CanEVER ZeroUno plus – Das Finden der verlorenen Zeit
Digital-Analog-Wandler sollen möglichst präzise ein Musiksignal von der digitalen in die analoge Welt übertragen. Das ist schon schwer genug. Und dann gibt es den CanEVER ZeroUno plus, der noch so viel mehr kann.
Das Thema Digitale Musikwiedergabe wird in der audiophilen Gemeinde seit jeher überaus kontrovers diskutiert. Ganz davon abgesehen, dass es nach Meinung einiger sowieso nicht funktionieren kann, spaltet sich die Gruppe der Befürworter – oder zumindest „Akzeptierer“ – in viele kleine Abteilungen. Allen gemein ist die Suche nach einer möglichst „natürlichen“ Wiedergabe. Und so unterschiedlich die subjektiven Vorstellungen von einer solchen „Natürlichkeit“ sind, so verschieden sind zwangsläufig die Wege, zu diesem heiligen Gral zu gelangen.
Für manche führt der Weg wieder zurück, nach hinten. Sie meinen, dass man nur mit den wirklich guten Wandlern der ersten Generationen noch echte Musik genießen kann. Andere propagieren mit schmucklosen Studio-DACs der neuesten Generation das Gegenteil. Manche bemühen gar Spielekonsolen – ein Weg, den ich neben vielen anderen auch ausprobiert habe und nie verstehen konnte. Was da beim Abspielen einer Masterdatei im Vergleich zu einem auch nur mittleren Studiowandler verlorenging, war so erschreckend, dass mich dieses Erlebnis für immer von dieser Verirrung kurierte. Der fantasieloseste Weg zu einem „musikalischen“ Wandler bestand für mich immer in dem plumpen Versuch, einer digitalen Standardschaltung durch eine Röhre in der Ausgangsstufe analoges Flair einzuhauchen. Als würde ein klein wenig Vakuum am Ende des Signalwegs ganz schnell alles wieder gutmachen. Nein, ein solches Feigenblättchen bringt nichts.
Jeder dieser Wege führt nur dann richtig zum Ziel, wenn er konsequent mit Wissen und Können beschritten wird. Sie ahnen, wohin die Reise geht: Wäre genau das beim CanEVER ZeroUno plus nicht der Fall, hätte ich mir die Vorrede sparen können.
Das Grundmodell dieses kombinierten Röhren-Vorverstärkers mit D/A-Wandler – der ZeroUno DAC – wurde schon in FIDELITY Nr. 26 (Ausgabe 4/2016) ausführlich betrachtet. Das Modell ZeroUno plus umfasst zusätzlich eine erstklassige analoge Röhrenvorstufe, was den durchaus saftigen Preis zu rechtfertigen vermag.
Zunächst zum Digitalteil des Plus-Modells. D/A-Wandler bauen viele Hersteller, doch wer kann einen solchen Wandler wirklich konstruieren und nicht nur eine OEM-Platine in ein eigenes Gehäuse schrauben? Mario Canever, der Gründer und Chef von CanEVER Audio, ist so ein Auskenner. Ihm reicht es auch längst noch nicht, einen anerkannt erstklassigen Chip (Sabre 32 DAC ES9018S), der mit acht separaten Konvertern und einer 32-Bit-Lautstärkeregelung glänzt, in eine eigens entwickelte Peripherie zu implementieren. Nach Canevers Meinung zeigt dieser Baustein nur dann alle seine Fähigkeiten, wenn die standardmäßige Firmware, die zwangsläufig auf größtmögliche Kompatibilität ausgelegt sei, durch eine bessere, speziell auf die gewünschte Anwendung ausgerichtete Version ersetzt wird. Auf diesem Wege könne man so weit wie möglich bei der Wandlung entstehende „digitale Artefakte“ vermeiden, die dem Klang Kälte und Härte verleihen, ihm seine „Natürlichkeit“ rauben. Das muss man zunächst einmal wissen – und dann auch noch können.
Ein spannendes Detail sitzt übrigens direkt hinter dem Wandler: zwei Lundahl-Übertrager mit amorphem Kern. CanEVER Audio verspricht sich von dieser Lösung einen kurzen und direkten Signalweg ohne allzu viel klangschädliche Filterung. Das Problem sei nur gewesen, einen Übertrager zu finden, der den Tiefton nicht zu sehr aufweicht. Am Rande sei schon bemerkt, dass dies absolut gelungen ist. Was dieser Wandler an präzisem, natürlich koloriertem und räumlich differenziertem Bass aus den Buchsen schüttelt, ist ab der ersten Sekunde des Hörens verblüffend. Diese Stabilität, davon ist Mario Canever überzeugt, kommt auch von der mit extremem Aufwand aufgebauten Stromversorgung: gleich mehrere Trafos für digitale und analoge Schaltkreise des Wandlers, separate Versorgungen für die einzelnen Vorstufensektionen und überall im Gerät kleine Siebungen direkt neben den eigentlichen Verbrauchern.
