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Fonica Flag L

Test Fonica Flag L active

Fonica Flag L active – Durch Raum und Zeit

Flächenstrahler können süchtig machen. Die Art und Weise, wie dieses Schallwandler-Prinzip einen Raum mit Musik flutet. Die Mühelosigkeit, mit der das geschieht. Und die frappierende Unmittelbarkeit, in der praktisch jedes Schallereignis über die Rampe gebeamt wird. Die neue Fonica Flag L kann alles das und noch viel mehr.

Die Bitte für diesen Test kam überraschend. Und sie löste bei mir spontane Freude aus, denn ich habe seit langem ein großes Faible für Lautsprecher, die wie Paravents aussehen, die kein mit Holz umbautes Volumen benötigen, um zu klingen, um für Adrenalinausschüttungen zu sorgen und das Herz zum Hüpfen zu bringen.

Fonica Flag L
Fonica Flag M, L und S (v.l.n.r.)

Leider kosten gut gemachte Exemplare der Gattung Flächenstrahler nicht nur vergleichsweise viel Geld, sie sind auch anspruchsvoll in Sachen Raum. In mein kleines Arbeitszimmer stelle ich mir große Flächenstrahler gar nicht erst hinein, denn das wäre, als schnitte man einen Sänger von der Sauerstoffzufuhr ab.

Ist genug Platz vorhanden, die hochgewachsene Fonica Flag L active – es gibt übrigens auch eine Passiv-Version der Zwei-Meter-Schallwandler – mit vernünftigem Abstand zu Rück- und Seitenwänden aufzustellen, danken die bildhübschen Italienerinnen das mit ihrem fast völligen Verschwinden. Soll heißen, die beiden in der Testversion unauffällig grauen Klangpaneele entstofflichen sich gleichsam, treten völlig hinter der Musik zurück, bis der Eindruck, einer Konserve zu lauschen, fast völlig gewichen ist.

Fonica Flag L
Die schmalen Schallwandler bieten reichhaltige Farbenspiele – sowohl klanglich als auch in der Bespannung

Obwohl sie im Gegensatz zu vergleichbaren Konstruktionen keinen gesonderten Subwoofer (den zu integrieren bei der vorliegenden vollaktiven Lösung sicherlich keine Staatsaktion wäre) besitzt, steigt die Fonica Flag L active beeindruckend tief in den Basskeller hinab.

Auf der nagelneuen CD Vocalise (Sony Music) hat sich die junge katalanische Sopranistin Nuria Rial mit den „Acht Cellisten des Sinfonieorchesters Basel“ zusammengetan – ein gut gelauntes Miniatur-Streichorchester, in dem Klangkultur groß geschrieben wird. Herausgekommen ist ein reizvolles Crossover-Projekt unter anderem mit Piazzolla-Kunsttangos und wortlosen Kantilenen aus den „Bachianas Brasileiras“ von Heitor Villa-Lobos. Mit viel natürlicher Rauminformation sauber im Studio aufgenommen und so gut aufgelöst, dass man förmlich das Kollophonium vom Cellobogen stauben sieht – zumindest über die in dieser Hinsicht sehr souverän die Auflösungskarte spielende Fonica Flag L active.

Fonica Flag L
Fonica Flag L active: Lautsprecher, die zum Sofa passen – egal welchem.

Dabei bleibt das Klangbild immer eine homogene Sache, bröselt nicht in einzelne Schnipsel auseinander, sondern gibt sich durchwegs rund und glaubwürdig, was auch durch den Verzicht auf fragwürdig spektakuläre Effekte erzielt wird. Die Fonica Flag L active kann zwar dank ihrer 400 Watt pro Kanal starken, mit einem Digitalen Sound-Prozessor (DSP) in der Charakteristik an den Raum anpassbaren Class-D-Endstufen auch ordentlich laut aufspielen – aber wer einen PA-Lautsprecher für hardrockige Schwermetall-Orgien sucht, wird mit anderen Lautsprechern definitiv glücklicher.

