Elac Miracord 90 Anniversary – The Legacy
„Zurück zu den Wurzeln“ heißt es bei Elac anlässlich des 90. Firmenjubiläums.
Betrachtet man die Entwicklung von Elac in den letzten neunzig Jahren, wird deutlich, dass der Kieler Konzern einige Kurskorrekturen überstehen musste. Was einmal der Weltmarktführer im Plattenspieler-Segment war, wandelte sich mit dem Aufkommen der Compact Disc zu einem der führenden Lautsprecherspezialisten in Deutschland. Man denke da nur an den JET-Hochtöner, der oft dann zur ersten Wahl wird, wenn sowohl das Gespür für feinste Dynamiknuancen als auch absolute Belastbarkeit während eines Forte Fortissimo gefordert werden.
Unter der Ägide von Elac-Geschäftsführer Gunter Kürten wurde das Portfolio in den letzten Jahren um einen kleinen Vollverstärker sowie den Medienserver der Discovery-Reihe erweitert. Und so wandelt sich Elac immer stärker vom reinen Lautsprecherspezialisten zum Komplettanbieter. Doch nach was verlangt der Markt noch neben Streaming, Verstärkern oder Lautsprechern? Richtig, nach einem Gerät, mit dem Vinyl abgespielt werden kann. Denn Vinyl boomt! Massiv sogar. Der Tonträgermarkt rund um das schwarze Gold verzeichnet stetiges Wachstum.
Daher erschien es unter Marketingaspekten nur konsequent, den Miracord anlässlich des neunzigsten Firmenjubiläums wieder aufleben zu lassen. Allerdings waren die Fertigungsanlagen von Miraphon und Co. längst demontiert, und auch die alte Entwicklergarde hatte sich aus dem Berufsleben verabschiedet. Wie also mit einem Projekt starten, über dessen Grundlagen im Unternehmen niemand mehr Bescheid wusste? Glücklicherweise konnte Elac dann während der Entwicklung des 90 Anniversary auf das Wissen von Wilfrid Werner zurückgreifen, der prompt aus dem Rentnerdasein zurückbeordert wurde. Besonders sein Know-how rund um die Themen Tonarmgeometrie und Resonanzunterdrückung trug erheblich zum Gelingen des Miracord Anniversary bei.
Auf den ersten Blick hat der neue Miracord – bis auf den Namen – nicht mehr viel gemein mit seinem berühmten Vorfahren. Trotzdem möchte Elac an den Erfolg vergangener Zeiten anknüpfen, und die Parole lautete offensichtlich: „Klotzen, nicht kleckern!“ Offenbar geben sich die Kieler nicht mit halbgaren Ideen zufrieden.
Mein erster Tag mit dem Miracord 90 Anniversary beginnt mit einer Überraschung: Das Testexemplar kommt nicht mit der Post, sondern wird per Spedition auf einer Europalette verschickt. Für den „normalen“ Paketversand über DHL ist der Elac zwar weder zu groß noch zu schwer, aber er ist wohl zu wertvoll und zu empfindlich für die mitunter ruppige Behandlung durch unterbezahlte Paketboten. Vorsicht ist die Mutter der Plattenspielerkiste! Geliefert wird das Jubiläumsmodell in fast spielfertigem Zustand. Nun also nur noch den Platten- auf den bereits vormontierten Subteller aufsetzen, den Flachriemen umlegen und das Schaltnetzteil phasenrichtig in einen freien Platz der Steckdosenleiste stecken. Dann das Gegengewicht auf den Arm drehen (bis zum Anschlag, dann dreieindrittel Umdrehungen zurück – der Anleitung nach sollten nun die erforderlichen 1.4 mN anliegen), und schon sollte Musik erklingen können. Trotz der gut gemachten Montageanleitung empfehle ich einen Quercheck mittels Feinwaage. Nullkommadrei Gramm Abweichung machen eine Menge aus, wie ich nach der ersten Grobmontage feststellen musste. Sorgfalt zahlt sich an dieser Stelle unbedingt aus, sonst sumpft es unnötig vor sich hin und der Miracord spielt weit unter Niveau. Betrachten Sie diese Anleitung als ersten Anhaltspunkt – eine korrekte Feinjustage durch fachkundige Hände soll und kann sie allerdings nicht ersetzen.