Die Bedienung des ZeroUno plus gibt keinerlei Rätsel auf. Die Rückseite bietet fast alle gewünschten Anschlüsse: Neben zwei analogen Cinch-Eingängen finden digitale Zuspieler Zugang per S/PDIF und AES/EBU (beides per Cinch), BNC, Toslink und USB. Endstufen oder aktive Lautsprecher werden symmetrisch oder unsymmetrisch angesteuert. Wenn sich in diesem Umfeld noch Platz für einen symmetrischen Eingang oder eine XLR-Buchse für den AES/EBU-Anschluss gefunden hätte, wäre mein Glück vollkommen. Aber ich gebe gerne zu: Das ist Meckern auf allerhöchstem Niveau.
Auf der Front dominieren zwei Drehschalter für Netz und Lautstärke das Bild, mit zwei kleinen Tastern wählt man die Eingänge und schaltet sich durch die diversen Menüpunkte. Das geht deutlich komfortabler mittels der mitgelieferten Fernbedienung – die so manches überhaupt erst möglich macht.
Der ZeroUno plus muss sich in unterschiedlichen Ketten beweisen. Der erste Test führt ihn, wie so viele andere Geräte auch, ins Studio. In dieser exakt definierten Umgebung werden kleinste Unterscheide mühelos hörbar, außerdem gibt es hier jede Menge erstklassige Daten in hoher Auflösung und ohne später zugefügte Beeinträchtigungen für den Massenmarkt. Die Anbindung an den Computer ist in der Windows-Welt etwas komplizierter als sonst, glücklicherweise gibt es auf den Homepages von Vertrieb und Hersteller ein PDF mit einer vorbildlichen Installationsanleitung. Eine solch erfreuliche Konsequenz dürfte öfters vorkommen.
Ist alles installiert und konfiguriert, kann der Spaß losgehen. Zuerst gibt es die jüngst entstandene Aufnahme einer Pavane von John Dowland zu hören, gespielt von historischen Streichinstrumenten (eine Geige, drei Bratschen, ein Cello). Der erste Eindruck ist der einer verblüffenden Weite. Das ganze Panorama scheint in Breite und Tiefe gestreckt zu sein, ohne an Präzision verloren zu haben. Jedes Schallereignis für sich ist gewohnt scharf umrissen, verfügt allenfalls über etwas mehr „Griff“, „Körper“ oder „Fleisch“ – das ist schwer zu formulieren, Sie werden aber wissen, was gemeint ist: Einzelne Stimmen wirken nicht flach und körperlos, sondern besitzen Tiefe und 3D-Qualität.
Diese Kombination aus Körper, Weite und Präzision habe ich in einer solchen Ausprägung noch nicht gehört. Faszinierend auch die unglaublich klare Differenzierung feinster klangfarblicher Unterschiede. Wenn ein Bogen auf der Saite etwas mehr in Richtung Steg wandert und der Ton dadurch an Obertönen gewinnt, ist das sofort hörbar. Allerdings stets im Kontext, ohne als separierte Einzelinformation präsentiert zu werden. Auch die klanglichen Unterschiede, die entstehen, wenn sich ein Musiker minimal vom Mikrofon wegdreht und somit ein anderer Abstrahlbereich des Instruments zur Membran zeigt, lassen sich mühelos erleben. Und wieder vollkommen eingebunden in die Musik, eher als unterstützende denn als separierende Information behandelt.
Nach vielen unterschiedlichen Stücken tritt eine andere Fähigkeit des ZeroUno plus immer klarer zutage, die beim schnellen Reinhören auch schon mal unbemerkt bleiben kann: Besser als die meisten anderen schafft es der Wandler im ZeroUno plus, kleinste zeitliche Differenzen in der Aufnahme ganz nebenbei aufzuschlüsseln. Man kann das ganz leicht mit einer Streichquartettaufnahme nachvollziehen. Tonanfänge, die bisher „zusammen“ wirkten, zeigen nun einen minimalen Versatz zwischen den einzelnen Stimmen. Zugegeben, nicht immer und auch nicht bei jeder Aufnahme. Allerdings reift bei mir nach vielen Stunden mit dem CanEVER die Überzeugung, dass Tonmeister die Musiker noch um ein paar Korrekturen mehr gebeten hätten, wenn sie ihre Aufnahmen über diesen DAC abgehört hätten. Über mehrere Anlagen und mit vielen unterschiedlichen Tonträgern gehört, bleibt das gleiche Bild. Es scheint, als fände der DAC im ZeroUno plus kleine Zeitbereiche, die anderen Wandlern schlicht verlorengehen.
Dieser Eindruck, der sich bei kleinen Kammerensembles noch verhältnismäßig leicht offenbart, verschwimmt spätestens, wenn eine Hundertschaft Mahler spielt. Bei einer solchen Orchestergröße und den immensen Entfernungen auf der Bühne entstehen zwangsläufig zeitliche Unschärfen. Aber auch hier kann der ZeroUno plus punkten, indem er den Hörer sehr schnell auf die Fährte eines sich gerade etablierenden Timings setzt. Zeitliche Abläufe werden über ihn so klar dargestellt, dass sich diese Parameter dem Hörer wie von selbst erschließen. Eine Wonne, wenn sich beispielsweise im zweiten Satz von Mahlers Vierter Sinfonie in dem gespenstischen Scherzo ein morbider Swing formiert. Dieser subtile Schwung, der einen schlichten Dreier zum Teufelstanz erhebt, wird vom ZeroUno plus im Moment seines Entstehens transportiert.
