Dynaudio Excite X44 – Etappenziel einer persönlichen Suche nach Dynaudio
Bis heute galt für mich: Eine Dynaudio ist eine Dynaudio ist eine Dynaudio. Doch die Dänen sind immer für eine Überraschung gut.
Wieder was Neues aus Skanderborg? Ich habe das Gefühl, die gesamte Einsteigerliga der Skandinavier bereits „durchgetestet“ zu haben und deshalb sehr genau zu wissen, was mich erwartet. Auf den Pressefotos lassen sich noch keine phänomenalen Neuerungen erkennen, sieht halt aus wie eine 38er, nur etwas größer. Die Ankunft meiner nächsten dänischen Erfahrung ist für den nächsten Morgen versprochen, danach bin ich schlauer.
Ein wenig blöd aus der Wäsche gucke ich dann beim Versuch, die Kisten in ein Coupé zu schieben. Komischerweise passte die X38 problemlos ins Auto! Hätte ich mal besser einen Blick auf die Maße geworfen, denn 20 Zentimeter können Welten sein. Was folgt, ist die kuscheligste Heimfahrt aller Zeiten, auf Tuchfühlung mit dem Lenkrad. Doch die Dinger mussten ja ins Auto, egal, wie.
Schwertransport durchs Treppenhaus und rein in die Hütte mit den überseekoffergroßen Kartons. So richtig bewusst, wie ausladend die X44 wirklich sind, wird mir erst im direkten Vergleich mit meinen Opera Seconda: Die Dänen sind einen guten Kopf größer als die schon nicht zierlichen Italienerinnen.
Damit ist von vornherein geklärt, dass Versuche, die X44 im „kleinen“ Hörraum zivilisieren zu wollen, keine gute Idee sind. 35 Quadratmeter oder mehr sollten den Dänen genug Luft zum Durchatmen lassen. Und Luft brauchen die X44. Luft, die sie bewegen können. Das übliche Einspielen kann ich mir ausnahmsweise sparen, meine Testexemplare kommen direkt von den Norddeutschen HiFi-Tagen und wurden dort schon entsprechend durchgeknetet. Erwartungsgemäß verläuft der erste Funktionscheck direkt aus dem Karton recht vielversprechend.
Als Berieselung zur Küchenarbeit läuft abends ein Livekonzert – The Concert That Never Happened Before von Deine Lakaien – im DVD-Player. Den Auftritt habe ich damals vor der Bühne miterlebt, auch zu Hause den Silberling zu Vergleichszwecken fast totgehört. Da ist man sich eigentlich sicher, nichts Neues mehr entdecken zu können.
Man hat sein Bild im Ohr und setzt voraus, dass es so gewesen sein muss. Meinem Erinnerungsvermögen ging dabei verlustig, dass hier tatsächlich ein Mikrofon zwischen Stimme und Auditorium geschaltet war. Ein Detail, das sämtliche bisher in unserem Haus gastierenden Schallwandler mehr oder minder auffällig unterschlugen. Die größte Excite spielt so lebendig, warm und detailverliebt wie die Kreuzung aus voluminöser Standbox und einem erfrischend lebhaften Monitor. Sollte hier die erste Dynaudio spielen, bei der ich mir vorstellen kann, sie als Dauergast zu behalten? Bisher wurde ich nie hundertprozentig warm mit den Dänen, also warum gefällt mir das hier so gut? Vielleicht bin ich einfach zu anspruchsvoll für die Einsteigermodelle geworden. Aber liegt es tatsächlich nur an der Größe, dass sich der bisweilen vorlaute Präsenzbereich kleinerer oder früherer Excite-Modelle jetzt so flüssig in den Gesamtkontext integriert?
Technisch trennt die X44 von ihrer kleinen Schwester X38 mehr, als es auf den ersten Blick scheint. Mir gefiel der Hochtonbereich der kleineren Excite-Modelle mit seiner seidigen Feindynamik schon ausnehmend gut, doch für das neue Flaggschiff aus Skanderborg musste nach Meinung der Entwickler nochmals besseres Material her. Daher fiel die Wahl auf den Hochtöner der Focus-XD-Reihe, der mit seiner Transparenz und der luftigen Hochtonwiedergabe bei Dynaudio als aktuelles Maß der Dinge im bezahlbaren Segment gilt. Für dessen Kalotte wurde nochmals feiner gewebtes Material verwendet, was zusammen mit dem aufwendigen Beschichtungsprozess für verbessertes Rundstrahlverhalten samt harmonischen Übergängen an den Enden des Übertragungsbereichs sorgen soll. Für mich war oben- und untenrum schon früher alles frisch im Staate Dänemark. Doch die Frequenzen dazwischen pendelten manchmal zwischen „bisschen vorlaut“ und „etwas schmal gebaut“. Am Mitteltöner der bekannten Modelle kann es nicht allein gelegen haben, denn dieser legt in der X44 auf einmal lange vermisste Manieren an den Tag. Was vorher zu präsent erschien, fügt sich jetzt harmonisch in den Gesamtkontext.
