Stax SR-009 Kopfhörer + SRM-T8000 Kopfhörerverstärker – Innovation einer Legende
Stax stellt seinem neuen Referenzkopfhörer einen adäquaten Verstärker zur Seite: SR-009 und SRM-T8000 wurzeln tief in der Firmenvergangenheit und innovieren dennoch die Produktpalette radikal.
Fotografie: Ingo Schulz
Tradition und Innovation: Kaum ein Unternehmen der HiFi-Branche steht so sehr für diese beiden Begriffspole wie Stax. Bereits seit 1938 beschäftigte sich Firmengründer Naotake Hayashi mit elektrostatischen Wandlerprinzipien, ein unter damaligen industriellen Aspekten geradezu waghalsiges Unterfangen. Aber 1952 gelang mit der Fertigung des Kondensatormikrofons, das alsbald Standard beim japanischen Rundfunk werden sollte, der kommerzielle Durchbruch. 1956 entwickelte man den ersten elektrostatischen Lautsprecher, und 1960 folgte dann der geniale Kopfhörer SR1, die Urlegende aller folgenden elektrostatischen Kopfhörer. Als Wiedererkennungsmerkmal dient seit langen Jahren die rechteckige Form der Ohrteile, weshalb man hier nur schwer von Ohrmuscheln sprechen kann. Diese spezifische Geometrie, die natürlich auch zu einer speziellen Trageform auf dem Kopf führt, hat ebenso wie die quasi schwerelose Klangreproduktion des elektrostatischen Prinzips zu einer Polarisierung der Hörerschaft geführt. Eine Polarisierung, so viel sei an dieser Stelle schon verraten, die angesichts der neuen Kombi SR-009 und SRM-T8000 der Vergangenheit angehört.
Tonerzeugung unter Hochspannung
Um die Innovationen der aktuellen Modelle zu verdeutlichen, vergegenwärtigen wir uns doch schnell noch einmal das Wirkungsprinzip elektrostatischer Kopfhörer. Im Prinzip funktionieren diese wie ein umgekehrt betriebenes Kondensatormikrofon. Der Antriebsmechanismus besteht aus einer dünnen Membranfolie, die mit der positiven Vorspannung einer Hochspannungskaskade konstant elektrisch aufgeladen wird und zwischen zwei perforierten Metallplatten – den sogenannten Statoren – eingespannt ist. Um die Membran angemessen in Schwingung zu versetzen, ist eine relativ hohe Antriebsspannung notwendig. Aus diesem Grund benötigt man speziell konzipierte Kopfhörerverstärker, die zur Erzeugung eines praxisgerechten Lautstärkepegels mit einer hohen symmetrischen Versorgungsspannung von 580 Volt betrieben werden müssen. Die hochgespannte Tonfrequenz wird beiden perforierten Statoren zugeführt und bewegt durch die wechselnden Bedingungen des elektrischen Feldes die vorgeladene Membranfolie. Dies erklärt auch, warum Stax-Geräte grundsätzlich als Set aus Kopfhörer und zugehörigem Verstärker bestehen. Ein Kopfhörerverstärker konventioneller Bauweise, technisch ausgelegt für dynamische Kopfhörer, liefert schlichtweg nicht die notwendige Versorgungsspannung. Aufgrund extrem dünner und damit leichter Membrane, die oft nur wenige Mikrometer dick sind, reicht der Frequenzumfang von elektrostatischen Kopfhörern normalerweise weit über die Hörbarkeitsgrenze hinaus; die nahezu trägheitslose Reaktion der Membran macht den Schallwandler außerordentlich impulstreu, immer vorausgesetzt, das Speiseteil spielt mit. Und vor allem hier liegt der von Stax immer weiter vorangetriebene technische Fortschritt.
Renaissance eines Mythos
Das aktuelle Spitzenmodell der STAX-Produktpalette, der SR-009, verwendet einen neu entwickelten Treiber mit nochmals dünnerer und festerer Membran gegenüber dem bisherigen Referenzprodukt SR-007. Multilayer-Elektroden sorgen für einen gleichmäßigen Antrieb der gesamten Membranfläche über einen großen Hubbereich. Hinzu kommen neue, extrem plane resonanzarme Elektroden, die in einem aufwendigen Hitzediffusionsprozess gefertigt werden. Das Gehäuse und fast alle tragenden Elemente des Hörers bestehen konsequent aus Aluminium. Die Ohrpolster sind handgefertigt und aus Echtleder. Die Anpassung an die Physiognomie erfolgt über ein ultraweiches Kopfband, das über feine Rasterstufen verstellbar ist. Was sich zunächst ganz unprätentiös liest und auch so aussieht, erweist sich schon bald als hoch wirkungsvoll. Zumindest ist der SR-009 der mit Abstand bequemste Kopfhörer, der je auf meinem nicht gerade kleinen Haupt Platz gefunden hat. Auch nach stundenlangem Hörgenuss erscheint er immer noch als ein Hauch von Nichts; warme oder gar heiße Ohren sind schlichtweg kein Thema. Dass die runden Ohrmuscheln der reinen Stax-Lehre widersprechen, erscheint dabei vollkommen nebensächlich.
