Falcon Acoustics LS3/5a – Willkommen zurück!
Der vielleicht berühmteste alphanumerische Code der Lautsprecher-Welt lautet LS3/5a.
Fotografie: Ingo Schulz
Das ist nicht einfach ein Zweiwege-Monitor. Das ist der Zweiwege-Monitor. Nicht wenige, die den Winzling mit Rundfunklizenz kennen, dürften hinzufügen: Muss man wenigstens einmal im Leben gehört, besser noch: besessen haben. Dann würden sie in zunehmend euphorischem Ton fortfahren: Diese Stimmenwiedergabe! Diese Natürlichkeit! So offen und durchsichtig! Besseres hat es nie gegeben!
Kurzer Realitätscheck. Der Monitor LS3/5a ist ein Arbeitsgerät. Er wurde vom britischen Rundfunk BBC Anfang der 1970er Jahre entworfen und gemäß den technischen Möglichkeiten dieser Zeit realisiert. Damals brauchte man einen kleinen Kontrolllautsprecher zum Einbau in den Übertragungswagen. Die entsprechend der hausinternen Systematik LS3/5a („3“ für Außeneinsatz, „5“ als fortlaufende Nummerierung, „a“ für die erste und einzige Modifikation) getaufte Box wurde in der BBC-Forschungseinrichtung Kingswood Warren entwickelt und zunächst in 20 Nullserien-Paaren im Haus gebaut. Dann wurden Lizenzen an externe Hersteller vergeben, darunter KEF, Rogers, Chartwell, Spendor und Harbeth, um nur die wichtigsten zu nennen. In den folgenden zwei Dekaden gingen an die 100 000 Paare über die Ladentheke. Ein gigantischer Erfolg – weswegen es nicht verwundert, dass seit 1974 kein Jahr vergangen ist, in dem nicht irgendwo in England Mylar-Hochtöner und Bextren-Tieftöner in BBC-lizenzierte Birkensperrholzgehäuse geschraubt wurden.
Auftritt Malcolm Jones. Der Brite hat in jungen Jahren als Angestellter des Lautsprecherherstellers KEF die Treiber entwickelt, die später in der LS3/5a Verwendung finden sollten: den Hochtöner T27 mit seiner Membran aus dem damals nagelneuen Kunststoff Mylar und den Mitteltieftöner B110 mit dem charakteristisch glänzenden, beschichteten Bextren-Konus. 1972 machte Jones sich mit seinem eigenen Unternehmen Falcon Acoustics selbständig und vertrieb fortan Chassis und hochwertige, teils selbst produzierte Frequenzweichen-Bauteile. Eine Bewerbung um die Lizenz zum Bau der LS3/5a im Jahr 1982 scheiterte. Immerhin konnte Falcon in der Folge Frequenzweichen an die Lizenzfertiger Goodmans und RAM zuliefern. 1985 bot Falcon einen unlizenzierten Lautsprecherbausatz mit dem Namen „B110/T27 Monitor Quality Compact“ an.
2006 erreichte Malcolm Jones das Rentenalter. 2009 verkaufte er seine Firma an Jerry Bloomfield. Dann erhielt Falcon Acoustics die Lizenz zum Bau der LS3/5a.
Heute ist Malcolm Jones 75 Jahre alt und nach eigener Aussage der letzte Zeuge der vollständigen Geschichte des ikonischen britischen Minimonitors. Der Beweis, dass er nicht nur willens, sondern tatsächlich in der Lage ist, eine zu hundert Prozent authentische, dem BBC-Original von 1974 insbesondere klanglich ebenbürtige LS3/5a zu bauen, ist seit 2014 für knapp 3000 Euro käuflich zu erwerben.
Es gibt einfachere Aufgaben als den Bau ausgerechnet dieser Box. Ein lizenzgerechtes Gehäuse muss aus Birkensperrholz mit eindeutig definierten Resonanzeigenschaften bestehen. Details wie Menge und Platzierung der Dämmmatten im Boxeninneren folgen sehr genauen Vorgaben. Der fertige Lautsprecher soll so weit wie möglich luftdicht sein, um dem Tieftöner bei seiner Rückwärtsauslenkung den vom Konstrukteur vorberechneten Luftdruck entgegenzusetzen. Ein komplettes Gehäuse für eine LS3/5a, erzählte man sich schon in den 1970ern, sei ein kalkulatorischer Albtraum.
