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EMT JSD S75 - Diamant an Saphir im Borstäbchen: Im halboffenen Gehäuse aus eloxiertem Spezial- Aluminium steckt ein penibelst justiertes Präzisions-Ensemble mit Dauerläuferqualitäten

Test EMT JSD S75 MC-Tonabnehmer

EMT JSD S75 MC-Tonabnehmer – Juwelen, Juwelen!

Süßer Rausch der Perfektion

Als ich dem Kollegen Uwe Heckers nebenbei erzähle, ich hätte demnächst ein brandneues EMT-System zu montieren, gerät der sonst so trocken wirkende Analogist unversehens ins Schwärmen. Und hört fast nicht mehr auf. Der passionierte Vielschrauber behauptet sogar, dass schon der Einbau eines EMT zum Vergnügen geraten kann. Ich bin skeptisch. Was die Montage, Justage und Feinabstimmung von Tonabnehmern betrifft, ist meine Geduld keineswegs immer engelhaft. Bevor ich zum zigsten Mal die dritte Stelle hinterm Komma versuche zu treffen oder mich in anderen Fummeleien verliere, die unter Neurosenverdacht stehen, höre ich meine Musik lieber „nur“ in 99,5-Prozent-Qualität.
Ein paar Tage später. Ich nehme das frisch eingetroffene EMT JSD S75 vorsichtig aus seiner maßgefertigten Holzschatulle. Und das mitgelieferte Werkzeug auch. Und verschiedene Schräubchen. Den Frequenzgangschrieb. Die Bedienungsanleitung. Und wohl auch die guten Wünsche des Kollegen Heckers, verbunden mit einer Prise Neid.

EMT JSD S75
Neben dem eigentlichen Tonabnehmer gehört die fein sortierte Grundausstattung zum Besten, was einem ambitionierten Analogfan passieren kann. Sie entspricht dem Selbstverständnis des Profiausstatters: Ordentliches Werkzeug und die wirklich wichtigen Informationen müssen serienmäßig an Bord sein. Alles andere, was man zur Installation braucht, wird jemand, der einen satten vierstelligen Betrag für den Verschleißartikel Tonabnehmer hinblättert, ohnehin zur Hand haben. Oder der autorisierte EMT-Fachhändler, sofern der solvente Vinylfan keine Lust auf feinmechanische Selbstkasteiung hat oder Grobmotoriker ist.
Ich montiere also selbst. Und bin überraschend schnell am Ziel. Die Montage geht auch ohne extra Nadelschutz völlig problemlos über die Bühne, selbst die Feineinstellung bringt mein Blut nicht in Wallung. Das MC-System stellt selbst kleinste Änderungen unmissverständlich und klar hörbar dar. Jedes konstruktive Detail lässt erkennen, dass sich hier jemand, der tief in der analogen Praxis steckt, Gedanken gemacht und eine Lösung gefunden hat. Dieser Jemand ist Jules Limon, der Chef von EMT Studiotechnik. Er verrät mir ein paar grundsätzliche Überlegungen zum jüngsten Jubiläumsmodell des Unternehmens.

