Acoustic Masterpiece T-01 – Mit Tadition und Moderne zum Meisterwerk
Sollten Analogfans spontan einen japanischen Hersteller für hochwertige Masselaufwerke nennen‚ wäre das vermutlich in mehr als neun von zehn Fällen Micro Seiki. Leider existiert Micro Seiki schon lange nicht mehr. Aber es gibt Firmen, die an die Prinzipien und das Qualitätsverständnis der Marke anknüpfen. Acoustic Masterpiece ist eine davon.
Ab und zu schadet es nicht, sich einfach mal wieder ein paar grundlegende Prinzipien vor Augen zu führen, sich elementare Fragen zu stellen. Zum Beispiel diese: Was soll ein analoges Laufwerk eigentlich leisten? – Frei nach einer Liste, die Henry Azima, der einst die englische Firma Mission mitbegründete, in der Bedienungsanleitung seines heute fast vergessenen Laufwerks Mission 775SM aufführte, lassen sich die Aufgaben eines Analoglaufwerks in etwa so definieren:
- Ein Laufwerk muss eine Schallplatte konstant mit der richtigen Geschwindigkeit drehen.
- Ein Laufwerk muss maximal stabil sein, wobei es zwischen Teller und Tonarm zu keinen Relativbewegungen oder gar Resonanzen kommen darf.
- Ein Laufwerk muss den Abtastprozess vor Körperschall bewahren, der zum Beispiel – von den Lautsprechern ausgehend – über den Boden in das Rack zum Plattenspieler gelangen kann.
- Ein Laufwerk muss den Abtastprozess vor Einflüssen des Luftschalls schützen.
- Ein Laufwerk darf selbst keine mechanischen Störungen durch die Bewegungen des Motors oder durch eine schlechte Qualität der beweglichen Komponenten, etwa des Tellerlagers, verursachen.
- Elektrische Einflüsse durch Streufelder von Motor und Motorsteuerung, die Brummen erzeugen könnten, müssen konstruktiv ausgeschlossen sein.
Man sollte meinen, dass es sich hier um Anforderungen handelt, die heutzutage leicht zu erfüllen sind. Doch so mancher hochgelobte Plattenspieler muss passen, wenn man ihn mit einfachen Mitteln, die jeder Analogfan zur Hand haben sollte, auf die oben genannten Punkte hin prüft.
Aus gutem Hause
Möglicherweise sagt Ihnen die Firma A+M Limited nichts. Doch hinter den Produkten und dem Kürzel steckt keineswegs ein Unbekannter: Atsushi Miura, dessen Initialen für das japanische Unternehmen stehen, verbrachte sowohl Lehr- als auch Herrenjahre bei keiner geringeren Firma als Luxman. Mitte der 1980er Jahre verließ er jedoch die Firma, weil der damals bei den großen Unterhaltungselektronikherstellern allerorten zu beobachtende Trend zu preiswerten, transistorisierten und somit – zumindest seiner Ansicht nach – mittelmäßigen HiFi-Produkten bei ihm den Wunsch aufkommen ließ, sich der Weiterentwicklung insbesondere qualitativ hochwertiger Röhrenverstärkern zu widmen und diese anspruchsvollen Kunden anzubieten. Produkte seiner Firma A+M Limited werden seither unter den Markennamen Air Tight und Acoustic Masterpiece angeboten. Außer für Röhrentechnik hat Atsushi Miura auch eine besondere Vorliebe für die analoge Wiedergabe; die sich bereits vor einigen Jahren in vier nach wie vor erhältlichen Tonabnehmern manifestierte. Das Spitzenmodell PC-1 Supreme konnte ich mehrfach auf dem Rocky Mountain Audio Fest (RMAF) in Denver, Colorado, hören, wo es mich sehr beeindruckt hat. Leider war es mir bisher nicht möglich, mich mit diesem Ausnahmesystem oder seinen deutlich preiswerteren Geschwistern in Ruhe zu Hause beschäftigen. Dafür ergreife ich hier die Gelegenheit, Ihnen den ersten Plattenspieler von A+M Limited vorzustellen – genauer: das Laufwerk Acoustic Masterpiece T-01.
