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Horn-Kultur BiCorn

Test Horn-Kultur BiCorn Lautsprecher

Horn-Kultur BiCorn – Horn. Kultiviert.

Nicht zuletzt die diesjährige HIGH END hat wieder bewiesen, dass man für fünf- oder sechsstellige Summen einiges geboten bekommt. Dass man allerdings auch für deutlich kleinere Beträge echte Werte erstehen kann, zeigt die kleine Horn-Kultur BiCorn.

Horn-Kultur BiCorn - BiCorn: Der Breitbänder überträgt bis 9 kHz hinauf, darüber ergänzt ihn ein DruckkammertreiberNein, bitte nicht schon wieder das Klagelied über die immer schlechter werdende Welt, in der die Preise steigen und der Euro nur noch zehn Cent wert ist … Keine Sorge. High End ist eine Luxussparte geworden und daher sind Preise in den meisten Fällen schlicht nicht diskutierbar. Was der begeisterte Kunde zu zahlen bereit ist, kann man schließlich auch verlangen …
Dass mir persönlich diese Entwicklung mächtig auf den Zeiger geht, soll nicht Ihre Sache sein, liebe Leser. Schon aus Gründen des Selbstschutzes werde ich immer wieder versuchen, den Blingbling-Krempel zu umgehen und vorzugsweise über Dinge berichten, die ihren Preis eher wert sind – zumindest in meinen Augen.
Eine kleine Bestandsaufnahme hilft bei der Verortung der Horn-Kultur BiCorn. Was bekommt man denn üblicherweise für 4000 Euro? Die Lästermäuler unter uns werden jetzt sagen: „Ein Kabel – aber nur für einen Kanal.“ Okay, Treffer. Aber dieses Thema sollte ja außen vor bleiben. Wenn wir uns ausschließlich mit Lautsprechern beschäftigen, sieht die Sache immerhin schon besser aus. Allerdings heißt es auch hier in vielen Fällen: MDF- oder Pressspan-Kiste, Standard-Design, Treiber aus den Regalen der üblichen drei bis vier Hersteller – und selbstverständlich wird mit dieser langweiligen Fließbandlösung die Lautsprecherwelt neu erfunden … mindestens.
: Gefertigt wird sie ausschließlich von etablierten Handwerksbetrieben in der Region um Köln. Das ist teurer als üblich, erlaubt aber die direkte Kontrolle aller Produktionsschritte. Und über die kurzen Transportwege, die nicht zuletzt der Umwelt zugutekommen, freuen wir uns auch. Die Lackierung des Korpus besteht aus Nextel, einem matten und leicht strukturierten (und teuren) Lack, der dank seiner akustischen Eigenschaften unter anderem auch an Schoeps-Mikrofonen zum Einsatz kommt. Das Furnier der Front passt nicht nur paarweise zusammen, sondern in seiner Maserung auch zum gut zehn Zentimeter durchmessenden Hochtonhorn aus Vollholz. Der kleine Tiefmitteltöner – eigentlich eher ein Breitbänder, da er bis 9000 Hertz läuft – wird nicht nur schlicht in die Schallwand geschraubt, sondern zusätzlich mit einem schwarzen Acrylring verblendet. Sicher nicht nötig, aber durchaus schön anzusehen.
Weitere Beispiele für den Einsatz unüblich kostenintensiver Lösungen? Bitte sehr: Der obere Teil des 160 Zentimeter langen Hornverlaufs wird mit reiner Schafwolle bedämpft, die sich, so Horn-Kultur-Chef Joachim Bembennek, in Vergleichen jedem synthetischen Material als überlegen erwies. Dann der unter dem Hornmund sitzende runde Diffusor: So richtig wichtig ist er nicht, und billigere Lösungen gäbe es auch. Allerdings klang es mit dem Diffusor doch einen Hauch besser – also rein damit. Genau wie mit der Innenverkabelung von Vovox. Und den Antispikes von Audioplan, auf denen die BiCorn besser ruht als auf allen anderen (deutlich billigeren) Spikes. So könnte es jetzt noch ein ganzes Weilchen weitergehen, doch schon jetzt haben Sie sicherlich bemerkt: Betrug am Kunden sieht irgendwie anders aus.
Rein technisch handelt es sich bei der BiCorn genau genommen um einen Breitbänder vor einem Backloaded Horn mit Hochtonunterstützung. Horn-Kultur nennt diese Konstruktion ganz bescheiden „2-Wege-Lautsprecher“, erst bei der Trennfrequenz von neun Kilohertz merkt man, dass hier doch einiges anders läuft. Wenn man das Hochtonhorn bedeckt, geht tatsächlich nur etwas Glanz und Silber verloren, alle wesentlichen Informationen kommen ganz offensichtlich von dem überraschend kleinen Tiefmitteltöner. Und doch möchte man die Höhen nicht missen, denn der kleine Druckkammertreiber zeichnet mit feinem Pinsel und leichtem Schwung, dass es eine Freude ist. Wem es vielleicht doch etwas zu silbrig wird, der kann mithilfe eines gerasterten Potentiometers auf dem Anschlussfeld den Hochtonpegel je nach Zuspieler, Raum und Geschmack anpassen. Bei mir klang es an einem Lavardin IT beispielsweise ein bis zwei Stufen unterhalb der werksseitigen Mittelstellung am ausgewogensten.