Seit einem Dreivierteljahrhundert fertigt EMT professionelle Audioprodukte – Laufwerke, Tonarme, Tonabnehmer (die berühmten „Tondosen“) – für Rundfunk- und Tonstudios, aber auch OEM-Produkte für andere Unternehmen der Branche. Erst vor rund einer Dekade, anlässlich des 66. Firmenjubiläums, beschloss EMT endlich, nun auch eigene MC-Tonabnehmer für nichtprofessionelle High-End-Kunden anzubieten. Seither lassen sich EMT-Systeme mit dem Kürzel JSD in übliche Tonarme mit Halbzoll-Anschluss schrauben. Wobei Jules Limon dezent darauf hinweist, dass auch JSD-Modelle umso besser klingen, je besser der jeweilige Tonarm in der Lage ist, den Tonabnehmer zu führen. Das ist natürlich keine neue Erkenntnis, sollte aber gewissen Schlaubergern immer mal wieder in Erinnerung gebracht werden. Entscheidend ist das geschickte, harmonische Zusammenspiel aller Bausteine – System, Tonarm, Laufwerk – sowie die Ableitung, Kontrolle und Vermeidung von Resonanzen.
Praktisch alle Forderungen, die an einen vielseitig einsetzbaren Teamplayer gestellt werden, erfüllt das S75 geradezu vorbildlich. In der gehobenen Analogwelt dürfte kaum ein MC-System derart flexibel einsetzbar sein wie das jüngste Mitglied der JSD-Familie. Laut Jules Limon lag der konstruktive Schwerpunkt des S75 auf einem „optimalen Kompromiss“. Noch bevor mir die dadurch unvermeidliche Frage über die Lippen kommt, stellt der Schweizer auch schon klar, dass es so etwas prinzipiell gar nicht geben kann, dass es vielmehr darauf ankommt, wo der Konstrukteur den „optimalen Kompromiss“ denn selbst verorten möchte.
Und schon sind wir mittendrin in der Musik bzw. bei der so schwer zu beschreibenden „Musikalität“ eines Tonabnehmers. Sie ist jedenfalls der konstruktive Dreh- und Angelpunkt für das S75. Im Gegensatz zu so manch anderer Analog-Lichtgestalt besteht Jules Limon jedoch auch auf höchster technischer Performance. Ein „optimaler Kompromiss“ ist für ihn nur mit allerbesten und in jede Richtung ausgewogenen Messwerten vorstellbar, alles andere sei Augenwischerei. Der streitbare Musikliebhaber kann und will seine jahrzehntelange Messtechnik- und Service-Erfahrung nicht einfach beiseiteschieben. Beschönigende Euphonie, sezierende Analytik, aber auch dynamische Limitierungen sind ihm ein Gräuel, derlei Effekte beeinträchtigen das wahre Musikerlebnis. Tiefe Zufriedenheit und ungetrübtes Langzeithörvergnügen stellen sich nur ein, wenn ein System in keiner einzigen Disziplin aus- oder einbricht, nichts übertreibt, möglichst alles durchlässt. Klingt irgendwie langweilig und verkopft? Aber nicht mit EMT!
Geben Sie mir eine halbe Stunde Zeit. Dann ist das System im Nottingham Anna, dem mittelschweren Zwölfzoll-Arm auf meinem EnVogue Astra, startklar. Später baue ich das EMT noch in Tonarme von SME, Clearaudio, Audio Note und Acoustic Solid ein – und verspüre wieder ein spielerisches Vergnügen an der Tonabnehmermontage. Leichtes Spiel auch für jeden Phonoentzerrer: Der empfohlene Abschlusswiderstand des S75 liegt zwischen 200 und 300 Ohm, der für ein MC recht kräftige Pegel bietet zudem einen sehr großen nutzbaren Dynamikbereich. Hinzu kommt ein subjektiv nur sehr geringes „Rillengeräusch“ des Systems.
Das S75 ist zwar zum Großteil in vornehmes Schwarz gehüllt, gleichwohl ist es dank halboffenem Gehäuse aus „Spezial-Aluminium“ und zahlreichen goldigen Details ein auch optisch faszinierendes Stück Analogtechnik. Mit sehr scharfem Blick (oder einem Mikroskop) wird eine EMT-Spezialität erkennbar: Der nackte, feinpolierte und perfekt ausgerichtete Diamant sitzt auf einem weißen Saphir-Nadelträger, der wiederum in einem Borstäbchen steckt. Diese über Jahre hinweg in langen Mess- und Hörsessions optimierte Sandwich-Konstruktion bietet laut Limon „noch ausgewogenere Mitten“ als die sonst üblichen Nadelträger aus nur einem Material und hat sich auch schon im Platinum 6, dem Spitzenmodell der JSD-Serie, bewährt.

