DS Audio Optical Cartridge DS-W1 – Die Rückkehr des „Nightrider“
Gerade dann, wenn man zur festen Überzeugung gelangt ist, es gebe nichts Neues mehr, überrascht der Newcomer DS Audio einen vom Gegenteil. Die Wiederauferstehung des optischen Tonabnehmers ist so ein Fall.
Durchforstet man die aktuellen Kataloge der Tonabnehmerhersteller, so kann man den Eindruck gewinnen, es gäbe lediglich drei Konzepte für Tonabnehmersysteme: Moving Magnet (MM), Moving Iron (MI) und Moving Coil (MC). Und alle drei haben grundsätzlich eines gemeinsam: Sie funktionieren nach dem Prinzip der elektromagnetischen Induktion. Entweder bewegt sich ein Magnet in einer festen Umgebung von Spulen (MM) oder Spulen bewegen sich in einem stationären Magnetfeld (MC). Bei MI sind Spulen und Magnete fixiert, hier sorgt ein bewegliches Weicheisenteilchen für die notwendige Veränderung der Magnetfeldstärke, um in den Spulen eine Spannung zu generieren.
Vielleicht erinnert sich so mancher Leser noch an piezoelektrische oder Kristallsysteme, die in sehr preisgünstigen Plattenspielern zum Einsatz kamen, aber nie zu highendigen Ehren gekommen sind – zu begrenzt waren deren klangliche Eigenschaften. Ganz alte Analoghasen denken möglicherweise noch an Kondensatorsysteme (beispielsweise von Stax), an das Strain-Gauge-Prinzip (ursprünglich von Panasonic patentiert, aktuell von The Soundsmith gefertigt) oder an den ersten „optischen Tonabnehmer“ (C-100P) zurück. Letzterer wurde unter dem Edellabel Aurex angeboten und von Toshiba gebaut. Das geschah zwar schon Ende der 1960er Jahre (!), konnte aber dem Erfinder keinen dauerhaften Erfolg bescheren. Der Grund: Die notwendige Lichtquelle musste damals, weil es noch keine Leuchtdioden gab, mit einer herkömmlichen Glühlampe realisiert werden. Deren Abwärme war nicht zu vernachlässigen und beeinträchtigte einen zuverlässigen Langzeitbetrieb. Gleichwohl weist das eigentliche Prinzip so viele Vorteile auf (siehe Technikkasten), dass es im Zuge der Halbleiterentwicklung eigentlich schon längst aus der Schublade hervorgeholt gehörte.
Newcomer mit Erfahrung
Das Verdienst der Wiederbelebung gebührt der erst 2014 gegründeten Firma DS Audio – eine Tochtergesellschaft der nahe Tokio ansässigen Firma Digital Stream Cooperation (DSC). Die Muttergesellschaft besteht ihrerseits bereits seit 25 Jahren und ist mit der Fertigung hochwertiger Laseroptik-Bauteile, insbesondere mit den Leseköpfen von CD-, DVD- und Blu-ray-Spielern im Geschäft. Und: DSC hat zusammen mit Microsoft die optische Computermaus entwickelt. Die Chancen stehen also gut, dass Sie mindestens ein Produkt dieser unbekannten japanischen Firma bereits im Hause haben. Bemerkenswerterweise begeistert sich ausgerechnet der 27-jährige Sohn des Firmengründers, Tetsuaki „Aki“ Aoyagi, für die analoge Wiedergabe. Bei diesem technischen Hintergrund – vor allem die jahrelange Erfahrung mit der Herstellung hochpräziser optischer Bauteile – lag es einfach nahe, den nahezu in Vergessenheit geratenen optischen Tonabnehmer mit heutigen Materialien und modernsten Fertigungsmethoden zu neuem Leben zu erwecken.
Dreierlei für die Praxis
Als überraschend problemlos erweist sich der praktische Umgang mit der unzertrennlichen Einheit DSW-1, die aus dem Optical Cartridge (Spitzname: „Nightrider“) und dem Versorgungsteil „EQ Unit“ besteht. Es gibt lediglich drei Dinge zu beachten. 1.) Man darf nicht aus Versehen einen herkömmlichen Tonabnehmer an die EQ Unit anschließen. Durch die Versorgungsspannung, die über die beiden Masseleitungen der Signalkabel an das Optical Cartridge geleitet wird, würden die feinen Spulen eines MM- oder MC-Systems wahrscheinlich durchschmoren. 2.) Man darf andererseits den „Nightrider“ nicht an einen normalen Phonoeingang anschließen. Aufgrund der extrem großen Ausgangsspannung von 500 mV (zum Vergleich: typische MMs liegen bei 5 mV, MCs bei 0,5 mV) sind Schäden durch Übersteuerung am Phonoverstärker und den nachfolgenden Komponenten nicht ausgeschlossen. 3.) Man benötigt einen Tonarm, bei dem die Masseleitungen für den rechten und linken Kanal separat ausgeführt sind. Mir ist aktuell zwar kein Tonarm bekannt, von dem ich sicher weiß, bei dem das nicht der Fall ist. Im Zweifel aber frage man den Tonarmhersteller oder den Händler seines Vertrauens. Ansonsten verhält sich das Optical Cartridge wie ein ganz normaler Tonabnehmer, zu dem man halt gleich einen passenden Phono-Vorverstärker mit erworben hat.