Dann ist da das Problem der Werkstoffe. Bextren, das Material für den Tieftonkonus, ist in der originalen chemischen Formel heute nicht mehr erhältlich. Falcon Acoustics musste sich eigens für die Chassis-Fertigung eine eigene Mischung anfertigen lassen. Auch das synthetische Tygan-Gewebe, aus dem die akustisch wirksame Frontabdeckung besteht, wird nicht mehr hergestellt. Da konnte man immerhin auf alte Bestände bei spezialisierten Lieferanten zugreifen. Nur mit sehr viel Glück war die Hochtönerabdeckung aus gelochtem, schwarzlackiertem Messing als Originalkomponente aufzutreiben. Wenigstens lag die komplexe, mit exakt auf die Treiber zugeschnittener Equalisierung konzipierte 15-Ohm-Frequenzweiche schon bei Falcon in der Schublade.
Die Falcon Acoustics LS3/5a trifft in einer exquisiten Walnussfurnier-Ausführung bei mir ein. Dass der Lautsprecher so gar nicht nach Seventies aussieht, liegt am modernen vergoldeten Anschlussterminal. Der Zeitsprung kommt nach dem Abnehmen der Frontbespannung: angetackertes Klettband, Kreuzschlitzschrauben, dicker Filz rund um den Tweeter – Vintage-Charme, wo man hinsieht. Auf der Rückseite jeder Box informiert ein großformatiger Aufkleber stolz über Handarbeit und Herkunft aus Oxford, England.
Eine perfekt austarierte, absolut wackelfreie Aufstellung der Lautsprecher ist ein Muss für optimalen Klang. Ich habe zum Glück einen Satz stabiler Metallständer parat: die Linn Kan Stands. Ist es Zufall, dass die Stellfläche millimetergenau passt? Ganz und gar nicht. Die durchaus auch legendäre Zweiwegebox Linn Kan wurde 1979 in originalen LS3/5a-Gehäusen aus der Taufe gehoben.
Ein passender Verstärker ist schnell gefunden. Abgesehen vom niedrigen Wirkungsgrad stellt der hochohmige Wandler keine großen Anforderungen an die Elektronik. Stabile 25 Watt sind ein guter Richtwert. Die meiste Zeit über wird der Class-A-Vollverstärker Sugden IA-4 die Engländerinnen antreiben. Bei Falcon nutze man ebenfalls Sugden-Elektronik, erfahre ich im Laufe des Testzeitraums, die beiden Firmen kooperieren.
Eigentlich ist der weltweite Kult um die LS3/5a ein Wunder. Die Box ist zu klein, um echten Bass zu erzeugen. Wirklich laut geht sie auch nicht. Das Konzept der BBC sah sie als „Grade II monitor“ vor, gedacht für Kontrollzwecke in der Aufnahmesituation. Fehler sollten sofort hörbar sein, weswegen der Frequenzgang einige nach heutigen High-End-Maßstäben waghalsige, sehr genau definierte Abweichungen vom linearen Ideal verordnet bekam – namentlich einen Tieftonfülle simulierenden Boost bei 160 Hertz und einen die Durchsetzungskraft fördernden sanften Hochtonanstieg. Eigenheiten des nicht einfach zu beherrschenden, dafür aber mit exquisit reiner Stimmwiedergabe glänzenden Tieftöners bügelte die equalisierende Frequenzweiche aus. Für die verlässliche Beurteilung von Klangfarben gab es ja die auf tonale Akkuratesse entwickelten „Grade I“-Monitore in den Produktionsstudios.
Charakterstärke ist auch den LS3/5a von Falcon Acoustics wahrlich nicht abzusprechen. Damit jagen sie mich die ersten Stunden hin und her im Hörraum und signalisieren erst Kooperationsbereitschaft, als sie stark auf den Hörplatz eingewinkelt rund 65 Zentimeter vor der Wand und ziemlich genau zwei Meter auseinander stehen. Jetzt rastet alles ein: Mein Sessel landet an der Stelle, wo der Raum dem schon stark abfallenden Tiefton der Falcons einen perfekt dosierten Boost mit auf den Weg gibt. In den folgenden Wochen werde ich, was Bandbreite betrifft, rein gar nichts vermissen.
