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Audio Note P1 SE und M1

Test Audio Note P1 SE und M1

Audio Note P1 SE und M1 – Ganz oben auf dem kleinen Gipfel

Audio Note ist richtig teuer. Und etwas Besonderes. Doch einem von sechsstelligen Preisschildern verklärten Blick entgehen nur allzu leicht die Einstiegsofferten der Firma. Schade!

Audio Note P1 SE und M1

Es ist ja nicht so, dass man mich nicht gewarnt hätte. Ein Bericht über ein Gerät von Audio Note, so wurde mir hinterbracht, sei nun wirklich eine andere Arbeit, als man sie sonst so kenne. Nein, dies sei nicht „normal“.
Denn „normal“ ist meistens so: Es kommt ein Paket, man packt den (zum Beispiel) Verstärker aus, telefoniert mit Vertrieb und Entwickler, schließt den Verstärker an und hört, telefoniert dann noch mal, hört weiter, schreibt, schickt zurück.
Audio Note ist so: Alexander Voigt, der deutsche Distributor und ein hundertprozentiger Audio-Note-ianer, führt mehrere Vorgespräche, klopft per Mail die räumlichen und technischen Gegebenheiten ab, um schließlich die Verstärker selbst anzuliefern und zu installieren. Das sei selbst bei der kleinsten Kombi schon angebracht, so Voigt, es werde doch so vieles falsch gemacht. Und damit es garantiert richtig läuft, hat der gute Mann nicht nur die kleinen Verstärker des Hauses, um die es hier gehen soll, sondern auch ein Paar Lautsprecher, einen komplett bestückten Plattenspieler und alle benötigten Kabel im randvollen Auto dabei – von der Steckdose bis zum Lautsprecher: Audio Note.

Starke Worte

„Wir meinen es ernst“, sagt Alexander Voigt während des Aufbaus, und der offensichtliche Aufwand stützt sein Credo, „denn uns geht es um Musik! Um das Erleben! Um HiFi, Technik und Testsieger können sich gerne andere kümmern.“ Das „wir“ bedeutet natürlich Audio Note, aber das haben Sie, liebe Leser, schon im Bericht über die Komplettanlage in FIDELITY Nr. 1 (Ausgabe 3/2012) lernen dürfen.
Es geht also um Musik. Das sind starke Worte. Und es ist nicht so, dass ich solche Ansagen noch nie gehört hätte, reklamieren doch viele Hersteller und Vertriebe, dass es ihnen genau nur um das Eine, um die Musik gehe. Und ganz oft, das muss ich leider gestehen, bleibt man mir dafür den Beweis schuldig, lässt die Darbietung eben nicht die Technik hinter sich.
Mit Audio Note habe ich bislang recht wenig Erfahrungen sammeln können. Eindrücklich war die „Pilgerfahrt“ zum neuen Überplayer-Quartett (FIDELITY Nr. 4, Ausgabe 6/2012), dessen preisliche Einordnung so weit jenseits meiner Maßstäbe liegt, dass mir das Repertoire fehlt, darüber diskutieren oder urteilen zu können. Fest steht allerdings auch, dass ich mich nicht erinnern kann, jemals vor einer Stereoanlage und ohne die Beteiligung echter, lebendiger Musiker so schnell und so tief in der Musik gelandet zu sein. Und das, obwohl die Gegebenheiten (lange Anreise, mitten am Tag, nicht unbedingt meine Musik, nicht alleine im Raum) im Grunde gegen eine besonders innige Stimmung sprachen.
Umso spannender ist es nun für mich, die kleine Vor- und Endstufe der englischen Manufaktur begutachten und erleben zu dürfen. Vierstellige Preisschilder, deren erste Ziffer jeweils eine Zwei ist, dürfen für Audio Note als Sensation gelten, und schon frage ich mich, wie weit die erlebte Faszination auch von diesen Davids vermittelt werden kann.
Die Gehäuse von M1 Phono und P1 SE bieten den gewohnten AN-Standard in quasi halber Breite. Auch Gestaltung und mechanische Raffinesse werden den Kenner kaum überraschen. Aber, so Alexander Voigt, es geht ja schließlich um die inneren Werte. Die kommen bei der Endstufe in Form eines gradlinigen Single-Ended-Aufbaus (SE) vergleichsweise „normal“ daher, allenfalls die Röhrenwahl überrascht: EL84 sind in HiFi-Anwendungen heutzutage deutlich seltener anzutreffen als die üblichen Verdächtigen EL34, KT88, 300B oder 2A3. Der Vorteil der EL84, dieser kleinen und unscheinbaren Röhrenkreation der 50er Jahre: Sie wurde damals in den meisten Röhrenradios eingesetzt. Eine Ersatzteilbeschaffung sollte daher vollkommen problemlos und zudem ausgesprochen preisgünstig sein.
Ansonsten erfahre ich wenig über die Tricks und Kniffe der Verstärker. Die Übertrager seien samt und sonders selbst und daher perfekt passend gewickelt, Bauteile speziell selektiert, Layouts im Laufe der letzten 20 Jahre stetig im Detail verbessert worden … Und wie genau? – No comment.
Auch die Vorstufe M1 ist ein ganz gradliniges Design, die im Hochpegel-Teil mit einer ECC82 bestückt ist. In der MM-Phonovorstufe kommen neben einer passiven Entzerrung noch eine ECC83 und eine 6DJ8 (auch ECC88 genannt) zum Einsatz. Der Rest ist Netzteil. Die leidige Frage nach dem Geld muss nach dem Begutachten der Zutaten beantwortet werden. Röhrenspezialist RK bringt es mit der salomonischen Feststellung auf den Punkt, es handele sich zwar nicht um Schnäppchen, doch angesichts des Produktionsstandortes (England) und der sauberen Ausführung gehe der Preis definitiv in Ordnung. Und ich stelle fest, dass die Buchsen auf den Rückseiten verheißungsvoll silbern schimmern …