Die dynamische Nadelnachgiebigkeit ist zwar nicht angegeben, aber Resonanztests lassen darauf schließen, dass sich der DS Audio „Nightrider“ in mittelschweren bis schweren Tonarmen am wohlsten fühlt. Ein SME Series V scheint mit seinen zwölf Gramm bezüglich der effektiven Masse bereits die Untergrenze darzustellen. Als Auflagekraft empfiehlt DS-Audio einen erfreulich niedrigen Bereich zwischen 13 und 17 mN. Mit 15 mN und äquivalent eingestellter Antiskating schaffte mein Exemplar bei den Abtasttests problemlos 70 µm; bei maximaler Auflagekraft werden sogar 80 µm tadellos abgetastet. Das lässt darauf schließen, dass die Entwickler ihre Hausaufgaben sehr ordentlich gemacht haben, sind doch solche Werte gerade bei vergleichbar teuren MC-Systemen selbst bei etablierten Herstellern keineswegs die Regel.
Entzerrer inklusive
Auf der Vorderseite der EQ Unit gibt es nur einen Einschalter zu betätigen und eine kleine rote LED zu bestaunen. Erheblich spektakulärer verkündet der angeschlossene Tonabnehmer die Einsatzbereitschaft: Auf dessen Front leuchtet eine rote LED auf und erinnert ein wenig an das Wunderauto K.I.T.T. aus der Fernsehserie Knight Rider – daher wohl auch der Spitzname. Auf der Rückseite der EQ Unit befinden sich neben dem Eingang und dem Masseanschluss zwei unterschiedliche Ausgänge: mit und ohne Subsonic-Filter. Dieser Filter greift erst unterhalb von 15 Hz ein und scheint aufgrund der ungewöhnlich großen Bandbreite des Optical Cartridge mitunter notwendig zu sein. Da man beide Ausgänge gleichzeitig anschließen kann, lässt sich der perfekte Anschluss aber schnell selbst herausfinden.
Von null auf eins
Der aus dem vollen Aluminium gefräste Tonabnehmer macht – bis auf die recht hell leuchtende LED – eigentlich einen eher unscheinbaren Eindruck. Doch sobald sich der Bor-Nadelträger mit dem Shibata-Diamanten in die Rille senkt, wird unmittelbar deutlich, dass wir es mit einem Tonabnehmer der absoluten Spitzenklasse zu tun haben. Ohne Übertreibung: Bereits während des Hörens der ersten Schallplatte zu später Stunde wird mir spontan klar, dass dieses Gespann in die persönlichen Top Five aller jemals von mir gehörten Tonabnehmer aufgenommen wird.
Dabei zeichnet sich das DS-Audio DSW-1 keineswegs durch spektakuläre Effekte aus. Jede ungebührliche Übertreibung ist dem Optical Cartridge fremd. Das gilt ganz besonders für den neutralen, tendenziell warmen Grundton, der gar nicht so weit weg von meinem eigenen EMT JSD-6 entfernt ist. Allerdings muss ich feststellen, dass der Nightrider völlig selbstverständlich, quasi so nebenbei, noch weitere Details selbst in mir wohlbekannten Aufnahmen zutage fördert. Dazu gehört auch, dass der virtuelle Raum bis in die hintersten Winkel schlichtweg perfekt ausgeleuchtet wird. Mehr geht hier wohl nicht. Ganz zu schweigen von den Frequenzenden. Der Bassbereich wird mit einer seltenen (wenn überhaupt!) zu vernehmenden Kombination aus Volumen und Präzision wiedergegeben, sodass ich kaum den nächsten Kesselpauken-Einsatz erwarten kann, um mich an den verblüffend vielen Schattierungen der – an und für sich tonal doch recht begrenzten – Instrumente zu erfreuen. Am meisten beeindruckt mich aber die „echte“ Dynamik, zu der dieser Tonabnehmer fähig ist. Wiederholt gewinne ich den Eindruck, dass der Unterschied zwischen leisen und lauten Passagen mit dem Optical Cartridge größer als gewohnt erscheint.