Die eigentliche Revolution findet im Kellergeschoss statt. Die Ingenieure wurden von den Tiefton-Lieferfähigkeiten des Sub 600 derart, sagen wir ruhig „geflasht“, dass ein ähnliches Fundament wohl an zweiter Stelle auf der Liste der Entwickler stand. Im tiefen Keller niederer Frequenzen werden weniger quirlig wuselnde Feinstinformationen übertragen, folglich sind eher hohe Leitfähigkeit bei extremer elektrischer Belastbarkeit gefordert. Einleuchtend, dass Dynaudio auch für die Bässe der Excite X44 auf eine Schwingspule aus Kupfer vertraut. Das erhöht ein wenig die zu bewegende Masse der Membran, was aber sicher nicht der alleinige Grund dafür sein kann, dass die Dänen die Verwendung stabiler Stromlieferanten dringend empfehlen. Gesunde einhundert Watt sollten es mindestens sein, damit die X44 aufwacht.
Adäquat gefüttert kann die X44 bis zu 27 Hertz hinabsteigen, was durchaus auch körperlich erfahrbar ist. Zunächst konnte ich das nur erahnen: Für die ersten Versuche hing die kleine Lehmann-Endstufe an den Klemmen, während sich die Dänen im Dämmerschlaf akklimatisierten. Mein Einstein The Tune knackt gerade so die geforderte Mindestleistung, doch auf die schlafenden Lautsprecher wirkt er dank hoher Stabilität wie eine intravenöse Koffein-Injektion. Im CD-Spieler läuft Henrik Freischladers „Let The Good Times Roll“. Lange nicht mehr gehört und dabei glatt vergessen, welcher Swing in dem Live-Silberling steckt. Und mir wird bewusst, dass man sich ganz schön zum Affen macht, wenn man versucht, „Kompaktlautsprecher“ und „realistische Größenverhältnisse“ unter einen Hut zu bekommen. Das, was die größten aller Excites an Livefeeling in einen – entsprechend üppig dimensionierten – Raum zu schieben vermögen, ist einfach abartig. Was hier als tiefe Verbeugung meinerseits zu verstehen ist.
Was ich an meinem Einstein-Verstärker so lieb habe, ist dieser natürlich klingende Groove, das unangestrengte Musizieren ohne die geringste Form von störenden Härten. An den Enden des Frequenzbandes wird er dann etwas schüchtern, wenn man ihn unter Druck setzt. Was mich nie gestört hat, da für die Audio Physik immer genug Reserven vorhanden waren. Treibt The Tune die skandinavischen Klangmöbel jedoch in Richtung Leistungssport, scheint es, als würden von Verstärkerseite angestrengt wirkende Verfärbungen hinzuaddiert, während die Lautsprecher gerne weiter durchziehen möchten. Ich habe das Gefühl, hier geht noch was. Also entführe ich meinen NAD aus dem anderen Raum. Der Digitalknecht legt noch mal ein Schippchen Watt dazu, bleibt dabei jedoch – wie The Tune – eher auf der feingeistigen als auf der grobschlächtigen Seite.
Es braucht keinen Hellseher, um vorher zu sagen, dass Dynaudio und NAD superb miteinander harmonieren. Bei Quasi-Stallgefährten kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Komponenten des einen auch mit denen des anderen entwickelt werden. Vom Ergebnis der Paarung Excite X38 mit dem NAD war ich damals nicht so überzeugt, wie es hätte sein können. Die Summe aus großer Dänin und „digitalem“ Engländer, die heute hier musiziert, lässt alle meine Beschwerden über wolligen Bass und vorlaute Mitteltöne vergessen. Wieder kommt die Musik vom Marantz, wieder liefert er Henrik Freischlader samt Band aus seinem Digitalausgang an den NAD. Eigentlich wollte ich die Studien in Bezug auf die Fähigkeiten der X44 zur Ruhestörung vertiefen, doch statt direkt zum dazu nötigen Drum-Solo zu springen, lasse ich die CD bei Zimmerlaustärke einfach durchlaufen. Es ist faszinierend, wie plastisch die Illusion der eigenen Anwesenheit während „I Loved Another Woman“ transportiert wird, ohne auch nur im Ansatz vergleichbare Pegel zu benötigen. Selbst das kleine „Ping“ eines Glöckchens wird mit perfektem Timing an seinen richtigen Platz gesetzt, ohne den Fokus des Hörens vom Swing des Ganzen abzulenken. Die meisten Schallwandler der Dänen, die ich zu Hause probieren durfte, richteten ihren Fokus auf quirlige, bisweilen aber auch plakativ wirkende Mitteltonverästelungen. Ein gutes Beispiel dafür wäre Gerry Hayes und Charly Antolinis Swing Explosion (CD, Jeton, JET 60 014). Ein Album, das