Nime Audio Elite One
Die Nime Audio Elite One dürfte stark polarisieren.
Fotografie: Ingo Schulz
Für einen Kompaktlautsprecher verbraucht sie eindeutig zu viel Platz, sie ist ganz schön teuer und ziemlich extravagant geformt. „Die wollen mich fressen und nicht für mich spielen!“, geht mir durch den Kopf. Als Treiber kommen Diamant- oder Keramikchassis (wie in diesem Fall) von Thiel & Partner zum Einsatz, auch nicht gerade Stangenware vom Grabbeltisch. Dazu nicht ganz unkritisch, was die Weichenschaltung angeht. Aber wenn die Abstimmung passt, sollen sie das Tor zu anderen Sphären öffnen – ich glaube, dahingehende Informationen gelesen zu haben.
Domenico Memoli, Kopf und Gründer der italienischen Lautsprechermanufaktur, ist sich all dessen bewusst. Er bevorzugt ungewöhnliche Wege, wenn es darum geht, sein ästhetisches sowie klangliches Ideal zu verwirklichen. Die Gehäuse der Elite One werden wahlweise aus Stahl (Elite One S) oder Aluminium (unsere Probandin) in Handarbeit gebaut. Ein exklusives Novum im Lautsprecherbau. Exklusiv ist nicht nur das Gehäuse, auch die weiteren Ingredienzien könnten mondäner kaum sein. So werden die Chassis von Thiel & Partner, besser bekannt als Accuton, zugeliefert. Accuton gilt als einer der innovativsten Hersteller von Lautsprecherchassis im High-End-Sektor. Ausgangsmaterial für die eingesetzten Membranen ist eine dünne Aluminiumfolie, die durch Oxidation und einen dreistufigen Brennprozess dergestalt umstrukturiert wird, dass der keramische Werkstoff Alumina (Al2O3) entsteht. Sinn dieses extrem aufwendigen Prozesses ist es, scheinbar unvereinbare technische Anforderungen wie geringes Gewicht und extreme Steifigkeit bei hoher innerer Dämpfung zu realisieren. Die teuerste der drei Varianten der Elite, die One S Diamond, glänzt dann zum Preis von knappen 50 000 Euro mit Diamantmembranen, die standesgemäß im Gehäuse aus handpoliertem Stahl residieren.
Die nötigen Bauteile der im Sockel integrierten Frequenzweiche stammen aus Mundorfs höchster Selektionsstufe und halten den Kontakt zur Außenwelt über Terminals von WBT. Der ausladende Fuß der Elite ist somit fixer Bestandteil des Konzepts, nicht nur optischer Schnickschnack. Auch das Gehäuse ist nicht allein Designstudie, sondern dient dem Zweck, eventuell im Inneren entstehende Reflexionen wie auch Kantenbrechungen der Schallwand zu unterbinden. Das Gehäuse verjüngt sich, einem Tropfen im freien Fall nicht unähnlich, in die Tiefe. Ergebnis des radikalen Designs ist ein Gehäuse ohne parallele Flächen, massiv wie ein Panzerschrank – Eigenresonanzen adieu!
Was bleibt, ist der ungewohnte Klang der Keramikwandler. Häufig dauert es eine Weile, bis sich meine Ohren an neue Lautsprecher angepasst haben. Aber die Elite One klingt schon mit dem ersten Akkord von Georg Kreislers „Telefonbuchpolka“ leicht wie Feenhaar und silbrig schimmernd wie Mondlicht. Allein, die Musik weht noch etwas diffus durch den Raum.
Die Elite One fordert den Hörer. Nicht nur Neugier, auch Muskelschmalz sollte man mitbringen. Denn es dauert, bis sich die erwarteten Tore zu anderen Sphären öffnen. Zwei durchtrainierte Autoren waren eines Samstagnachmittags gut ausgelastet, bevor die Elite One ihren optimalen Platz fand. Zur vollen Entfaltung kam die Nime in unserem Hörraum erst bei einem Abstand von guten drei Metern und stark auf den Hörplatz eingewinkelt. So platziert, rastet das nahtlose, transparente Klangbild klar fokussiert am Sweetspot ein und verführt zum Träumen. Schließt man die Augen, lösen sich die Klanggewirke völlig von den Lautsprechern, die Schallquellen sind als solche nicht mehr identifizierbar, die Musik scheint aus dem Nichts in den Raum zu schweben. Getragen wird der gänsehautverdächtige Hoch- und Grundton von einem perfekt austarierten, nicht überpräsenten Fundament. Es gibt wohl keinen anderen Lautsprecher, dessen martialisches Äußeres die akustische Ausprägung so radikal konterkariert.
Nime Audio Elite One
2-Wege-Standlautsprecher, Bassreflex
Garantiezeit: 3 Jahre
Preis: 21 800 €
www.taurus.net