Erste Töne

Lassen wir es dabei bewenden. Der Klang soll entscheiden und nicht die Bauteilliste. Nachdem Alexander Voigt mit Metermaß und viel Erfahrung alles in meinem Musikzimmer platziert und angeschlossen hat, spielen die ersten Töne. Natürlich ist die Anlage noch autokalt und läuft erst seit wenigen Minuten. Und doch versprechen diese ersten Töne schon wieder die schon einmal erlebte Unmittelbarkeit. In geringerem Maße zwar, doch die Gene sind unüberhörbar. Zur Aufstellung der Lautsprecher möchte ich noch ein paar Worte verlieren. In den kommenden Wochen experimentiere ich viel und erziele an mehreren Punkten im Raum gute Ergebnisse. Am besten, weil homogensten, klingt es stets nah an der Wand, wie es auch Audio Note empfiehlt (zusätzliche Bilder finden Sie auf www.fidelity-magazin.de unter Story plus). Ich denke, dass diese Position in 90 Prozent der partnerschaftlich genutzten Wohnzimmer größte Zustimmung des Familienrates erfahren dürfte. Und was nützt einem ein auf freie Aufstellung gezüchteter Superlautsprecher, der zu Hause sein Dasein zwischen Wand, Sessel und Schrankwand fristen muss? Eben. Ich muss mich bremsen, um hier nicht noch mehr zu schreiben. Vielleicht kommen auch einmal diese Lautsprecher, gerne auch die größeren Modelle, alleine zu mir. Dann gibt’s mehr darüber zu lesen …
Die beiden Verstärker M1 und P1 SE habe ich nicht nur mit den hauseigenen Lautsprechern gehört, obwohl das eindeutig am stimmigsten klang. So zeigen kleine, wirkungsgradschwache Spendor-Monitore die Grenzen von 10 Watt recht schnell auf, während Zu Audios Soul über sich hinauswachsen. Immer bleibt jedoch der Grundcharakter der Audio Notes hörbar: Musik klingt mit ihnen plastisch, subjektiv „schnell“, durchsichtig, griffig. Die Musiker treten vor die Lautsprecherebene auf den Hörer zu, was das Gefühl des „Dabeiseins“ enorm verstärkt.

Dabeisein ist alles

In Liebster Jesu, hör mein Flehen von Johann Michael Bach (eine durchaus gut klingende, digital aufgenommene DGG-LP) steht Maria Zedelius so klar und deutlich vor dem Ensemble, steht so lebensecht vor mir, dass ein Gedanke an Technik gar nicht erst aufkommt. Und hier schließt sich der Kreis zum Erlebnis der großen AN-Kette. Auch dort spürte ich diese elektrisierende Präsenz der Musiker im Raum. Hier gelingt das zwar nicht in gleichem Maße, aber das wäre wohl auch etwas viel verlangt. Dennoch erlebe ich auch jetzt wieder dieses involvierende Moment: Die Streicher stehen in einem weiten Halbkreis vor mir, die Sängerin steht davor – und alle haben mir etwas zu sagen. An dieser Stelle scheidet sich klangfarblich bei Anlagen die Spreu vom Weizen. Denn die vielen Streicher spielen sehr ähnliche Instrumente, die Komposition ist hier zudem besonders eng gesetzt. Das heißt, dass die Tonabstände zwischen den einzelnen Stimmen eher klein sind, was die Identifikation der individuellen Linien erschwert. Eine genaue Aufschlüsselung der klanglichen Eigenheiten der einzelnen Instrumente hilft da enorm. Und die kleinen Audio Notes schlagen sich auch hier ausgesprochen wacker. Sowohl die kürzlich gehörte Referenzanlage als auch einige wenige Verstärker, die ich in meinen eigenen vier Wänden genoss, liefern zwar ein paar Schattierungen mehr. So etwa der Lavardin, der sich allerdings bei der Randschärfe der Tonkonturen den Schneid abkaufen lassen muss. Und auch die faszinierende Plastizität, mit der die Sängerin via Audio Note vor dem Ensemble steht, geht dem Franzosen ab. Großes Kompliment also an Audio Note! Schon jetzt steht für mich fest: Musik klingt über AN-Anlagen einfach nicht egal! Sie packt, fasziniert, erhebt!