Wenn Sie diese Fähigkeit mit den eben schon beschriebenen Qualitäten in der Raumdarstellung und Klangfarbentreue kombinieren, bekommen Sie eine ungefähre Vorstellung davon, was man im Laufe einer Mahler-Sinfonie hier erlebt. Wer da nicht wenigstens für einen Moment der Welt abhanden kommt, hat kein Herz.
Selbstverständlich muss sich der ZeroUno plus noch einen Durchgang gefallen lassen: den Einsatz als reine Vorstufe. Zwischen Phono-Pre und Endstufe ersetzt er verschiedene Vorstufen und schlägt sich – um es kurz und knapp zu sagen – mehr als nur beachtlich. Diese analoge Röhren-Vorstufe im CanEVER ist viel mehr als nur ein zusätzliches Feature, sie ist den aufgerufenen Mehrpreis zum reinen DAC absolut wert. Ganz klar: Ich hatte in der Vergangenheit einige deutlich teurere Vorstufen hier, deren Performance nicht an die des ZeroUno plus heranreichte. Auch jetzt begeistert die Weite und Präzision der Darstellung, der Fluss und die Mühelosigkeit. Als Signatur kann man dem CanEVER allenfalls eine leichte Wärme – weit entfernt von kuscheligem Röhrensound – im präzisen Klangbild attestieren. Diese Wärme geht glücklicherweise nicht mit einem Mangel an Klarheit einher; es ist eher eine minimale klangfarbliche Verschiebung von Silber nach Gold, wenn Sie so wollen.
Die sehr niederohmig ausgelegte analoge Ausgangsstufe mit hoher Spannungslieferfähigkeit lässt übrigens die Kabelfrage deutlich in den Hintergrund treten. Sofern ein Kabel sauber aufgebaut ist, sind Länge und Preisklasse fast egal, der CanEVER treibt alles an – fast wie Studiogeräte, deren Anschlussnormen sich Rainer Israel vom deutschen Vertrieb, zudem geistiger Vater des ZeroUno plus, auch in der HiFi-Welt wünscht, damit die Raterei endlich ein Ende hat. Er rennt damit bei mir offene Türen ein.
Detailfreudig und gesamtheitlich aufspielende Kombination aus Analog und Digital, aus Vorverstärker und DAC in moderner Röhrentechnik. Klanglich eher Gold als Silber, veredelt der CanEVER ZeroUno plus auch höchstwertige Audiosysteme.
CanEVER ZeroUno plus
Analoge Röhrenvorstufe mit Digital-Analog-Wandler
Eingänge analog: 2 x unsymmetrisch (Cinch)
Eingänge digital: 3 x S/PDIF (Cinch, AES/EBU, Toslink), 1 x USB, optional: BNC- statt AES/EBU-Eingang
Kompatible Formate (via USB): PCM bis 32 bit/384 kHz, DSD64/128 (DoP, vorbereitet für native DSD bis DSD256)
Ausgänge analog: 1 x unsymmetrisch (Cinch), 1 x symmetrisch (XLR)
Röhrenbestückung: 2 x CV181-T2 (kompatibel mit Röhrenfamilie 6SN7)
Besonderheiten: zweistufiges Netzteil inkl. Netzfilter; proprietäre Firmware für Sabre-Chip 9018S; D/A-Wandlung durch Zwischenübertrager, Röhrenausgangsstufe; Fernbedienung u. a. für Lautstärke, absolute Phase und Balance, umfangreiches Setup-Menü inkl. Filterselektion; getrennte Lautstärkeregelung für Analogeingänge, Gainregelung und Pegelabgleich separat für Digital- und Analog-Eingänge
Vorstufenausgänge: 1 x Cinch, 1 x XLR
Ausführung: Anthrazit-Metallic (Sonderfarben gegen Aufpreis)
Maße (B/H/T): 40/18/36 cm
Gewicht: 12 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: 9950 €
Friends of Audio, Rainer Israel
Heinrichstraße 26
64347 Griesheim
Telefon 0170 4857199
Mitspieler:
Plattenspieler: Transrotor Apollon und Massimo
Tonarm: SME V
Tonabnehmer: Transrotor Tamino
Phonoverstärker: ifi iPhono
CD-Player/-Laufwerk: Mark Levinson 390S
Verstärker: Lavardin IT
Lautsprecher: Diapason Adamantes 25th, Spendor S3/5SE
Raum: 31qm, akustisch mit Diffusoren und Absorbern auf sinnvoll kurze Nachhallzeiten und weitgehend frequenzunabhängige Diffusion gebracht