Der T-01 gehört mit über 22 Kilogramm ganz eindeutig zu den Masselaufwerken. Doch im Gegensatz zu den Produkten vieler Mitbewerber steckt er voller cleverer technischer Detaillösungen, die zumindest in dieser Kombination wohl einzigartig sein dürften.
Das beginnt schon mit den Standfüßen. Nimmt man den T-01 aus seiner Verpackung, so wird einem ein gewisses Klappern nicht entgehen. Es stammt von den drei Standfüßen, die über sich gegenseitig abstoßende Magnete eine von der Stellfläche entkoppelte Aufstellung des Plattenspielers ermöglichen und selbstverständlich in der Höhe einstellbar sind. Erst wenn das volle Gewicht des Plattenspielers auf diesen Standbeinen ruht, können die Magnete ihre segensreiche Wirkung entfalten – sie stoßen nun nicht mehr gegen ihre Seitenführungen, was das Klappern verursacht hatte. Einmal aufgestellt, klappert überhaupt nichts mehr; zugleich wird das Laufwerk wirkungsvoll gegen Körperschall entkoppelt. Punkt 3 der obigen Liste kann also getrost als abgehakt gelten.
Dass auch Punkt 2 einwandfrei erfüllt wird, garantiert eine Zarge, die aus einer rund drei Zentimeter dicken, äußerst stabilen Platte aus schwarz eloxiertem Aluminium besteht. Deren asymmetrische Form lässt sich wohl am ehesten als „rechteckig mit ein paar Ausbuchtungen und Abrundungen“ beschreiben. Hinten links und rechts gibt es zwei kreisförmige Aussparungen, in denen passende Basen für jeweils einen Tonarm montiert werden können. Da diese Aussparungen einen festen Abstand zur Plattentellermitte aufweisen, können ausschließlich Neun-Zoll- und nur in Ausnahmefällen auch Zehn- Zoll-Tonarme montiert werden. Bevor man einen solchen kauft, sollte man vorher mit dem Händler seines Vertrauens ganz konkret abklären, ob die Montage auf dem T-01 auch wirklich möglich ist.
Im Lieferumfang des mir zur Verfügung gestellten Exemplars befindet sich je eine Basis für Rega-und SME-Tonarme. Es sind aber auch Basen für andere Tonarme erhältlich, gegebenenfalls können auch Sonderwünsche berücksichtigt werden.
Auf der Rückseite entdecke ich ein äußerst praktisches Detail: eine Erdungsklemme. Wie nützlich so etwas sein kann, weiß jeder, der sich schon mal beim Betrieb von hochinduktiven Tonabnehmern mit Brummproblemen herumgeschlagen hat. Da kann eine Verbindung zwischen Plattenspieler-zarge und Vorverstärker (oder eben auch das Weglassen derselben) die Lösung sein.
Magnetische Lagerung des Tellers
Vorne links in der Zarge ist ein kleines LCD-Display eingelassen, das auf Knopfdruck die aktuelle Umdrehungsgeschwindigkeit des Plattentellers anzeigt. Unterhalb des Tellers ist eine Lichtschranke angebracht, deren Licht normalerweise von der schwarzen Unterseite des Tellerrands nicht reflektiert wird. An einer Stelle ist jedoch ein Stück Isolierband angebracht, das den Lichtstrahl zurückwirft. Der Lichtsensor misst die Zeit zwischen den einzelnen Reflexionen und kann so die aktuelle Umdrehungsgeschwindigkeit berechnen. Dieses Verfahren ist sicherlich nicht so genau wie eine Stroboskopscheibe, aber wenn eine solche gerade nicht zur Hand ist, kann man mit ein bisschen Geduld sehr wohl die Geschwindigkeit anhand der Anzeige einstellen. Und ist er einmal korrekt eingestellt, hält der T-01 seine Geschwindigkeit perfekt, wie ein Blick auf die Stroboskopscheibe beweist. Auch die Hörprobe mit Aufnahmen von lang anhaltenden Synthesizer-Tönen belegt, dass sich der Acoustic Masterpiece hier keine Schwäche erlaubt.
