Test Lab 12 Gordian – Knotenkunde
Selbst komplizierteste Knoten lassen sich häufig einfach lösen – wenn man weiß wie
In der Keimzelle des modernen, demokratischen Europas, das derzeit nach 2500 Jahren wechselvoller Geschichte wieder einmal zur Disposition steht, in Athen also, versucht Stratos Vichos mit seinem kleinen Unternehmen Lab 12 Röhrenverstärker herzustellen, die Highend-Ansprüchen genügen, aber trotzdem bezahlbar sind. Dabei machte ihm das marode Athener Stromnetz aber immer wieder einen Strich durch die Rechnung. Wie soll man auch gewissenhaft entwickeln, wenn schon die Basis, die Energiequelle auf der alles fußt, korrumpiert ist? Ein Netzfilter müsste her, dachte Vichos, aber ein gutes, das nicht seinerseits wieder Barrieren einschleppte. Allerdings stellt ein gutes Netzfilter eine gehörige Investition für eine kleine Manufaktur dar, außerdem hatte Vichos hohe Erwartungen insbesondere an die informellen Aufgaben dieses Filters. Er wollte jederzeit Bescheid wissen über den Zustand des Netzstroms, der ja die Grundlage seiner Entwicklungsarbeit liefert.
Sie wissen längst, worauf das hinausläuft: Ursprünglich war das Gordian-Netzfilter ein Arbeitsgerät für Stratos Vichos, ohne als kommerzielles Produkt konzipiert worden zu sein. Aber das Ergebnis verblüffte Vichos, sein Filter lieferte nicht nur verlässliche Analyse-Daten, sondern wirkte sich auch klanglich positiv aus. Also bekam das Werkzeug eine 5-mm-Alufront und sechs griffige Steckdosen auf der Rückseite – Gordian war geboren. Sein Name, das haben Sie natürlich längst geschlossen, geht auf den mythischen Gordischen Knoten zurück, den Alexander der Große unbürokratisch mit dem Schwert entwirrt haben soll. Ähnlich wie Kolumbus’ Lösung des Kippenden-Ei-Dilemmas steht der Gordische Knoten sprichwörtlich für eine unkonventionelle, aber unmittelbar zielführende Herangehensweise. Dass dieser Name auf das Lab-12-Filter passt wie der Schuko-Stecker in die Wandsteckdose, wird sich in der Praxis zeigen.
Ungewöhnlich gestaltet sich schon die Paketannahme, ganz schön leichtgewichtig für ein Netzfilter. Man erwartet viel gewickeltes Eisen im Blechverschlag mit entsprechendem Gewicht, bekommt aber ein nur sieben Kilo leichtes, im Komponenten-Look gestaltetes Gerät, das mit sichtbaren Schrauben selbstbewusst seine technische Herkunft nicht verleugnet. Die Verarbeitung zeigt sich makellos und das Gordian-Filter macht insgesamt einen sehr hochwertigen, in jeder Hinsicht Rack-tauglichen Eindruck. Passend zur IEC-C19-Kaltgerätebuchse, liegt dem Gordian das geflochtene Lab-12-Netzkabel Knack20A bei, für das einzeln immerhin schon 200 Euro anfallen. Nachdem ich den Kippschalter über der Buchse betätigt habe, überprüfe ich auf dem Display des Gordian zunächst die korrekte Polung, danach kommen Plattenspieler, Phono-Pre, DAC und die Röhrenvorstufe CS-6LA von Cayin in die vier schwarzen, stark gefilterten Steckplätze und die beiden zugehörigen Röhren-Monos CS-845M in die blauen, schwach gefilterten Dosen für Großverbraucher. CD-Player und Tuner verbleiben weiterhin ungefiltert in der Sun-Leiste, die zwecks einfachen Umbaus direkt daneben liegt und in der benachbarten Unterputzdose steckt.
Während der ersten Tage fehlte mir häufig die Konzentration wirklich bewusst zu hören, weil mich das Display des Gordian ablenkte. Ich wollte mich aber auch ablenken lassen, denn ich hätte es über den rechten Drehschalter einfach abschalten können. Es war einfach zu interessant, die ganzen Daten in Echtzeit zu überwachen, auch wenn ich die Gesamtlage ohnehin nicht ändern könnte. Mithin eigentlich ein Argument gegen Netzfilter: Wenn man einen braucht, sollte man sich im Grunde beim Stromanbieter beschweren, immerhin bezahlt man ja für konstante Qualität. Der aber hält Schwankungen der Spannung wie bei mir zwischen 225 und 230 Volt bei einer zwischen 49,98 und 50,01 Hertz mäandernden Frequenz wahrscheinlich für vernachlässigbar. Um ehrlich zu sein, ich hatte auch Schlimmeres erwartet.
Der Drehschalter linker Hand führt einen durch das umfangreiche Menü des Gordian, wo man über den Gesamtverzerrungsfaktor des Stromnetzes oder über den Leistungsfaktor des Verbrauchersystems informiert wird. Aber nicht nur das: Hier kann man tatsächlich Einfluss nehmen und über einzelne Parameter wie das EMI-Filter den Leistungsfaktor beeinflussen. Für Experten tut sich da ein weites Feld auf, der Laie muss genau hinhören, denn nicht jede Veränderung bedeutet auch eine Verbesserung. Oder er überlässt die Konfiguration dem Gordian: In Stellung Auto passt sich das Filter selbst optimal an die Gegebenheiten an. Nach meiner Erfahrung, letztlich die beste Option und das, was den Gordian so attraktiv erscheinen lässt: Statt die Netzspannung passiv neu zu generieren, regeneriert sie die Schaltung des Gordian aktiv. Seine Filtertopologie arbeitet adaptiv, kann sich also sowohl auf Verbraucher (mit Schaltnetzteilen, Dimmern oder ähnlichem) als auch auf den Verunreinigungsgrad des Hausnetzes einstellen. Da dort so viele Unwägbarkeiten lauern wie Übergangswiderstände im Keller, bin ich sehr froh, dass Gordian selbst Rückschlüsse aus seiner Analyse ziehen kann.
