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Esoteric E-02 Phonovorverstärker

Test Esoteric E-02 Phonovorverstärker

Esoteric E-02 – Völlig aufgelöst

Im Grunde ist die passive Entzerrung von Schallplatten zu Ende entwickelt. Es gibt nur noch ein paar Details zu klären.

Esoteric E-02 Phonovorverstärker

Mit der E-03 verfügt Esoteric über eine der besten Phonovorstufen, die diese antiquierte Nischentechnologie innerhalb der Nische „High End“ anzubieten hat. Aber das reichte der einst als Luxustochter von TEAC gegründeten und inzwischen unter dem gemeinsamen Dach von Pioneer und Onkyo beheimateten japanischen Edel-Manufaktur nicht. Esoteric pflegt einen erhabenen Blick über die Konkurrenz zu werfen, weshalb der E-02 – nicht als Nachfolger, sondern als Ergänzung nach oben – notwendig wurde. Symmetrisch von Anfang bis Ende, mit diskreten Baugruppen, doppelter Stromversorgung inklusive zweier Trafos, deren einer manchem Vollverstärker genügen muss, und selbstverständlich ordentlich aufgeräumt aufgebaut. Im unzerstörbar anmutenden Gehäuse des E-02 steckt eine prächtige, tatsächlich durchgängig symmetrische Schaltung bis zur passiven RIAA-Entzerrung und dem speziellen HLCD-Impedanzwandler in der Ausgangsstufe, der bei unsymmetrischen Eingangssignalen im Parallelbetrieb arbeitet. Davor werden RCA-Signale direkt nach dem Eingangsverstärker symmetriert und durchlaufen bis zur Ausgangsstufe denselben Weg wie die lupenrein symmetrische Signalverarbeitung nach dem XLR-Eingang, der im E-02 exklusiv MC-Systemen vorbehalten ist. Eine Option, die mir leider verschlossen bleibt. Nichtsdestotrotz fühle ich mich mit meinem Mørch DP-8, der ein Phasemation PP-500 führt, und dem überragenden ViV Laboratory Rigid Float Ha mit MC Sumile inklusive Audio-Note-Übertrager ausreichend gerüstet, dem Edel-Entzerrer auf den Zahn zu fühlen.

Die Ausgangslage

Das Sumile findet via Übertrager und Audio-Note-Kabel am RCA-1-Eingang Anschluss, das ebenfalls japanische Phasemation mit 300 Ohm abgeschlossen am Eingang RCA 2 – der dritte bleibt als dezidiert symmetrischer XLR-Eingang am linken Frontschalter ungenutzt. Impedanzen lassen sich bequem über den Stufenschalter rechterhand wählen, in sieben Schritten von 100 Ohm bis 10 kOhm sogar in ungewöhnlicher Breite. Die 47-kOhm-Stellung schaltet automatisch unter Umgehung des MC-Vorvorverstärkers auf den MM-Eingang und erspart sich damit 26 Dezibel Verstärkung, bekommt aber mit 40 Dezibel während der RIAA-Entzerrung immer noch mehr als ausreichend Unterstützung. Schnellrechner wissen es schon: macht summa summarum propere 66 Dezibel Verstärkung für MC-Systeme über die Cinchbuchsen. Für den XLR-Eingang darf man bei doppelter Ausgangsspannung noch 6 Dezibel dazurechnen. Der Vollständigkeit halber muss ich noch erwähnen, dass die XLR-Buchsen alternativ auch als „ES-LINK Analog“-Verbindung genutzt werden können; ein proprietärer Standard, der die Kommunikation mit anderen Esoteric-Komponenten optimiert.