Ein Garant für die guten Gleichlaufeigenschaften ist sicherlich der fünf Kilogramm schwere Plattenteller. Er besteht aus einer Aluminiumlegierung, die durch Beimengung von etwas Kupfer den blassgoldenen, häufig als „Champagner“ bezeichneten Farbton erhält. Er wird auf eine Art Subteller aufgesetzt, der eine keramische Achse und einen Magnetring umfasst. Die Lagerbuchse aus Bronze wird ebenfalls von einem gleichpoligen Magnetring umfasst, sodass Subteller und Lager sich gegenseitig abstoßen. Auf der Unterseite der Zarge befindet sich eine massive Schraube, die den Lagerboden anhebt beziehungsweise absenkt. Der Kunde kann sich also entscheiden, ob er den Teller freischwebend oder mit einem minimalen Druck auf die Lagerachse betreiben will.
So oder so: Das Lager weist keinerlei Spiel auf und der Teller dreht sich eine gefühlte Ewigkeit nach, wenn man ihn mal ohne anliegenden Riemen in Schwung bringt; störende Einflüsse von dieser Seite sind also nicht zu erwarten. Auch die Magnetringe beeinflussen nicht die Auflagekraft, wenn sich der Tonarm samt Tonabnehmer im Innenbereich der Schallplatte und damit in relativer Nähe zu diesen doch beachtlich starken Magneten befindet.
Wo sanfte Kräfte sinnvoll walten
Dass der Motor keine Vibrationen auf die Zarge überträgt, garantiert die separat aufzustellende
Motorsteuerung sowie ein sehr weicher, farbloser Silikonriemen. Das Netzteil der Steuerung ist zudem in den Stecker ausgelagert, damit auch elektrische Störkomponenten keine Chance haben. Der Motor selbst scheint bewusst schwach ausgelegt zu sein. Soll er den Plattenteller ohne manuelle Unterstützung des Benutzers in Schwung bringen, braucht er doch ziemlich lange, um die Nenndrehzahl zu erreichen. Dafür kann man den Motor auch dann nicht hören, wenn man mit seinen Ohren sehr nah ans Pulley herangeht.
An der linken Seite der Motorsteuerung sind zwei Potentiometer angebracht, die eine Regulierung der beiden möglichen Umdrehungsgeschwindigkeiten erlauben. Hier muss man allerdings sehr feinfühlig vorgehen, denn bereits kleine Drehungen an diesen Potis bewirken eine relativ große Änderung der Geschwindigkeit. Auch die Motorsteuerung steht auf höhenverstellbaren Füßen, sodass sie exakt parallel zum Laufwerk ausgerichtet werden kann; auf eine aufwendige Magnetlagerung wie bei der Zarge wurde hier allerdings verzichtet.
Da der Antrieb und das eigentliche Laufwerk beim Acoustic Masterpiece getrennt sind, benötigt er eine Stellfläche von beachtlicher Größe. Mit 66 Zentimeter Breite und 42 Zentimeter Tiefe ist diese schon recht ausladend, wirkt aber keineswegs überdimensioniert – ganz im Gegenteil: Der T-01 besitzt eine rundum gediegene Eleganz, die von der hervorragenden Verarbeitungsqualität aller Bauteile noch unterstrichen wird. Einzig das billig wirkende Steckernetzteil bietet hier Anlass zur Kritik. Es sollte am besten „unsichtbar“ positioniert werden; aus technischer Sicht wird es vollumfänglich seiner Aufgabe gerecht. Was selbstverständlich auch für das Laufwerk als Ganzes gilt: Ganz offensichtlich hat der Konstrukteur seine Hausaufgaben sorgfältig gemacht und jeder einzelnen Aufgabe eines Plattenspielers die ihr gebührende Beachtung geschenkt.
