Forever Young – 50 Jahre Album-Klassiker – Steely Dan: Can’t Buy A Thrill
Walter Becker und Donald Fagen kannten sich bereits jahrelang, als 1972 ihr Erstlingswerk Can’t Buy A Thrill auf ABC Dunhill Records erschien. Ihr Bandname: Steely Dan. Während auf den späteren Alben jazzige Elemente eine größere Rolle spielen, orientierte sich das Debüt eher an den popmusikalischen Strukturen der frühen 1970er. Dennoch wies der Latin-Jazz-Rhythmus des populären Openers „Do It Again“ bereits die Richtung, in die es auf den folgenden Alben gehen sollte.
Ganz anders klingt das eher seichte „Dirty Work“, was vor allem daran liegt, dass statt Donald Fagen der Soulsänger David Palmer am Mikrofon stand. Einige Quellen nennen Palmer sogar als Gründungsmitglied – das sahen Becker und Fagen völlig anders, was Anfang der 2000er sogar in einem Streit um Tantiemen gipfelte. Es gab wohl einen pragmatischen Grund, warum Palmer auf Can’t Buy A Thrill mehrfach Hauptgesang und Background übernahm: Als die Hälfte der Tracks eingespielt war, kam von ABC Dunhill die Ansage, dass nach Veröffentlichung der Platte eine Tour anstehe. Donald Fagen, der zu der Zeit an gelegentlichen Panikattacken litt, konnte sich nicht vorstellen, auf der Bühne den Bandleader zu mimen, und bestand auf einem anderen Sänger. Auf dem Folgealbum war Palmer dann nur noch sporadisch im Hintergrund zu hören, womit sein Gastspiel beendet war.
Apropos Gäste: Da die Band immer nur aus Donald Fagen und dem 2017 verstorbenen Walter Becker bestand – so sagen es zumindest die Produktionsnotizen der 2021 erschienen Neuauflage ihres Debütalbums – gab es davon natürlich einige. Da ist zum einen Jeff „Skunk“ Baxter, mit dem beide schon vorher in New York Musik gemacht hatten. Zum anderen hören wir Gast-Gitarrist Elliot Randall, der auf „Reelin’ In The Years“ ein Fuzz-geschwängertes Solo hinlegt. Und dann war da noch Jazzgitarrist Denny Dias aus Long Island, mit dem Fagen und Becker zuvor erfolglos versucht hatten, eine Jazzrock-Band zu gründen. Dias ist damals der offizielle Gitarrist der Band. Jim Hodder, ein Weggefährte von Produzent Gary Katz, ergänzte die Combo am Schlagzeug.
Gary Katz kannte Becker und Fagen aus New York, denn er war ein Kumpel von Kenny Vance. In dessen Band „Jay and the Americans“ hatten die Musiker schon vor Steely-Dan-Zeiten zusammengespielt. Katz holte Becker und Fagen nach Los Angeles, weil er ihnen einen Job bei ABC Dunhill Records verschaffen konnte. Als Hauskomponisten dort waren sie schlecht bezahlt, aber es gab immerhin ein Gehalt und die Möglichkeit, an eigenem Material zu arbeiten. Gary Katz blieb auch für die kommenden Alben der Produzent der Band.
Aufnahme: 1972, The Village Studios, West Hollywood
Veröffentlichung: 1.11.1972 auf ABC Dunhill Records (US) und Probe (D)
Produktion: Gary Katz
Titel
1. Do It Again
2. Dirty Work
3. Kings
4. Midnight Cruiser
5. Only A Fool Would Say That
6. Reelin’ In The Years
7. Fire In The Hole
8. Brooklyn (Owes The Charmer Under Me)
9. Change Of The Guard
10. Turn That Heartbeat Over Again
Musiker
Donald Fagen: Gesang, E-Piano, Orgel
Walter Becker: Bass
David Palmer: Gesang
Jim Hodder: Schlagzeug
Elliot Randall, Jeff „Skunk“ Baxter: Gitarre
- Das Kernduo, Fagen und Becker, lernte sich bereits fünf Jahre vor Can’t Buy A Thrill am Bard College in New York kennen. Steely Dan ist damit gewissermaßen eine Schülerband.
- Fagen und Becker hatten „The Dyno“ (Kurzform für „Dynamit“) von New York nach L.A. mitgebracht. So nannten sie ihr dickes Notizbuch mit allen Song- und Textideen. Es sollte nach und nach in klassische Alben einfließen und den beiden ein sorgenloses Leben bescheren. Tatsächlich stammt nur die Hälfte der Songs auf Can’t Buy A Thrill aus diesem Buch.
- Das Album wurde von Roger Nichols in den Village Studios in West Hollywood aufgenommen. Dort entstanden auch die meisten Nachfolgealben inklusive Aja (1977), dem erfolgreichsten Tonträger der Band.
- Zweimal Hauptsänger, dreimal im Background: David Palmer ersetzte Fagen, der sich Sorgen um seine Fähigkeiten als Bandleader machte. Auf der folgenden Tournee sang Palmer auf der Bühne sogar sämtliche Titel des Albums.
- „Do It Again“, „Reelin’ In The Years“ und das von Palmer gesungene „Dirty Work“ wurden als Singles ausgekoppelt.
- Donald Fagen und Walter Becker wurden täglich von Gary Katz in dessen braunem Buick abgeholt und zum Studio gefahren, da beide keinen Führerschein hatten. Der Buick war das gleiche Modell, das Kojak fuhr!
- Denny Dias spielte zunächst eine Halbakustikgitarre, eine Gibson Barney Kessel, die Becker und Fagen klanglich und optisch unterirdisch fanden. Nach einer Zwischenstation (eine Gitarre mit Plexiglas-Korpus) hatte sich Denny bei Sound City eine Fender Telecaster mit zwei Humbuckern besorgt. Sie wurde an einen 100-Watt-Marshall-Verstärker angeschlossen, und alle waren zufrieden.
- Für Sie bitte „Herr Steely Dan“! Für ihr Lebenswerk wurden Becker und Fagen 2001 mit der Ehrendoktorwürde für Musik des Berklee College of Music gewürdigt.
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