Fonica L Flag L

Die Domäne der schlanken Italienerinnen, die es übrigens gegen moderate Aufpreise in praktisch jeder nur denkbaren Rahmenfarbe und/oder mit bedrucktem Bespannstoff gibt, sind eindeutig die subtilen Nuancen, die feinen Töne, die immens wichtigen, weil Bedeutung tragenden Details. Das ist volle HiRes-Tauglichkeit, mit entsprechendem Musikmaterial können die Dipole gigantisch wirkende virtuelle Räume aufspannen.

Fonica L Flag L
Es gibt die Fonica Flag L sowohl als aktiven wie auch als passiven Magnetostaten

Da kommt die Neuauflage einer altbekannten Aufnahme gerade recht: Analogue Productions hat den RCA-Klassiker Belafonte At Carnegie Hall im Jahre 2014 als SACD herausgebracht. Nicht die erste und vielleicht auch nicht die letzte hochaufgelöste Version des am 19. und 20. April 1959 eingespielten, aufgrund seiner überlegenen Klangqualität zurecht legendären Albums. Man muss sich vor Augen halten, dass es die ganz frühe Stereo-Ära war, als die hinreißende Performance des Ausnahmesängers Harry Belafonte auf Tonband gebannt wurde. Dass sich im Laufe der Jahrzehnte danach Generationen von Remastering-Experten an der Platte ausprobiert haben, spricht für das Ausgangsmaterial. Die Analogue-Productions-Fassung von 2014 ist eine SACD aktueller Machart: ohne Löcher im Frequenzspektrum und ohne überzogene Klanggimmicks. Wer seine abgespielte Analog-LP schon lange ersetzen wollte, wird hier wenig bis nichts im Vergleich zum Vinyl vermissen. Schon gar nicht, wenn die Fonica Flag L active den Job übernimmt, die Luft in Bewegung zu setzen. Das Ohr gaukelt dem Hörer vor, tatsächlich in der vierten oder fünften Reihe der Carnegie Hall mittig vor Band, Orchester und Solist zu sitzen. Die Räumlichkeit ist so punktgenau wie bei einem guten Koaxiallautsprecher, die Tonalität angenehm ausgewogen – und diese per se extrem durchdringende Belafonte-Stimme transportiert zwar ein riesiges Maß an Mittelton-Energie, aber sie wird nie nervig, was selbst deutlich teureren Flächenstrahler-Kollegen der Fonica Flag L active nicht immer vollends gelingt. „O When The Saints Go Marchin’ In“ wird zur locker swingenden Mitschnipp-Nummer. Das soll alles schon fast 60 Jahre her sein? Unmöglich.

Jetzt muss ich das bescheiden auftretende Schallwandler-Pärchen aus Italien aber doch mal ein wenig quälen. Mit Pop- und Rockscheiben, die bestens dazu geeignet sind, Lautsprechern ihre Grenzen aufzuzeigen. Zum Beispiel David Crosbys feines Soloalbum Croz (Blues Castle Records) mit tiefreichenden Bässen, schneidenden und „teuer“ klingenden E-Gitarren und einer Stimme, wie sie unverwechselbarer kaum sein kann. Diese Silberscheibe ist auch dynamisch anspruchsvoll, von den Anforderungen an die Impulsfestigkeit der wiedergebenden Elektronik ganz zu schweigen. Die Fonica Flag L active absolviert dieses Programm mit unbedingter Präzision, einer ganz großen Spannbreite zwischen laut und leise und einer Körperhaftigkeit, wie man sie normalerweise eher von konventionellen Boxen mit ziemlich viel umbautem Raum erwarten würde.