Die Falcon-LS3/5a beeindruckt mit einem dezidiert offenen Klangbild, das ungemein tief in Aufnahmeräume hineinblicken lässt. Vergleiche mit Elektrostaten finden sich ja in Hörberichten aus den 80er und 90er Jahren zuhauf. Und tatsächlich lassen die Ablösung des Klanges von den kleinen Gehäusen und die schlackenlose Wiedergabe des mittleren Frequenzbereichs an die Transparenz von Folienwandlern denken.
Lebendigkeit und Timing gehören auch zu den Schokoladenseiten der Minimonitore. Wenig Masse beschleunigt gut. Dazu sind die beiden Chassis in den kleinen Schallwänden sehr nah beieinander montiert, sodass der Zeitversatz zwischen Hoch- und Tieftöner gering bleibt. Klaviertöne erklingen so betont homogen. Überhaupt, das kleine Format: Selbst mit dem Ohr nur Zentimeter vor der Schallwand meint man, vor einer veritablen Klangluke zu stehen – das tönt unfassbar geschlossen und artikuliert, fast wie ein Breitbänder. Nahfeldmonitor eben.
Der leichte Präsenzanstieg macht sich auf verschiedene Arten bemerkbar. Die LS3/5a kann dank dieser quasi fix eingebauten Hochton-Loudness wie kaum ein zweiter Lautsprecher leise spielen, ohne dass spürbar Informationen verloren gingen. Ich lerne das im Altbau-Mehrfamilienhaus mit schalldurchlässigen Decken und Böden sehr schnell schätzen. Bei Stimmen und Streichinstrumenten bewirkt die BBC-Balance eine den Hörer unmittelbar packende tonale Griffigkeit. Bei Violinen wird so der Metallanteil der Spielsaiten betont, Sänger treten zum Greifen plastisch in den Vordergrund.
Um festzustellen, wo genau wir da stehen, höre ich mir zum Vergleich ein zur Verfügung gestelltes Paar Vintage-LS3/5a von Chartwell an, außerdem die vom BBC-Design entfernt inspirierte 15 Jahre junge Spendor S3/5 aus eigenem Besitz. Die Chartwell wirkt, pardon: gut abgehangen – reif und vollmundig, aber keinesfalls zahnlos, eine „noble“ LS3/5a mit besonderer Finesse. Die Falcon erscheint da spektakulärer und einen Tick exhibitionistischer. Sie macht regelrecht an. Die Spendors sind in diesem Vergleich eine ganz andere Baustelle. Die S3/5 ist linearer, aber auch zahmer. Sie verfügt rundum über eine ausgewogene Energiebalance, was sie für sich genommen zu einer großartigen Box macht. Hat man aber zuvor die ungestümen Falcons genossen, gerät die Vernunft in Erklärungsnot.
Nach einigen viel zu kurzen, dafür umso eindrücklicheren LS3/5a-Momenten in meinem bisherigen Leben waren die Wochen mit den so liebevoll wiederbelebten Neuauflagen von Falcon Acoustics noch mal ein echter Ohrenöffner, um nicht zu sagen ein Bildungsurlaub. Stellte ich mir anfangs noch die Frage nach dem Warum, bleibt jetzt zu konstatieren: Was die BBC-Ingenieure da vor über 40 Jahren ersonnen haben, kann bis heute gestandene High-End-Platzhirsche in Erklärungsnot bringen. Eine LS3/5a ist ein Kommunikationstalent sondergleichen. Die LS3/5a, die Falcon Acoustics heute in eine vollkommen andere Audio-Welt als jene der 1970er entlässt, ist trotz oder gerade wegen ihres einmaligen Charakters eine unschätzbare Bereicherung für die internationale HiFi-Gemeinde. Welcome back!
Lautsprecher
Falcon Acoustics LS3/5a
Funktionsprinzip: 2-Wege-Kompaktlautsprecher, geschlossen
Wirkungsgrad: (2,83 V/1 m): 83 dB
Nennimpedanz: 15 Ω
Bestückung: 12,5-cm-Bextren-Tiefmitteltöner, 19-mm-Mylar-Kalottenhochtöner
Ausführung: Walnuss, Kirsche, Rosenholz, Eibe
Maße (B/H/T): 19/30/16,5 cm
Gewicht: 5,3 kg
Garantiezeit: 5 Jahre
Paarpreis: 2990 €
Gaudios KG
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Österreich
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