Nicht alles in Japan ist Bonsai
Eine komplette Neuentwicklung ist auch der vollsymmetrische Röhren-Hybridverstärker SRM-T8000, der mit zwei Röhren des Typs 6922 in der Vorstufe und leistungsstarken 2sc6127-Transistoren in der Endstufe bestückt ist. Vorbild war dabei allerdings unverkennbar der sagenumwobene ST2, ein Monsteramp von sechs Kilo Eigengewicht, gepaart mit einem Zwölf-Kilo-Netzteil und unglaublichen 600 Volt Ausgangsspannung, der Anfang der 1990er Jahre in nur kleinen Stückzahlen ausschließlich im asiatischen Markt zirkulierte. Nicht ganz so martialisch, aber immer noch deutlich muskulöser als seine direkten Vorläufer erscheint nun der SRM-T8000 mit immerhin 470 Volt Ausgangsspannung und einem Lebendgewicht von sieben Kilogramm. Die Röhren wurden auf einer unabhängigen Platte montiert, um Vibrationen und externe Geräuscheinflüsse zu eliminieren. Hinzu kommen eine aktive DC-Servo-Schaltung und ein vollisolierter Ringkerntransformator. Dieser erste großformatige Ringkerntransformator in der Geschichte der STAX-Treibereinheit wurde entwickelt, um einen niedrigen Geräuschpegel und einen geringen Streufluss zu erreichen. Neben zwei „Pro-Bias“-Ausgängen sowie den zwei unsymmetrischen Eingängen steht auch ein symmetrischer Eingang zur Verfügung.
Echte Hörspielqualitäten
Die spannendste Frage zum Einstieg in einen Gerätetest: Womit beginnen? Da ich keine standardisierte Test-CD im Dauerbetrieb einsetze, lasse ich mich gerne auch mal von Mythen und Vorurteilen leiten, die so durch die High-End-Community schwappen. Und in diesem Fall ist häufig zu vernehmen, Elektrostaten „könnten“ keinen Bass. Deswegen bekämen elektrostatische Lautsprecher ja gerne mal einen aktiven Subwoofer verpasst und bei Kopfhörern sei unterhalb von 100 Hertz sowieso Hopfen und Malz verloren. Der Grund für diese subjektive Wahrnehmung ist sicherlich, dass bei Elektrostaten – im Gegensatz zu dynamischen Kopfhörern – der Schalldruck weniger körperlich empfunden wird, worin ja aber wiederum ihre Faszination liegt. Also schnell Kendrick Lamars letztes HipHop-Meisterwerk Dawn aus dem CD-Regal gezogen und den Stax’schen Hybriden schön weit aufgedreht.
Was nun folgte, war die sicherlich größte Überraschung des gesamten Gerätetests – und das gleich zu Beginn. Nein, nicht die Sache mit dem Bass, die wurde sofort nebensächlich, denn Bass ist definitiv kein Problem. Tief, schnell, präzise – der SR-009 trieb, vom T8000 befeuert, die Songs mit ihrem synthetischen Bassfundament dermaßen fokussiert voran, dass sich jedes Grübeln über tiefere Frequenzen sofort erübrigte. Man lauscht fasziniert der Quadratur des Kreises: die typische Schwerelosigkeit des Stax-Sounds, die aber ganz tief unten in der Erde wurzelt. Was die CD jedoch in völlig neuem Licht erschienen ließ, waren die räumlichen Staffelungen, welche die Stax-Kombi plötzlich verdeutlichte. Gespickt mit vielen Samples aus Nachrichten, Fernsehshows, eingesprochenen Texten und Nebengeräuschen, ist Lamars Dawn auch immer hart an der Grenze zum Hörspiel: Geradezu quadrofonisch zauberte der Elektrostat die unterschiedlichsten Klanggestalten in feinster dynamischer Abstufung und mit grandios austarierter Räumlichkeit um den Kopf herum, sodass ich angesichts dieses musikalischen Loopings den Mund kaum noch zubekomme.