Dabei behelligen die nach dem Magnetostaten-Prinzip funktionierenden Flächenstrahler ihren Besitzer so gar nicht mit Produktionsfragen, regen trotz relativ hoher Detailfülle nicht dazu an, über Mikrofonaufstellung oder Aufnahmeverfahren nachzusinnen, sondern ziehen unentrinnbar in die Musik hinein. Schon wieder eine Stunde mit genussvollem Hören verschwendet. Ich will doch endlich diesen Test fertig schreiben! Was einem die Fonica Flag L active nicht leicht machen, denn sie brennen selbst bei kleinen Besetzungen ein buntes Feuerwerk von Klangfarben ab. Und gerieren sich einmal mehr als Meister von Raum und Zeit. Plötzlich entdecke ich weiter hinten im Plattenregal die Solo-CD Velvet Night des verstorbenen Quadro-Nuevo-Mitgründers Robert Wolf. Der war nicht nur einer der versiertesten Virtuosen und stilprägende Ausnahmeerscheinung unter den Vertretern der Gitarristenzunft, er hatte auch ein ausgeprägtes Gespür für guten Klang. Velvet Night lebt vom sehr gezielten Einsatz der unterschiedlichsten Instrumente, von der perfektionierten Gratwanderung zwischen Jazz und Weltmusik, bei der Wolfs zwingendes Gitarrenspiel im Mittelpunkt steht und sich dennoch nahtlos ins große Ganze integriert. Kaum vorstellbar, dass diese Integration irgendeiner konventionellen Box besser gelingen kann als der fein ausbalancierten Fonica Flag L active.

Fonica Flag L
Viele Lichtjahre von der Erde entfernt dringt die Fonica Flag L in Galaxien vor, die nie ein Lautsprecher zuvor gesehen hat.

Just for fun noch ein wenig harten Rock aufgelegt. Die fünfköpfige Schweizer Band Souls Revival wandelt hörbar auf den Spuren von Soundgarden und Audioslave und hat 2017 in Ralph Zünds Studio (2Inch Records) eine feine Live-Session im starken, voll analog produzierten „straight2tape“-Verfahren abgeliefert und als limitierte LP-Edition veröffentlicht. Magnetostaten sind zwar bekanntlich keine dezidierten Rockboxen, die Fonica Flag L active ziehen sich aber – vor allem mit der leicht bassbetonenden Kurve des vierstufig einstellbaren Sound-Prozessors – würdig aus der Affäre, was einem ab und an etwas härteren Stoff konsumierenden Bluesfan wie mir völlig reicht.

Am Ende kehre ich zu dem zurück, was die Fonica Flag L active am allerbesten können: Jazz und orchestrale Klassik. Der Violinzauberer Tibor Varga spielt auf seiner Guarneri del Gésu von 1733 Wolfgang Amadé Mozarts A-Dur-Violinkonzert (KV 219, erschienen bei Philharmonia). Die tadellos produzierte LP ist ein klingender Beleg für das Potenzial, das im Vinyl steckt. Über die Fonica Flag L active wird daraus ein rauschendes Klassikfest mit einem plastisch im Raum stehenden Solisten und einem absolut größenrichtig abgebildeten Orchester. Man badet förmlich in Wohlklang. Und vergisst schließlich – und schon wieder – Zeit und Raum …

 

Fonica Flag L active

Prinzip: magnetostatischer Flächenlautsprecher, 2 Wege, vollaktiv
Leistung der eingebauten Verstärker: pro Einheit 2 x 400 Watt (Class D)
Eingang: symmetrisch (XLR)
Ausgang (zum Koppeln mehrerer Systeme): symmetrisch (XLR)
Besonderheiten: integrierter Digital Sound Processor (DSP) mit 4 wählbaren Raumanpassungs-Kurven; Optionen: Rahmen in Wunschfarbe (900€), bedruckte Frontbespannung (800€)
Maße mit Fuß (B/H/T): 38/197/40 cm
Gewicht ohne Standfuß: 25 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Paarpreis: ab 11990 €

 

www.robertross.de

 

 

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