Teller und Lager
Der T-01 wurde ohne Tonarm an mich geliefert, und so trifft es sich ganz gut, dass sich der SME M2-9R (siehe Bericht in FIDELITY Nr. 9, Ausgabe 5/2013) noch in meinem Besitz befindet. Als Tonabnehmer kommen Clearaudio Concept MC (siehe Bericht in FIDELITY Nr. 11, Ausgabe 1/2014), Nagaoka MP-500 sowie ein „gut abgehangenes“ Zyx RS20 II H, das mir ein Freund zur Begutachtung überlassen hat, zum Einsatz. Auch eine Tellermatte gehört nicht zum Lieferumfang. Die Internetseite des Vertriebs empfiehlt zwar die Verwendung von Leder, doch damit kann ich derzeit leider nicht dienen. Also muss der T-01 mit der Carbonmatte von Millennium Audio vorliebnehmen.
Schnell stellt sich heraus, dass der optische Eindruck des Acoustic Masterpiece T-01 auch klanglich seine Entsprechung findet: Kompetent, elegant und in keiner Art und Weise aufdringlich spielend, gehört dieser Japaner zu den ausgesprochenen Feinzeichnern. Jeweils im Rahmen dessen, was die genannten Tonabnehmer aus der Plattenrille auszulesen imstande sind, habe ich stets das gute Gefühl, dass ihnen kein noch so winziges Detail verborgen bleibt. Dies gilt insbesondere für die riesige Bühne, die der Acoustic Masterpiece aufzubauen vermag. Höre ich beispielsweise von Tangerine Dream „Tang-ram Part One“ (auf dem Sampler Dream Sequence, Virgin 302 666), wird mir beinahe schon schwindlig, so breit und vor allem so tief ist der aufgespannte Raum. Wie zum Ausgleich stellt er bei poppigeren Stücken – etwa bei „Relax“ von Frankie Goes To Hollywood (Welcome To The Pleasure Dome, Island 302 419) – den Beat nicht so ultimativ treibend in den Vordergrund, wie das manch andere Laufwerke, namentlich Reibradler, zu tun pflegen. Stattdessen punktet der Acoustic Masterpiece mit einer immensen Feinzeichnung, die so sensible Aufnahmen wie etwa Eric Bibbs Rainbow People (Opus3 LP7723) zu einem ausgesprochen audiophilen Genuss werden lässt. Der T-01 bietet den unterschiedlichen akustischen Instrumenten den ihnen jeweils gebührenden Raum, ohne einzelne Impulse zu verschleifen. Diesen Klangeindruck kann man übrigens noch ein wenig verstärken, indem man das Tellerlager „entspannt“, sodass der Teller nur noch von den Magneten in der Senkrechten getragen wird. Allerdings ist dieser Unterschied wirklich nur als Nuance wahrzunehmen; hier zählt allein der persönliche Geschmack. Überhaupt gibt der absolut makellos auftretende Acoustic Masterpiece T-01 seinem Besitzer viel Raum für persönliche Freiheiten, wenn es darum geht, den passenden Tonarm oder eine geeignete Tellermatte zu wählen oder eben auch die klangliche Richtung des Lagers auszulegen. Die vorzügliche Verarbeitung und die technische Perfektion des T-01 lassen erwarten, dass sein Besitzer sehr lange sehr viel Freude an ihm haben wird – ganz ähnlich, wie es vor vielen Jahren mit Laufwerken von Micro Seiki der Fall war. Atsushi Miura hat mit dem T-01 definitiv ein Meisterstück japanischen Maschinenbaus abgeliefert.