Taylor Swift – Folklore
Fußball-EM, Olympia, US-Wahlkampf – im Sommer 2024 war einiges los. Und doch gab es eine, die zu dieser Zeit alles überstrahlte: Taylor Swift.
Irgendwie waren oder wollten alle (siehe Kolumne auf der letzten Seite) zu den wenigen Konzerten, die Swift in Deutschland gab. Und schwärmten, ob man es hören wollte oder nicht, von ihrer Begeisterung. So geschehen auch bei einer langen Autofahrt, als mir eine Freundin alle Songs ihrer „Eras Tour“-Playlist vorspielte. Unter diversen „Wusstest du, dass …“-Anekdoten war auch diese: „Taylor hat auf einem Album mit dem Produzenten von Lana Del Rey zusammengearbeitet.“ Und dann, das Display im Auto zeigt gerade den Titel an, werde ich bei zartesten Tönen hellhörig. „Ist der von dem Album?“, frage ich.
Volltreffer. Das Album: Folklore aus dem Jahr 2020. Hier haucht Taylor Swift mehr, als dass sie singt. Ihre Stimme hat viel Hall bekommen, insgesamt herrscht eine sphärische Vintage-Atmosphäre. Zu Hause an den Lautsprechern gebe ich mich dem voll hin: „This Is Me Trying“ mit vollem Bombast. Unglaublich. Swift scheint vor meinem Sofa zu stehen. Und irgendwie auch Lana Del Rey. In meinem Kopf – dezent fange ich an zu träumen – verschmelzen beide zu Taylor Del Rey bzw. Lana Swift. Verantwortlich für dieses bewusstseinserweiternde Erlebnis: Produzent Jack Antonoff. Für Lana Del Rey, in dieser Rubrik schon mal als „dunkle Fee der Popmusik“ bezeichnet, produzierte der US-Amerikaner mehrere Alben. Auf Taylor Swifts achtem Studioalbum Folklore ist er an sechs von 16 Liedern beteiligt, als Co-Produzent und Komponist.
Ein seltsames Erlebnis für einen wie mich, der von Swift hauptsächlich „Shake It Off“ und „Bad Blood“ aus dem Radio kannte. Mit Folklore bewegt sich Taylor Swift auf neuem Terrain. Das Album ist eine Mixtur aus Folk und Indie-Musik. Für viele Swifties, wie sich die Fans der US-Amerikanerin nennen, ist Folklore deshalb das spannendste Album. Die von einem Piano und von sanften Synthiesounds getragene Ballade „Cardigan“ setzt auch direkt den Ton: Es geht um die Reduktion aufs Wesentliche. Synthie, Piano, Gitarre und Gesang – mit wenigen Ausnahmen, wie etwa der Mundharmonika auf „Betty“, ist das alles, was Swift für ihr Album braucht.
Neben Antonoff holte sich Swift dafür einen zweiten Fachmann an Bord: Aaron Dessner. Der Amerikaner ist so etwas wie die Allzweckwaffe, wenn es um die Ausgestaltung von Indiepop-Klangwelten geht. Als Songwriter, Gitarrist und Keyboarder der Rockband The National machte er sich in der Szene einen Namen. Als Produzent und Songwriter arbeitete er mit Musikschwergewichten wie etwa Ed Sheeran oder REM-Sänger Michael Stipe zusammen. Und eben mit Taylor Swift. Die hatte die Demos zu Folklore während der Coronapandemie im eigenen Schlafzimmer aufgenommen: dem Kitty Committee Studio. Benannt nach ihren Katzen, die während der Aufnahmen im Hintergrund auf ihrem Bett miteinander kämpften. Den warmen und atmosphärischen Klang der Songs polierte Aaron Dessner dann in seinem Long Pond Studio im US-Bundesstaat New York auf.
Als einer von ganz wenigen hatte er dafür das passende Equipment. Denn in seinem Studio im Hudson Valley, so ist es zu lesen, hat er als einer von nur drei Menschen in den USA eine Siemens-Konsole aus den Sechzigerjahren stehen. Sie kann Songs Wärme und analoge Sättigung verpassen – und eignete sich ideal, um die postmoderne Vintage-Hülle für Swifts Folklore-Session zu erzeugen. Eine Klangkulisse, die ankam: Folklore verkaufte sich im Jahr 2020 allein in den USA mehr als eine Million Mal – und wurde mit dem Grammy als bestes Album des Jahres ausgezeichnet.
Übrigens: Es gibt tatsächlich ein Duett von Lana Del Rey und Taylor Swift. „Snow On The Beach“ vom Swift-Album Midnights aus dem Jahr 2022 wurde natürlich auch von Jack Antonoff produziert.
Taylor Swift – Folklore
Label: Republic Records
Format: CD, Vinyl, DL 24/44