Raum ohne Begrenzung
Von diesem exorbitanten Raumgefühl angefixt, griff ich anschließend zu sinfonischer Orchestermusik im großen Format, die mir die musikalischen Möglichkeiten des Duos aufzeigen sollte. Dabei stellte sich zunächst heraus, dass man im Hause Stax keine Weichzeichner und Schönredner produziert hat. Vielmehr werden audiophile Mythen gnadenlos entlarvt, so etwa die vielgelobte Telarc-Aufnahme von Wagners Ring ohne Worte mit Lorin Maazel. Wo keine Körperlichkeit und keine Tiefe in der Aufnahme zu finden ist, da wird auch keine künstlich hergestellt. Dass der Ursprung für das zu hörende akustische Desaster nicht beim Schallwandler, sondern in einer völlig zu Unrecht gehypten Aufnahme aus der digitalen Frühzeit liegt, offenbarte der Wechsel zu Schostakowitschs Fünfter Sinfonie unter Manfred Honeck in der Aufnahme von Reference Recordings. So tonal wunderbar ausgewogen und die Blechbläser mit einer derart körperlich greifbaren Wucht versehen, so habe ich die Aufnahme bislang noch nicht hören dürfen. Hinzu kommt der exorbitante Drive in den schnellen Sätzen, der auf die nahezu trägheitslose Reaktion der Membran zurückzuführen ist. Wenn man von ungebrochener Impulstreue bei sinfonischer Musik sprechen darf, dann hier.
Atmende Spannung als Must-have
Fehlt noch der audiophile Lackmustest – Frauenstimmen. Klangreferenz im Hause Schmenner ist in Sachen Jazz immer noch das skandinavische Stunt-Label, und so dreht sich Josefine Cronholms Wild Garden im CD-Player. Vollkommen frei schwingen die tiefen Saiten des Kontrabasses als einzige Begleitung zu Cronholms klar artikulierendem Alt, bevor Klavier, Percussion und Trompete in einem komplex verschachtelten Arrangement hinzutreten, das bis in die kleinsten Verästelungen durch die Ohrmuscheln zu vernehmen ist. Mehr als deutlich sind die Anblasgeräusche des Trompeters und die Atemzüge Cronholms zu hören, was hier aber keineswegs als schräge audiophile Pointierung missverstanden werden darf, denn die Stax-Kombination macht wunderbar anschaulich, dass die Atemgeräusche Bestandteil des Arrangements bzw. des individuellen Ausdrucks der Künstler sind. Gerade auch in der Amalgamierung von Stimme und Trompete ist die absolute Verfärbungsfreiheit des Ensembles aus Kopfhörer und Verstärker zu erhören. Es dürfte so ziemlich die reinste und neutralste Wiedergabe sein, die man momentan mit einem Schallwandler erreichen kann, ohne jedoch dass auch nur der geringste Anflug von Sterilität oder Langeweile zu verspüren wäre. Dies liegt nicht zuletzt an der imaginierten Schnelligkeit, die auf das elektrostatische Prinzip im Allgemeinen und die extrem dünnen Membranen des SR-009 im Speziellen zurückzuführen ist. Keinen geringen Anteil an dieser außergewöhnlichen Hörerfahrung hat aber ganz ohne Frage auch die gesteigerte Leistungsfähigkeit des neuen SRM-T8000, der sowohl harmonische Klangfülle als auch rhythmische Wendigkeit verspricht. Kopfhörer und Verstärker sind ein grandioses Topmatch, das gegenüber den bisherigen Spitzenmodellen zu einer in allen klanglichen Bereichen deutlich wahrnehmbaren Steigerung führt. Zweifelsfrei ist der japanischen Traditionsfirma hier ein absolutes Unikat gelungen: eine sehr eigene und spezielle Form der audiophilen Musikwiedergabe, die in dieser Form kein zweites Mal existiert – und einen extrem hohen Suchtfaktor besitzt.
Stax SR-009
Prinzip: offener Kopfhörer, Push-Pull Circular Elektrostat
Frequenzgang: 5–42 000 Hz
Wirkungsgrad: 101 dB/100 Veff @ 1 kHz
Maximaler Schalldruck: 118 dB @ 400 Hz
Elektrostatische Kapazität: 110 pF
Impedanz: 145 kΩ
Betriebsspannung: 580 V/DC
Garantiezeit: 3 Jahre
Preis: 5000 €
Stax SRM-T8000
Hybrid-Kopfhörerverstärker
Röhrenbestückung: 2 x E88CC (oder 6922)
Eingangsempfindlichkeit: 100 mV für 100 Veff Ausgangsspannung
Verstärkungsfaktor: 60 dB
Frequenzgang (@ 30 Veff Ausgangsspannung): 0–11 5000 Hz
Klirrfaktor (100 Veff Ausgangsspannung @ 1 kHz): 0,01 %
Maximale Ausgangsspannung (@ 1kHz): 470 Veff
Eingangsimpedanz (unsymmetrisch/symmetrisch): 50 kΩ/2 x 50 kΩ
Eingänge: 1 x symmetrisch (XLR), 2 x unsymmetrisch (Cinch), 1 optionales Erweiterungsmodul (Steckkartenschacht)
Ausgänge: 2 x Kopfhörer (Stax), 1 x Line out unsymmetrisch (Cinch)
Garantiezeit: 3 Jahre
Preis: 6500 €