Der schon erwähnte Tiefmitteltöner bringt eine gerade einmal 125 Millimeter durchmessende Polymermembran ins Spiel. Demzufolge steigt die BiCorn auch nicht bis in den tiefsten Frequenzkeller hinab. Laut Horn-Kultur ist bei glaubwürdigen 55 Hertz Schluss. In meinem Raum lag der Minus-drei-Dezibel-Punkt nur ein paar Hertz darüber – und das bei sehr gründlicher Bedämpfung. Trotz des unter dem Hornmund platzierten Diffusors, der ja das Rundstrahlverhalten verbessern soll, verhält sich die BiCorn überaus unkompliziert, was die Aufstellung im Raum angeht. Ein wenig Unterstützung durch eine nicht allzu weit entfernte Rückwand tut dem Tiefton gut, wobei diese Nähe der Begrenzungsflächen das Klangbild auch nicht flach werden lässt. Gute 70 Zentimeter stellen sich nach mehreren Versuchen in meinem Raum als idealer Kompromiss heraus.
Horn-Kultur BiCorn - Subtile Details für besseren Klang: Mitteltondiffusor in der Hornmündung, Antispikes von AudioplanSo leicht es die BiCorn dem glücklichen Besitzer bei der Aufstellung macht – ein wenig Fürsorge benötigt allerdings auch sie. Das beginnt bei den Zuspielern. Ein kleiner Class-D-Verstärker in der Redaktion erweist sich dabei nicht unbedingt als Traumpartner, irgendetwas will hier nicht fugenlos zusammenpassen, der Klang gerät insgesamt ein wenig kantig. Mit einem kleinen Transistor wird es bei mir schon besser, ist jedoch auch noch nicht ideal. Nach mehreren Versuchen geht – mal wieder – mit meinem Lavardin IT die Sonne auf: lockerer Fluss, großer, weiter Raum, detaillierte Höhen ohne Schärfe – ich bin durchaus versucht, von einer idealen Kombination zu sprechen. Noch etwas farbiger gerät der Klang, wenn die von Horn-Kulturs Kooperationspartner MuSiCa NoVa mitgelieferte Röhrenkombination aufspielt. Da der Preis dieser klanglich äußerst erfreulichen Geräte überraschend „diesseitig“ ausfällt, ist ein Bericht in einer kommenden FIDELITY eigentlich schon ausgemachte Sache.
Auch beim Lautsprecherkabel lohnt sich ein wenig Sorgfalt, wobei ich in diesem Falle ausdrücklich nicht den finanziellen Einsatz meine. Nach einigen unterschiedlich teuren Kabeln erbrachte das Einsteigermodell von Vovox die schlüssigsten Ergebnisse. Zwar präsentierten sich mit einem formidablen WSS-Exemplar der Bass noch schwärzer und die Höhen noch feiner – geschlossener aber klingt das BiCorn mit dem günstigen Eidgenossen.
Stimmt die Umgebung und stehen die Hörner auf dem richtigen Platz, herrscht nach den ersten Tönen leichte Verwirrung: Ist das tatsächlich ein Horn? Und spielt da wirklich ein Breitbänder? Denn das gebotene Klangbild will so gar nicht zu den vielen Vorurteilen passen, die man im Laufe eines HiFi-Lebens in den entsprechenden Schubladen verwahrt.
Gustav Mahlers Neunte Sinfonie (EMI, Sir Simon Rattle, Berliner Philharmoniker) beginnt weiträumig, räumlich klar und mit wunderbar dunklen und harzigen Streicherfarben. Nein, das hat in meinem Raum bisher noch kein Horn und auch kein Breitbänder geschafft. Es klingt überraschend – normal. Das, was mich jetzt besonders freut, mag allerdings für eingefleischte Liebhaber dieser Lautsprechergattungen ein Ausschlusskriterium sein. Denn dieser pointiert anspringende, ansatzlos schnelle Charakter vieler Hochwirkungsgradlautsprecher geht den BiCorn eher ab. Lediglich im betont locker federnden Bass können sie ihre Gene nicht verleugnen. Kontrabasspizzicati wirken mit ihnen dadurch eine Spur natürlicher als mit anderen vergleichbaren Standlautsprechern. Das bekannte Paukensolo im ersten Satz wird angemessen weit hinten platziert, die Transienten eines jeden Tons werden allerdings genau in dem Maße geschärft, dass die wenigen Schläge doch eine Unmittelbarkeit erfahren, die eindeutig die Spannung erhöht. Untypisch ist wiederum die Raumabbildung, die von der Lautsprechebene ab nach hinten geht und nicht auf den Hörer zukommt. Ich habe zwar schon Hörner gehört, die Räume ähnlich präzise und tief abbildeten, doch dann waren immer deutlich höhere Preise im Spiel!