Esoteric E-02 Phonovorverstärker

Störenfriede unerwünscht

Neben Mono-Schaltung und Subsonic-Filter findet sich auf der Front ein ominöser mit „Demag“ beschrifteter Taster. Damit soll sich bei aufgelegter Platte ein 30-sekündiger Demagnetisierungsprozess des Tonabnehmers und Übertragers in Gang setzen. Tatsächlich bilde ich mir ein, während der ersten Anwendungen bei beiden Systemen eine Verbesserung wahrgenommen zu haben – was in sich schlüssig wäre, denn eine eventuelle Remagnetisierung braucht ihre Zeit. Geniales Feature! Alle Bedienelemente rasten entweder von beruhigendem Relaisklacken begleitet und sanft auf Kugellagern rollend ein oder haben einen definierten Druckpunkt. Das Chassis der E-02 gleicht einer Trutzburg, gewappnet gegen äußere Angriffe aller Art, und steht ziemlich unbeeindruckt auf drei schweren metallenen Füßen mit patentierten inversen Spikes. Unter dem massiven Aludeckel offenbart sich ein ebenso ordentliches wie sinnvolles diskretes Platinenlayout mit sehr hochwertigen Bauteilen, Schlitzaufnahmen im Boden entkoppeln alle Platinen einzeln und sollen gegenseitige Beeinflussungen unterbinden.

Esoteric E-02 Phonovorverstärker

Stille Tiefe

Nach dem Einschalten und Umlegen der Quellenwahl am Vollverstärker Genuin Straight verwandelt die E-02 vollkommene Stille in erhabene, erwartungsvolle Ruhe. Schon in der Einlaufrille der ersten sauber gepressten LP, in diesem Fall das Rough And Ready-Reissue der Jeff Beck Group von Speakers Corner, deutete sich an, was man als Fazit stehen lassen könnte, ich aber noch nicht vollständig verraten will, weil ich schließlich zum damaligen Zeitpunkt auch noch nicht abschätzen konnte, wie umfänglich das Phänomen des endlosen leeren Raumes die Fähigkeiten dieses superben Phonovorverstärkers bestimmen würde. Zunächst verblüffte mich der staubfreie schwarze Hintergrund, der die betagte Bluesrock-Scheibe irgendwie adelte. Dann fiel mir die Griffigkeit im Tiefton auf – wirklich tief, nicht nur effektvoll knarzend. Allürenfrei, aber mächtig, mit sehnenhafter Kraftentfaltung und doch zurückhaltender Präsentationsfläche für den filigranen Mittel-/Hochton. Zum ersten Mal konnte ich den angeblich starken Jazz- und Funkeinschlag dieser Scheibe in der feinsinnigen Melodieführung, die sich sprichwörtlich aus dem Blues-Schema herausschält, nachempfinden.

Freiheit ohne Grenzen

Wie viele symmetrische Geräte zeichnet sich auch die E-02 durch die souveräne Gelassenheit eines Felsens im Bällebad aus. Gemäß ihrem hohen Entwicklungsstand hat sie adoleszente Tugenden wie absolute Leidenschaft und ungestüme Direktheit, Sturm und Drang im Sinne eines übereilten „Vorwärts, schneller!“ längst überholt. Große Übersicht und wie natürlich erscheinende innere Ordnung prägen das Gesamtbild, aber die E-02 ermöglicht auch den Zoom auf kleinste Details mit verblüffender Feinauflösung. Wattstax – The Living Word hinterlässt als (Studio-)Soundtrack/Livealbum klanglich einen zwiespältigen Eindruck, es fehlt ihm wie vielen Dokumenten von Open-Air-Auftritten an Druck und räumlicher Definition, glaubte ich zumindest bislang. Der mangelnde Punch lässt sich zwar auch von Esoteric nicht wiederherstellen, aber der Raum, den die E-02 über Publikumsreaktionen und Aktionen von der Bühne (Motorräder bei Isaac Hayes) aufspannt, wirkt so dicht, so konkret, als befände man sich selbst unter freiem Himmel. Plötzlich habe ich Lust auf einen Spaziergang am Venice Beach (Watts ist ein Stadtteil von Los Angeles), aber gleich betritt Albert King die Bühne, das will ich keinesfalls verpassen. Nicht nur seine Performance im Rahmen dieses „schwarzen Woodstocks“, sondern auch die von Carla Thomas, Eddie Floyd und vor allem die der Bar-Kays vermitteln ein unfassbar euphorisches Aufbruchsgefühl. Riskante Improvisationslust und unbändige Spielfreude treffen in den jeweils kurzen Sets aufeinander und inspirieren sich in den besten Momenten zur eigentlich paradoxen Vollkommenheit einer Jamsession. Nicht nur ein Musikfestival, sondern ein Fest der intuitiven Musikalität, man muss es nur aus der Rille kitzeln können.