Der Miracord ist ganz schön gewachsen im Vergleich zu seinen Urahnen. Aus dem Subchassis-Konzept der Vorfahren wurde ein 17 Kilogramm schweres Masselaufwerk, dessen Ausdehnung die vorhandene Stellfläche komplett belegt. Die Zarge wurde aus einem MDF-Quader herausgefräst, was bei der Fertigungstiefe von Elac noch das kleinste Problem war. Auch die Produktion des sechs Kilo schweren Aluminiumtellers dürfte eine der leichteren Übungen gewesen sein. Um der dem Material eigenen Schwingungsneigung von vornherein einen wirksamen Riegel vorzuschieben, wurde der Teller mittels eingelassenen Absorbern aus Compositmaterial geheimer Rezeptur ruhiggestellt und durch vier kleine Polymerkissen vom Subteller entkoppelt. Dessen Achse steckt in einer Buchse aus Sinterbronze und rotiert über einer kleinen Rubinkugel auf einem Lagerspiegel aus Edelstahl. Ein Tellerlager für die Ewigkeit.
Doch nicht alles, was im Lastenheft stand, ließ sich in Eigenregie realisieren. Das Ziel war, mit dem Miracord Anniversary dem eigenen Ursprung ein Denkmal zu setzen. Synergieeffekte sind dabei im Zeitalter globaler Wissensverschmelzung definitiv erlaubt. Daher wurde für die Kombination aus Arm und System auf Entwicklungshilfe von außen zurückgegriffen. Als kongenialen Partner für das Projekt Anniversary konnte Elac die Profis von Audio-Technica gewinnen. Sie modifizierten nicht nur eines ihrer Systeme, ein AT 440MLb, sondern steuerten auch profundes Wissen um Resonanzfrequenzen beim Zusammenspiel zwischen Tonarm und Tonabnehmer bei.
Das Zusammenwirken von Nadelnachgiebigkeit, effektiver Tonarmmasse und Systemgewicht bildet bekanntermaßen ein Feder-Masse-System, das einen nicht optimal passenden Tonabnehmer entweder zu tief in die Rille drückt oder nicht vehement genug zu führen weiß. Was zu munteren, doch dem Musikerlebnis nicht förderlichen Schwingungen führen kann. Bei Systemen mit niedriger Compliance (also bei den meisten MCs) kann der Ton in Verbindung mit „zu leichten“ Tonarmen recht schnell in Richtung „nervös-spitz“ gehen. Daher arbeiteten die Ingenieure von Elac und Audio-Technica eng mit einem Schwarzwälder Fachbetrieb zusammen, der sich abschließend um die komplexe Fertigung des Carbonarms kümmerte.
Auch antriebsseitig blieb nichts, wie es früher einmal war. Statt die Kraft des Motors per Reibrad auf den Plattenteller zu übertragen, wie bei einigen frühen Miraphon-Modellen, kommt heute beim Antrieb ein geschliffener Flachriemen zum Einsatz. Anstelle des zuvor verwendeten Papst-Motors wird das Aggregat nun von Allied Motion geliefert. Das Unternehmen beliefert auch die amerikanische Armee, was auf einen hohen Fertigungsstandard schließen lässt. Um die sechs Kilo des Aluminiumtellers auf Touren zu bringen, benötigt der Motor, der für seine Langzeitstabilität und Kraft auch von Mitbewerbern geschätzt wird, hohes Drehmoment, das von einem ausgelagerten, stabilen Schaltnetzteil unterstützt wird.
Um die Kontrolle der Drehzahl kümmert sich ein zwischen Zarge und Subteller montierter Reflexkoppler, der permanent die Umdrehungsgeschwindigkeit überwacht und bei Bedarf nachregelt. Dies geschieht für den Nutzer unhörbar und verhilft dem Miracord 90 Anniversary zu stoisch-rundem Gleichlauf. Hobby-DJs, denen das zu fade ist, bietet der Elac ein ungewöhnliches kleines Feature: eine Pitch-Control, die die Drehzahl um bis zu fünf Prozent erhöht oder senkt. Das kann mancher Altlast aus dem Rave-Zeitalter durchaus auf die Sprünge helfen. Sollte mich demnächst jemand fragen, warum ich mir früher die Nächte um die Ohren geschlagen habe, lächle ich einfach und haue dem Fragesteller „Trommelmaschine“ (Der Dritte Raum, Wellenbad, Virgin) mit ein paar Umdrehungen mehr um die Lauscher. Doch liegt es nicht allein an der Pitch-Control, dass der Miracord vom ersten Beat an loslegt wie entfesselt. Eigenschaften wie hart und trocken, dazu kohlrabenschwarzer Schub im Frequenzkeller – das kenne ich nicht vom eigenen Plattenspieler. Der hat prinzipiell den Blues und keine Lust auf Technobretter. Nachdem der Puls wieder unter Kontrolle und die erste Euphorie verflogen ist, beschließe ich, dass dieses knackig-konturierte und präsent ausgeformte Trommelfeuer allein dem eigenen Scheu Cello den angestammten Platz noch nicht streitig machen sollte.
