geführt. „Jump, Jive An’ Wail“ von Louis Prima (The Wildest) besitze ich als 24-Bit-Kopie und im Vinyl-Original von Speakers Corner. Analog pocht der Reed Muse auf seine Überlegenheit. Durchzugsstark und grenzenlos wirkt seine Abbildung. Louis Prima steht weit vorne, Orchester und Background-Chor minutiös gestaffelt dahinter. Eine Infusion überbordender Energie vom litauischen Referenzlaufwerk. Da staunen sowohl der Lector als auch ich anerkennend. Aber für den Digitube scheint das kein Anlass zu sein, zurückzustecken. Zwar tritt die Abbildung einen halben Schritt nach hinten und das Ende der räumlichen Darstellung wirkt greifbarer, aber die hyperaktive Schmissigkeit der Bläser und Primas gepresster Bariton scheinen fast deckungsgleich mit der LP.
Wie schon mit dem Vorgängermodell und nach Jahren, in denen ich erfolgreich verdrängt hatte, wie natürlich der Digitube klingt, habe ich auch digital tatsächlich das Gefühl, Musik zu hören. Der neue Digitube setzt sich durch eine frischere, pointiertere, zeitgemäßer wirkende Abstimmung von seinem Vorläufer ab, behält aber die wichtigste Tugend, die sich so schwer in Worte fassen lässt, bei: Musik zu hören fühlt sich einfach ganz normal an. Als legte ich eine Platte auf. Gute oder fade Musik – das ist die Frage, die mich bewegt. Nicht digital oder analog.
D/A-Wandler
Lector Digitube S-192
Funktionsprinzip: Röhren-Digital-Analog-Wandler
Röhrenbestückung: 2 x ECC81/12AT7
Eingänge: 3 x S/PDIF (Cinch, BNC, Toslink), AES/EBU (XLR), USB, Word Clock
Ausgänge: Line (Cinch), S/PDIF (BNC)
Besonderheiten: asynchrones USB (24/384), Eingang für externe Clock
Ausführung: schwarz, mit schwarzer Acrylfront
Maße (B/T/H): 43/30/11 cm
Gewicht: 8 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: 1900 €
Preference Audio
Sommerstraße 34
81543 München
Telefon 089 47077691