Auflösungserscheinungen

Die Esoteric E-02 kann es. Und wie! Wahrscheinlich besser als jede Phonovorstufe, die ich bislang singulär zu beurteilen hatte. Ihr größtes Pfund ist die Raum und im Falle von Wattstax auch Zeit überwindende, ausufernde Auflösung bis in den wirklich allerletzten Winkel. Natürlich gilt das nicht nur für Liveaufnahmen, ich habe beispielsweise zum mutmaßlich ersten Mal in diesem Jahrtausend wieder mit Genuss und angehaltenem Atem, weil noch das leiseste Luftholen eine vorsichtig verklingende Note übertüncht, Bill Evans am Piano gehört. Alone, ich glaube sein erstes Soloalbum, zählt gewiss nicht zu seinen besten Werken, aber das irgendwie körperlose Gerüst ohne Band gibt ihm reichlich Gelegenheit, wie beiläufig seine überragende Virtuosität herauszustellen. Hören Sie doch mal, wie großartig er mit weichem Anschlag und hartem Rhythmus vollkommen entspannt durch „On A Clear Day (You Can See Forever)“ hechelt. Schade, können Sie ja gar nicht hören, für Sie sind das nur Fingerübungen, denen ein Schlagzeug fehlt. Falls es Sie tröstet – ich verstehe das Stück auch erst jetzt. Dabei ist es so einfach: Ist die Luft rein, kann man weit schauen. Darf man eine Phonovorstufe der 10 000-Euro-Klasse als Luftreiniger bezeichnen? – Wohl eher nicht. Denken Sie sich bitte, ich hätte „Frischluftkur für Ihre Anlage“ oder Ähnliches geschrieben.

Spurenleser

Abgesehen von ihrer maßstabsetzenden Feinauflösung verkneift sich die E-02 eindeutige Merkmale geflissentlich, also spürbar gewollt. Sie ist subjektiv empfunden weder besonders flink noch auf der anderen Seite betont emotional oder farbig. Hochkonzentriert folgt sie leisesten Fährten im Schlepptau der Melodie, einem Husten im Publikum, einem Fingerknöchel auf dem Gitarrenkorpus, Einatmen, Lippen öffnen, Abgang auf Dielen – alles mühelos oder zumindest ohne erkenntliche Anzeichen von Anstrengung. Und vor allem: ohne auch nur einen Augenblick die Übersicht zu verlieren. Sie hat die Perspektive eines Raubvogels auf Beutejagd inne. Wehe, ein Flötist kommt ihr quer, dann wird er gnadenlos bloßgestellt. Dem Zuhörer weist sie den Platz des Dirigenten zu, man fühlt sich mittendrin, involviert, aber nicht bedrängt, man verspürt nicht den Drang, Platz machen zu müssen, weil man im Weg sitzt. Es gibt auch keine hysterischen Ausbrüche in Form überhöhter Präsenz in einzelnen Frequenzbereichen, was der E-02 eine abgeklärte Neutralität verleiht, an der man sich bisweilen gerne reiben möchte, aber einfach keinen Hebel findet. Durch die majestätische Erhabenheit ihrer Spielweise – wie sich das schon anhört! – macht sich die Esoteric E-02 klanglich unangreifbar. Technisch betrachtet war sie das schon vor dem Hörtest. Vorsicht, sie wird Schwachstellen in Ihrer Anlage finden, mit denen sie nicht gerechnet hatten. Das ist dann auch schon alles, was mir kritikwürdig erscheint.

Esoteric E-02 Navigator

 

Phonovorverstärker Esoteric E-02

Funktionsprinzip: symmetrischer Phonovorverstärker
Eingänge: MC symmetrisch (XLR), 2 x MM/MC unsymmetrisch (Cinch)
Ausgänge: symmetrisch (XLR, ES-LINK Analog), unsymmetrisch (Cinch)
Eingangsimpedanzen: 10, 50, 100, 200, 300, 500, 1000, 10 000 Ω (MC), 47 kΩ (MM)
Verstärkungsfaktor: MM 40 dB, MC 66 dB (Cinch), 72 dB (XLR)
Subsonic-Filter: 17 Hz −6 dB
Maße (H/B/T): 131/445/377 mm
Gewicht: 12,5 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: 10 500 €

 

www.esoteric-highend.eu

www.esoteric.jp

Die angezeigten Preise sind gültig zum Zeitpunkt der Evaluierung. Abweichungen hierzu sind möglich.