Doch dann läuft das MTV Unplugged-Album der Kajalstiftträger von Placebo. Auch bei ihnen gab es ein Jubiläum zu feiern – immerhin das zwanzigjährige. Diesem Anlass wurde ein bescheidenes Konzert ohne elektrisches Brimborium gewidmet. Ganz intim, in den Londoner MTV-Studios, die Band nur von Klavier, Gaststimmen und einem mittelgroßen Orchester unterstützt. Naja, auch Stefan, Brian und der Neue am Schlagzeug sind reifer geworden. Was Brian Molkos ausgezeichnet steht. Es scheint, dass der bekennende „Everythingizer“ sein näselndes Organ entschieden weiterentwickeln und zu etwas formen konnte, das fähig ist, jede noch so tiefe Wunde in gebrochenen Herzen einfach wegzustreicheln. Vorbei die Zeit der „Teenage Angst“ – die neuen Placebo sind Labsal für desillusionierte Mittvierziger. In der morbiden Düsternis der Songs wird nun das Empathische hervorgehoben, und auch die aktuelle Entwicklung weg vom Punk-Sound früherer Livekonzerte steht den Songs hervorragend.
Der Fokus des Engineerings liegt bei diesem Studiokonzert auf den drei Hauptakteuren, der Elac platziert sie erkennbar im Kerzenlicht der spärlichen Bühnenbeleuchtung. Erfordert das Arrangement des Stückes orchestrale Farbgebung, dann dehnt sich die Bühne tief in den virtuellen Raum, die physischen Dimensionen des realen Hörraums ab absurdum führend. „Slave To The Wedge“, sonst von Breitwandgitarre und Schlagzeug nach vorne geprügelt, wird hier von den Streichern auf Samt gebettet, während Molko näselnd fleht, das Sterben doch bitte zu unterlassen. Es mag vermessen sein, von einem Eins-zu-eins-Live-Erlebnis zu sprechen, schließlich verhinderte mein enger Terminplan damals meine persönliche Anwesenheit im Studio, und darüber hinaus zeigt sich mein Equipment doch zu unterdimensioniert, um eine solche Illusion heraufzubeschwören. Der Miracord 90 Anniversary vermittelt jedoch einen recht präzisen Eindruck davon, was während der Produktion aus den Mastering-Monitoren gekommen sein muss.
Das letzte Kapitel der Legende um die Plattenspieler aus Kiel ist sicher noch nicht geschrieben. Der Miracord 90 Anniversary verheißt vielmehr einen neuen, vom reichen Erbe getragenen Aufbruch. Soll ich Ihnen unter der Hand etwas verraten? Den Preis habe ich bislang bewusst verschwiegen, denn angesichts der pfiffigen Ideen, der aufwendigen Verarbeitung und der gebotenen Performance des Kieler Drehers ist der Miracord mit 2000 Euro äußerst kundenfreundlich kalkuliert. Behalten Sie das bitte für sich, sonst könnte es sich bis zu den Controllern der Kieler herumsprechen.
Plattenspieler Elac Miracord 90 Anniversary mit Carbontonarm und System
Funktionsprinzip: riemengetriebenes Masselaufwerk
Antrieb: digital geregelter Coreless-Motor mit Edelstahlbürsten
Material: MDF-Zarge, Blenden aus Aluminium
Teller: 35-mm-Aluminiumteller
Drehzahl: 33 oder 45 U/min
Besonderheiten: Pitch Control (±5 %)
Tonabnehmer: modifiziertes AT 440MLb, Moving Magnet, Micro-Line-Schliff, Auflagekraft 14 mN, Ausgangsspannung 4,0 mV
Tonarm: kardanisch gelagerter Carbonarm mit Alu-Headshell, effektive Masse 11 g
Ausführungen: Schwarz, Weiß, Nussbaum geölt
Maße (B/H/T): 47/17/36 cm
Gewicht: 17 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: 2000 €