Ortofon Quintet Mono
Audiophile, die sich Bandmaschinen halten oder einen Zweitplattenspieler respektive zweiten Tonarm betreiben, der ausschließlich Monoaufnahmen vorbehalten ist, kommen mir bisweilen ein wenig suspekt vor.
Fotografie: Ingo Schulz
Wenn sich Nostalgie und Snobismus mischen, wird es schnell dogmatisch, und wenn die Diskussion darüber, wie eine Platte abgespielt werden muss, länger dauert als die Spielzeit des Vinyls, verabschiede ich mich gerne schon, bevor die Nadel in der Einlaufrille landet, und gehe so lange schaukeln oder mache etwas anderes, das mehr Spaß verspricht.
Andererseits spricht aber natürlich nichts dagegen, Musikgenuss zu kultivieren, und oft merkt man erst nach der Optimierung, was vorher gefehlt hat. Zum Beispiel ein Mono-Tonabnehmer. Einkanalige Wiedergabe hatte bei mir bislang keine Priorität, wegen der Handvoll Mono-Originalaufnahmen in meinem Bestand wäre ich nicht auf die Idee gekommen, mir einen solchen Spezialabtaster zuzulegen. Anlässlich der Dylan-Reissues im Mono-Mix (s. FIDELITY Nr. 31) trat dann aber die technische Lücke in meiner Kette in den Vordergrund. Wie so oft zeigte sich Audiotrade, der Ortofon-Vertrieb, kooperativ und ließ mir leihweise ein Ortofon Quintet Mono zukommen. Ein Test war ursprünglich nicht geplant.
Lupenreine Mono-Tonabnehmer können nur horizontalen Auslenkungen der Seitenschrift von Mikrorillenplatten (Micro Groove), die von Columbia 1948 eingeführt wurden, folgen. Das Quintet Mono stellt mit seinem etwas geringeren Verrundungsradius von 18 µm (gegenüber 25 µm bei klassischen Monosystemen) und dem Shibata-Nadelschliff einen modernen Hybrid dar, womit sich auch Stereo-Pressungen gefahrlos abspielen ließen, liest aber nur die Seitenschrift und summiert beide Kanäle zu einem. Preislich fügt sich das weiße MC-System mit 430 Euro in etwa auf Höhe des Quintet Blue in die kantig aussehende Fünferreihe preiswerter MC-Abtaster von Ortofon ein. Seine stabile Ausgangsspannung von 0,3 Millivolt verspricht störungsresistenten Betrieb, und Sackgewinde erleichtern die Montage. Wie bei allen Quintet-Systemen sollte man soweit möglich die mitgelieferten Schrauben verwenden; schon geringfügig längere bergen die Gefahr, das Plastikgehäuse zu sprengen, wenn man denkt, eine Viertelumdrehung geht noch.
Die meiste Zeit lief das Quintet Mono im Moerch DP-8, der derzeit unverschuldet zum Zweit- oder gar Drittarm degradiert ist – wenn er Glück hat, oft muss er wegen Platzmangel auch ganz aus dem Spiel. Mein Feickert-Firebird bietet eben nur Montageslots für zwei Arme. Aber schon aus Neugier machte ich mir in den vergangenen Wochen mehrmals die Mühe, nur für eine Platte das System zu wechseln. So hüpfte das Quintet Mono vom Brinkmann 12.1 zum Genuin Point und weiter zum Rigid Float von ViV Lab, der sich als konstruktiver Outlaw tatsächlich als dritter Tonarm dazustellen konnte, ohne fest montiert zu sein. Als Phonovorstufe diente der integrierte Entzerrer in der MFE Tube One SE, die auch über einen Monoschalter verfügt.
Es zeigten sich auch durchaus Unterschiede in den Arm-System-Kombinationen, aber sie treten im Vergleich zur generellen Differenz zwischen einem Stereo- und einem Monosystem in den Hintergrund. Mit entsprechenden Aufnahmen kann das Quintet Mono auch ein Lyra Kleos SL ausstechen. Nicht wegen seidiger Höhen, offener Mitten oder Ähnlichem, vergessen Sie das für einen Augenblick. Es spielt einfach glaubwürdiger und sehr offenkundig geschlossener. Mit dem Lyra oder auch einem Clearaudio Da Vinci zieht sich die Bigband hinter Nancy Sinatra – ich konnte doch noch eine ganze Menge nahezu vergessener Monopressungen in meiner Sammlung finden – fast grotesk in die Breite, einzelne Bläsereinsätze wirken willkürlich platziert, Background-Chöre regelrecht derangiert.
Alles Eindrücke, die man auch auf das Alter der Produktion oder den Zustand des Vinyls schieben könnte, wechselt man aber auf das Ortofon Quintet Mono, ändert sich der Gesamteindruck drastisch zum Besseren. Zwar wird die Bühne enger, aber auch gefühlt tiefer, weil sie klarer strukturiert erscheint. Instrumente haben ihren Platz, auch in der Hierarchie, Nancy Sinatras Hauptrolle ist nicht mehr wie zuvor bedroht, sondern unumstritten. Das Ortofon-System gewinnt aufgrund systemischer Überlegenheit, nicht unbedingt klanglicher. Diese – ich nenne es mal historische –Abspielpraxis verdient viel mehr Aufmerksamkeit. Ein Weg ist das Ziel!
Ortofon Quintet Mono
Mono-Tonabnehmer
Preis: 430 €
www.ortofon.com
www.audiotra.de