über weite Teile eine verspielt vor sich hin swingende Angelegenheit ist, mich dabei aber dank der wundervollen Solisten immer ein wenig vom Gesamtgeschehen ablenkt. Da ist zu viel im Raum, den es auszuloten gilt. Auch mit der größten Excite verlief der erste Durchgang nicht ultimativ überzeugend; noch herrschten recht beengte Verhältnisse auf der imaginären Bühne. Es fehlte einfach Luft zwischen den Instrumenten, um die volle Klangfarbenpracht zum Blühen zu bringen. Doch wozu hör’ ich hier auf knapp 50 Quadratmetern? An Platz zum Experimentieren soll es nicht scheitern. Der Einfachheit halber werden die Excite auf zwei Pflanzenrollern platziert und im Wohnzimmer verschoben, bis zwischen relaxt swingendem Kontrabass und dem treibenden Schlagzeug Charly Antolinis genug Platz für Vibrafon, Klarinette und Piano bleibt. Ungefähr bei drei Metern Abstand zwischen Lautsprecher und Sitzplatz lockern sich die komplex verwebten Strukturen und rücken so weit auseinander, dass sie durchschaubar werden. Was folgt, ist eine persönliche Erkenntnis, wenn nicht gar Erleuchtung. Bis zu diesem Tag habe ich vehement für kompakte, präzise Zweiwege-Boxen plädiert. Doch es lässt sich am Beispiel der Excite 44 nicht verleugnen, dass die nachvollziehbare Reproduktion des Geschehens proportional zum Gehäusevolumen wächst. Im Direktvergleich zwischen Audio Physik Seemon und Excite schrumpfen die Dimensionen des Raums mit Erstgenannter auf das Niveau eines guten Kopfhörers. Während sich die Bühne mit den Audio Physiks vor den Lautsprechern abzeichnet, verschieben die Dänen die Darbietung weiter in den Raum zwischen den Schallquellen. Man wird von der dritten Reihe aus in die Mitte des Auditoriums versetzt, ohne sich bewegen zu müssen. Während Zuhörer in den vorderen Reihen einen intimeren Einblick in etwaige Solo-Glanztaten erhalten, streckt sich die Wahrnehmung, über die Dänen von der Raummitte aus betrachtet, auf den Gesamtkontext des Spiels gleichberechtigter Meister untereinander. Niemand setzt hier noch Grenzen; es bleibt Raum, sich und sein Instrument zu profilieren, ohne das Gesamtbild zu dominieren.
Derart audiophil befriedigt wandert die Aufmerksamkeit zurück auf die ursprüngliche Aufgabenstellung, den dänischen Musterbeispielen für integratives Musik-Erleben auch unter extrovertierten Pegeln auf den Zahn zu fühlen.
Eine der Bands, die leise überhaupt nicht zünden, ist für mich Monster Magnet. Powertrip, ein durchaus ordentlich produzierter Monolith aus Lärm, macht einem mal wieder bewusst, wie geil harter Rock früher doch war. Breitwandgitarren statt Bourani und Co. Zum Glück war ich damals jung und nicht heute.
Reifer als damals kann ich auch heute nicht sein, da der Pegelsteller sich bei „Space Lord“ wie von selbst von „laut“ über „lauter“ zu „hast du sie noch alle?“ bewegt. Und wie reagieren die Excite auf solche Unvernunft? Sie ziehen kalt lächelnd mit, ohne auch nur ansatzweise irgendeinen Frequenzbereich zu komprimieren. Ganz bewusst habe ich die X44 bislang als „Dänen“ und eben nicht als „Däninnen“ bezeichnet, obwohl Lautsprecher doch üblicherweise feminine Artikel vor sich hertragen. Aber wenn diese Exemplare von der Leine gelassen werden, legen sie ziemliche Macho-Allüren an den Tag. Im leisen Bereich erst sanft und anschmiegsam, dann, drückt man verstärkermäßig auf die Tube, breitbeinig und in einen staubigen Ledermantel gewandet.
Dynaudio-Kompaktmonitore machen zwar gehörig Spaß, wollen aber letztlich nur spielen. Mit der Excite X44 jedoch steigt man in eine andere Klasse auf, in der aus unschuldigem Spiel erwachsener Ernst wird. Das soll nicht heißen, dass der Spaß auf der Strecke bleibt, aber man sollte gewisse Vorsichtsmaßnahmen treffen: Ein stabiler Verstärker als metaphorischer Zwinger ist obligatorisch. Und die Leine sollte besser nicht aus Klingeldraht bestehen.
Standlautsprecher
Dynaudio Excite X44
Funktionsprinzip: 3-Wege-Standlautsprecher, Bassreflex
Nennimpedanz: 4 Ω
Wirkungsgrad: 89 dB
Frequenzgang: 27 Hz–23 kHz
Ausführungen: Nussbaum, Palisander, Schwarz oder Weiß seidenmatt
Maße (B/H/T): 23/121/34 cm
Gewicht: 30 kg
Garantiezeit: 8 Jahre
Paarpreis: 5000 €