Studioklang?

Ob es vor dem Mikrofon wohl genauso klang? Liefern diese Verstärker ein exaktes Abbild der Konserve? Nein. Zum Glück. Denn sie werten die eingehenden Informationen auf und machen aus schlichten Daten ein Erlebnis. Über mein Studioequipment, um einen besonders krassen Vergleich anzubringen, kann ich Musikerpositionen genauer erkennen, erhalte mehr technische Informationen über den Mix und Schnitt, erkenne (leider zu oft) die Stützen im Panorama. All das präsentieren die beiden Röhrenverstärker nicht in diesem Maße, doch sie schaffen es zugleich, dass mir dieser Umstand völlig egal ist. Denn es bedeutet schon etwas, wenn ich eine abgenudelte Platte wie Harry Belafontes Concert In Carnegie Hall nicht nur zum technischen Beurteilen hernehme, sondern sie mit erheblichem Genuss mehrmals anhören mag und mich von der prickelnden Atmosphäre anstecken lasse. Die beiden Verstärker erreichen das mit ihrem Klang, der – eine angenehme Überraschung – so gar nicht „weich und röhrig“ ist. Vielmehr marschieren M1 und P1 SE derart zackig voran, dass ich es zuerst gar nicht glauben möchte. Im Grundton schieben sie kein bequemes Bäuchlein vor sich her, sondern demonstrieren an Lautsprechern von Zu und Audio Note definierte Sportlichkeit. Mit dieser zupackenden Attitüde geht es bis ganz nach oben, ein „Vergolden“ der höchsten Frequenzen ist mit keinem der Lautsprecher auszumachen. Diese klangliche Homogenität über den gesamten Frequenzbereich spricht für sorgsam und vor allem exakt zur Schaltung passend gewickelte Übertrager. Wohl dem, der das im eigenen Hause erledigen kann.
Das eingebaute Phonoboard (für MM-Systeme) spielt in den Wochen bei mir mit Tonabnehmern von Audio Note (wie gesagt: das Auto war voll), Goldring und Ortofon. Klanglich schlägt es in die gleiche Kerbe wie der Rest der Schaltung, leistet sich lediglich einen minimalen Stich ins Warme. Bei den vielen mediokren Platten in meinem Schrank (ich bin begeisterter Gebrauchtplatten- Käufer) kann es durchaus von Vorteil sein, wenn hier nicht auch noch die gleiche Straffheit vorherrscht. So kommen dann wieder einige Farben mehr ins Spiel. Auch beim musikalischen Fluss lässt die Phonostufe nichts anbrennen. Nach einigen Vergleichen meine ich, dass man schon die 1000-Euro- Grenze überschreiten muss, um mit externen Phonostufen eine echte Verbesserung zu erzielen.

Die Kette macht’s

Alexander Voigt hat bei mir ein komplettes System installiert, obwohl ich nur Verstärker hören wollte. Herr Voigt meint, dass das genau so sein sollte. Seiner Erfahrung nach würden zusammengestückelte Ketten nur mit viel Glück wirklich rund laufen. In der Tat muss ich ihm zustimmen, wenn ich an meine Erlebnisse mit Komplettanlagen von MBL, Naim, Phonosophie oder eben Audio Note denke. Nun habe ich die beiden Verstärker, wie schon erwähnt, auch aus dem Kontext gerissen, habe andere Quellen und Lautsprecher angeschlossen, den Tonabnehmer im eigenen Plattenspieler montiert, die Kabel ausgetauscht. Und das lief auch immer gut – herausragend gut aber eben nur im Zusammenspiel, in der vollständigen Audio-Note-Kette, wobei ich persönlich die Lautsprecher als das wichtigste Element bezeichnen würde. Andere Lautsprecherkabel laufen ebenfalls gut, andere Boxen aber machen aus dem Audio-Note- Setup einfach „nur“ noch eine gute Anlage. Einzig im Team mit den hauseigenen Schallwandlern offenbaren die Verstärker ihren ganz eigenen Zauber. Nein, normal ist das wirklich nicht. Sondern faszinierend!

Voigt Audiosysteme

Tel: 0049 6195 61003

http://www.audionote.co.uk/

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