Man unterschätze übrigens nicht die Akribie, mit der ab Werk beispielsweise der Diamant „orientiert“ und das ganze Abtastensemble feinstjustiert wird. Dadurch erzielt EMT eine maximal präzise Geometrie und die Einhaltung der technischen Daten. Während etliche „Kult“-Systeme (mitunter sogar äußerst kostspielige Exemplare aus renommierten Häusern) in puncto Serienkonstanz gerne mal fröhlich in alle Richtungen ausschlagen und eigentlich Unikate darstellen, kommt bei EMT auch hier immer wieder der Profi-Hintergrund zum Vorschein. Jede Einheit muss wie die darauffolgende sein, der Kunde soll sich auf versprochene Werte verlassen können, und ein Montagsmodell ist kein Ausreißer, sondern ein System, das zufälligerweise an einem Montag fertiggestellt und durchgemessen wurde.
In einem geeigneten Tonarm – „mittelschwer“ darf hier sehr großzügig für eine bewegte Masse zwischen 5 und 15 Gramm ausgelegt werden – läuft das JSD S75 nach moderater Einspielzeit zu einer Hochform auf, die mich immer wieder zu „neuen“ Scheiben greifen lässt. Stellvertretend für eine ganze Reihe anderer Platten möchte ich die 7-LP-Box Live Anthology von Tom Petty & The Heartbreakers nennen. Nicht unbedingt eine audiophile Offenbarung, aber ein aus Live-Aufnahmen zwischen 1980 und 2006 geschickt zusammengestelltes und sehr ordentlich produziertes Werk, das als LP-Version im Fotoalbumstil übrigens unvergleichlich viel aufwendiger ist als alle Digitalversionen. An einem Samstag verführt mich das EMT doch tatsächlich dazu, die komplette Box durchzuhören. Tom Petty – stundenlang! Ohne Langeweile. Phänomenal. Nach einer ehrlich verdienten, ziemlich späten Kaffeepause greife ich direkt danach zu Clap Hands, Here Comes Charlie der großen Ella Fitzgerald (über Speakers Corner), später am Abend dann noch zu schwerer Kost. Auf dem Vinylmenü stehen Holsts Planeten und Mahlers Zweite. Erst dann ist’s wirklich genug für mich, den nunmehr völlig begeisterten EMT-Besitzer.
Was ich dadurch lerne: Das EMT JSD S75 ist absolut mühelos in der Lage, aus vorhandenem Musikmaterial alle Informationen herauszuholen und so durchsetzungsstark zu präsentieren, dass selbst mittelmäßige Produktionen zu bisher unbekannter Größe und, ja, durchaus Pracht aufblühen, dass auch bisher unklare musikalische Texturen wie selbstverständlich durchhörbar werden. Mit sogenannten „audiophilen“ (oder als „schwierig“ verrufenen) Scheiben entschlüsselt das S75 auch komplexeste Musikstrukturen, ohne sich dabei in Details zu verlieren. Diese sind natürlich alle „da“, werden aber so homogen ins Klangbild eingeflochten, wie ich mir das immer gewünscht habe. Wirklich alles wirkt wie selbstverständlich, und zwar auf höchstem Niveau.
Die alles überragende Stärke des S75 ist, das es eigentlich gar keine hat. Oder andersherum und passender: Das jüngste EMT besitzt nur Stärken. Es erweist sich als bärenstarker und blitzschneller Allrounder, der die Informationen der Plattenrille in allen nur denkbaren Disziplinen derart fehlerlos transportiert, dass sich daraus „automatisch“ ein kohärentes und großzügig ausgedehntes, dabei niemals nerviges Gesamtbild ergibt. Es ist wie geschaffen für echtes Langzeithören. Jules Limon hat recht: Das auch musikalisch packende Zusammenspiel von Rasanz und Geschlossenheit ergibt sich aus der schlicht makellosen technischen Performance. Kein Sound. Nur Musik. Das JSD S75 scheint mir damit bestens geeignet, das 75. Jubiläum von EMT würdig zu feiern und im Zweifelsfall bis zum Sanktnimmerleinstag fortzuführen. Ein Profi-Werkzeug, das nicht nur meinen Lieblingsplattenspieler, sondern auch mein Herz erobert hat.

 

MC-Tonabnehmer
EMT JSD S75

Funktionsprinzip: Moving-Coil-Tonabnehmer
Ausgangsspannung: 1 mV
Empfohlene Abschlussimpedanz: 200–300 Ω
Gewicht: 11 g
Nadelträger: weißer Saphir und Borstäbchen
Nadelschliff: feinpolierter, nackter und orientierter Diamantstab
Nadelnachgiebigkeit: 12 µm/mN
Empfohlene Auflagekraft: 23–24 mN
Empfohlene effektive Tonarmmasse: leicht bis mittelschwer (5–15 g)
Gehäuse: halboffen, aus massivem Reinaluminium gefräst, schwarz eloxiert
Besonderheiten: Alnico-Magnete, Peilsteg auf der Frontseite
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: 3320 €

 

Gaudios
Brandhofgasse 11
8010 Graz, Österreich
Telefon +43 316 337175

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