Der lockere Bass bestimmt auch die nächste Musik: Eine neue Produkion aus dem Hause Winter & Winter, Standards Plus One von Paul Motian, landet im CD-Player. Im zweiten Track, „How Deep Is The Ocean“, werden die vielen Improvisationen von einer ungemein entspannten Basslinie getragen; typisch Irving Berlin eben. Hier bieten die BiCorn durchaus noch genug Tonsubstanz, faszinierend ist aber die natürliche Attacke, mit der jeder Ton auf die Reise geschickt wird. Durch sie und das klare Ausschwingen jeder Note entsteht ein wunderbarer Fluss, der den anderen Stimmen zugleich Stütze und Antrieb bietet. Kompliment.
Irgendwann schneit noch der Halbwüchsige unserer Nachbarn herein, der irgendwie immer mitbekommt, wenn hier neue Lautsprecher stehen. Und ganz zufällig hat er dann auch meistens CDs dabei. Also muss ich noch eine Runde Elektrostampf über mich ergehen lassen. Danach weiß ich immerhin, dass die BiCorn wegen ihres flinken Antritts auch hier nichts anbrennen lassen. Auch wenn er sich in den untersten Lagen noch das ein oder andere Pfund mehr gewünscht hätte, ist der Nachbarsjunge begeistert. Ansonsten bietet dieser Ausflug keine neuen Erkenntnisse für mich. Was soll mir denn auch eine Musik klangfarblich und räumlich erzählen, die zigfach durch den digitalen Wolf gedreht wurde beziehungsweise sogar in ihm entstand …
Ich könnte jetzt noch mit wirklich gemeiner Kost – einem gut aufgenommenen und perfekt aufeinander eingespielten Streichquartett – den Timingfähigkeiten des Lautsprechers auf den Zahn fühlen. Allerdings kann bei einem Breitbänder prinzipbedingt nichts verschmieren. Und so steht das Hagen Quartett glasklar vor mir, jede noch so feine zeitliche Verschiebung innerhalb des Ensembles wird mühelos dargestellt. Was auch dafür spricht, dass das Horn sauber berechnet und ausgeführt wurde.
Bleibt also nur festzustellen, dass es sich bei der Horn-Kultur BiCorn um eine veritable Best-buy-Offerte handelt. So viele Lösungen und Extras, die den Herstellungspreis nach oben treiben, habe ich in dieser Preisklasse noch nicht erlebt. Ein wirklich kultiviertes Horn, das vielleicht nicht jeden Hornfetischisten ansprechen wird – den unvoreingenommenen Musikhörer dagegen umso mehr.

 

Horn-Kultur BiCorn

Prinzip: 2-Wege-Downfire-Hornlautsprecher
Wirkungsgrad: 92 dB/1 W/1 m
Nennimpedanz: 8 Ω
Bestückung: 125-mm-Tiefmitteltöner (Backloaded Horn), 25-mm-Druckkammertreiber
Besonderheiten: regelbares Hochtonhorn, Downfire-Basshornmündung mit Mitteltondiffusor, Audioplan-Antispikes und Vovox-Innenverkabelung serienmäßig
Ausführungen: Korpus Nextellack anthrazit, MPX-Schallwand klarlackiert oder furniert (Ahorn, Birke oder Kirschbaum; andere Furniere gegen 500 € Aufpreis), Hochtonhorn in diversen Vollholzvarianten, optional lackiert; echter Klavierlack gegen 2000 € Aufpreis
Maße (B/H/T): 20/93/27 cm
Gewicht: 20 kg
Garantiezeit: 3 Jahre
Paarpreis: ab 3990 €

 

Horn-Kultur, Joachim Bembennek
Gießelbach 48
53809 Ruppichteroth
Telefon 02295 9089342

www.horn-kultur.de

 

Mitspieler:
Plattenspieler: Transrotor Apollon
Tonarm: SME V
Phonoverstärker: ifi iPhono
CD-Player: Mark Levinson 390S
Diverse Computer und Music Player
Verstärker: Lavardin IT
Lautsprecher: Diapason Adamantes 25th, Spendor S3/5SE
Raum: 31 qm, akustisch mit Diffusoren und Absorbern auf sinnvoll kurze Nachhallzeiten und weitgehend frequenzunabhängige Diffusion gebracht

Die angezeigten Preise sind gültig zum Zeitpunkt der Evaluierung. Abweichungen hierzu sind möglich.