Das musikalische Geschehen wird mit einer Art präzisen Lässigkeit dargestellt, die ich so bisher noch nie gehört habe, und dabei geht es trotz einer unaufdringlichen Detailverliebtheit keineswegs pedantisch zu. Erstaunlich, wie der Nightrider sogar bei eigentlich schon zu oft abgespielten Schallplatten noch Nuancen entdeckt, die ich vorher schlichtweg nicht wahrgenommen habe. Dabei ist es völlig gleichgültig, welcher Art von Musik man gerade den Vorzug gibt – das System ist ein musikalisch unschlagbares Universaltalent. Nach zahlreichen weiteren Schallplatten sehe ich mich schließlich gezwungen, mein etwas voreiliges Urteil fröhlich zu revidieren: Das DS Audio Optical Cartridge ist nicht nur unter meinen persönlichen Top Five gelandet, es ist ab sofort meine persönliche Nummer eins!
Im DS Audio Optical Cartridge ist je Kanal eine Art „Lichtschranke“ dafür verantwortlich, die Auslenkungen des Nadelträgers in elektrische Spannungen umzusetzen. Dabei strahlt das Licht einer LED („Licht emittierende Diode“) auf zwei kanalgetrennte Photodioden. Zwischen Sender und Empfänger befindet sich ein sogenannter „Schatter“: eine nur 50 µm dicke, bis auf zwei rechteckige Ausschnitte lichtdichte und ultraleichte Folie, die auf dem Nadelträger angebracht ist. Je größer die Auslenkung des Nadelträgers, desto mehr Licht fällt durch die „Schlitze“ des Schatters auf die Photozellen und desto höher ist deren Ausgangsspannung. Das Prinzip ist somit waschecht analog und kann mit einigen Vorteilen im Vergleich zu herkömmlichen MM-, MI- oder MC-Systemen aufwarten. Dazu gehören die ultrageringe bewegte Masse (die Folie auf dem Nadelträger ist deutlich leichter als
Magnete oder Spulen), das Fehlen einer Gegen-EMK („elektromotrische Kraft“), die dadurch entsteht, dass die Spulen durch den in ihnen induzierten Strom ebenfalls ein Magnetfeld aufbauen, das aufgrund der Lenz’schen Regel gegen den Stromfluss wirkt, sowie die enorme Ausgangsspannung, die es ermöglicht, auf eine Vorverstärkerstufe zu verzichten. Ganz besonders vorteilhaft aber ist der erzeugte Spannungsverlauf. Während die Höhe der induzierten Spannung bei MM-, MI- und MC-Systeme abhängig von der Frequenz ist (je schneller sich der Nadelträger bewegt, desto höher ist die Frequenz und desto höher auch die Spannung), ist der Spannungsverlauf bei optischen Systemen frequenzunabhängig. Nur die Größe der Auslenkung beeinflusst die Signalstärke. Das hat zur Folge, dass die Entwickler eine rein passive RIAA-Entzerrung vornehmen können, was wiederum das eigentliche Signal nur minimal beeinflusst. Der Nachteil besteht darin, dass die Leuchtdiode mit Strom versorgt werden muss und dass die Signale des optischen Tonabnehmers eben nicht mit einem herkömmlichen Phono-Vorverstärker verarbeitet werden können. Deshalb ist hier immer ein externes Speiseteil notwendig.
DS Audio DSW-1 Optical Cartridge
Funktionsprinzip: Tonabnehmer mit fotoelektrischer Spannungserzeugung
Gehäusematerial: gefrästes Aluminium
Nadelträger: Borstäbchen
Nadelschliff: Shibata
Ausgangsspannung (1 kHz, Ausgang EQ Unit): 500 mV
Kanaltrennung: > 20 dB
Nadelnachgiebigkeit: keine Angabe
Gewicht: 6,5 g
Empfohlene Auflagekraft: 13–17 mN
DS Audio EQ Unit
Funktionsprinzip: externes Versorgungsteil und Entzerrer für DSW-1
Eingang: 1 x unsymmetrisch (Cinch) plus Masseanschluss
Ausgänge: 2 x unsymmetrisch (Cinch), davon 1 x mit Subsonicfilter
Maße (B/H/T): 32,5/10/21 cm
Gewicht: 5,5 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Setpreis: 8800 €
Preis Austauschsystem: 3900 €
High Fidelity Studio
Dominikanergasse 7
86150 Augsburg
Telefon 0821 37250
Mitspieler
Plattenspieler: SME Model 10, Technics SL-1210 Mk2
Tonarme: SME M2-9R, SME Series V
Tonabnehmer: Audio Technica AT-20SLa Ltd. Ed., EMT JSD-6, Ortofon Quintet Black, Goldring G-2200
Vorverstärker: Bryston BP 25 MC
Endstufe: Bryston 3B SST
Lautsprecher: Spendor SP100R2
Rack: Music Tools Alica
Zubehör: Tonarmwaage Shure SFG-2, Anlegeblock Millennium audio