Inzwischen haben sich die Röhrenverstärker aufgewärmt und ich nehme noch zur Kenntnis, dass die Cayin-Monos inklusive der restlichen genannten Komponenten, die im Vergleich jedoch fast keine Rolle spielen, üppige 400 Watt aus der Transitzone des Gordian abzweigen, bevor sich die Nadel in die Einlaufrille von Joe Jacksons Body And Soul senkt. Ein Album, das mehr audiophile Qualitäten aufweist, als man beim ersten Hören meinen möchte. Die Aufnahme klingt bisweilen ein wenig kühl, vor dem Hintergrund heutiger Kompressiontechnik vielleicht sogar dünn, aber sie ist auch sehr puristisch und frei von Effekten, lässt tief blicken und unterhält mit für einen Gesinnungs-Punk außerordentlich ausgefeilten Arrangements. Unmittelbar erscheint mir das in meiner Erinnerung etwas nervös oder fahrig gespeicherte „You Can’t Get What You Want (Till You Know What You Want)“ besser unterfüttert, geordneter und kompakter. Insbesondere Bassläufe treten in den Vordergrund und haben unzweifelhaft mehr Substanz. Das Bläser-Intro, einer der Gründe, warum sich die Scheibe dreht, ist ein hervorragender Gradmesser für Grobdynamik. Und es explodiert mindestens ebenso fetzig wie ohne Filterung, was einer sehr guten Nachricht gleichkommt, denn Netzfilter die eine Anlage dynamisch verbessern, sind echte Mangelware. Nach meiner Erfahrung muss man in diesem Punkt keine Veränderung als Gewinn betrachten. Die echten Verbesserungen des Gordian spielen sich auf der Bühne ab. Das Perkussions-Gewitter in „Cha Cha Loco“ braut sich leise zusammen und entlädt sich ohne Verzögerung. Der gefühlte Raumeindruck dehnt sich aus, aber die Ordnung bleibt stabil. Diese neugewonnene Übersichtlichkeit kommt vor allem auch den leisen, fragilen Stücken zugute. Die Ballade „Be My Number Two“ scheint dichter heranzurücken, sich gar insgesamt zu verdichten, greifbar zu werden.
Ohne Quercheck bleibt das alles natürlich nur Prosa. Während des Rückbaus, der sich immer wieder um einige Wochen verzögerte bzw. Rück-Rückbaumaßnahmen unterlag, stellte ich fest, dass mein Feickert-Plattenspieler, der über ein eigenes Akkunetzteil verfügt, den Gordian nicht so notwendig braucht wie der Revox-CD-Player. Hätte ich mir auch denken können. D/A-Wandler und Phonovorverstärker profitierten aber unzweifelhaft. Insgesamt den stärksten klanglichen Einfluss nahm Gordian übrigens auf die Cayin-Vorstufe. Verpflanzte ich nur sie in eine ungefilterte Steckdose, fehlten Glanzpunkte, die mir vorher gar nicht als Besonders aufgefallen waren. Vollends deutlich wird die durchgreifende Wirkung des Gordian immer dann, wenn ich die ganze Kette in die Sun-Leiste umstecke, die wie erwähnt, ungefiltert im selben Stromkreis liegt. Die durchscheinende Transparenz von „Be My Number Two“ erhält milchige Einschlüsse, kaum merklich geht dabei auch ein Teil der intimen Atmosphäre verloren. Das vorher so unmittelbar wirkende Gewitter aus Schlagwerk ist zu einem Knödel verklebt – „Cha Cha Loco“ gab die mitreißende Kompaktheit eines Vogelschwarms zugunsten einer Raumdeckung ohne echten Verbund preis. Für mich besteht nach diesen Testwochen kein Zweifel mehr: Wer in einer städtischen Altbauwohnung lebt, braucht einen Gordian von Lab 12. Glauben Sie nicht? Rufen Sie einfach beim Vertrieb CM-Audio an oder klicken hier, die schicken Ihnen unverbindlich für eine Woche ein zu unserem identisches Testpaket.
Netzfilter Lab 12 Gordian
Funktionsprinzip: Aktiver Netzfilter
Steckplätze: 6 Schukodosen (4 bis 1000 W/4 A, stark gefiltert; 2 bis 3500 W/15 A schwach gefiltert)
Besonderheiten: prozessorgesteuerte, adaptive Filter, Leistungsfaktor- und Blindleistungskompensation, Netzkabel Knack20A im Lieferumfang
Ausführungen: Weiß, Grau, Schwarz
Abmessungen (H/B/T): 11/43/29 cm
Gewicht: 7 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: 1640 Euro (1390 Euro ohne Netzkabel Knack20A)
Kontakt:
CM-Audio – Flöter Technology Service, Adlerstraße 46, 41066 Mönchengladbach, Telefon 02161 6782451