Sieveking Sound Reissues – Mehr als nur MFSL
Der Bremer Vertrieb für audiophile Tonträger feiert seinen 20. Geburtstag, und wir gratulieren mit der Besprechung einiger frisch erschienener Vinyl-Perlen.
Was wäre der deutsche Markt für audiophile Tonträger, gäbe es nicht den ein oder anderen Vertrieb, der hier eine Menge Herzblut und unternehmerisches Engagement hineinsteckt? Zeit also, sich einmal im Vinyl-Corner primär mit einem, wenn nicht dem Vertrieb für audiophile Tonträger zu beschäftigen: Die Rede ist von Sieveking Sound, der in diesen Tagen sein 20-jähriges Firmenjubiläum feiert. 2004 startete Jan Sieveking seinen damals noch kleinen Vertrieb, um endlich auch im deutschen Markt einen einfachen Zugang zu den Scheiben von MFSL zu haben; und so ist bis heute der Name Sieveking Sound fest mit dem Namen MFSL verbunden. Wer Jan Sieveking und sein Team aber einmal persönlich kennengelernt hat, der weiß, dass man in Bremen viel zu neugierig und zu umtriebig ist, um sich mit nur einem Zugpferd zu begnügen. Weit über 40 Labels weist der Vertriebskatalog mittlerweile auf, wobei man sich nicht nur auf Reissues beschränkt, sondern auch Neuproduktionen vertreibt. Überhaupt ist das Vertriebsprogramm von hoher Diversität gekennzeichnet: Die angebotenen Genres reichen von Klassik über Jazz, Rock, Pop bis hin zu Weltmusik; Big Player wie MFSL oder Analogue Productions stehen neben liebevoll geführten Kleinunternehmen wie Sam Records oder Jazz On Vinyl, die auch hier im Vinyl-Corner bereits ihren Platz gefunden haben.
Blicken wir also beispielhaft auf drei Neuveröffentlichungen, die im Sommer des Firmenjubiläums frisch erschienen sind, und starten mit dem Jazz-Klassiker Monk’s Music, der als Reissue bei Analogue Productions erschienen ist.
Interessant ist hier ein Vergleich mit den klanglich und presstechnisch hervorragenden Tone-Poet-Reissues aus dem Hause Blue Note. Diese klingen im Vergleich zu der hier vorliegenden Veröffentlichung geradezu handzahm, ein wenig wie mit angezogener Handbremse produziert. Vor allem bei spitzen Bläserattacken und Fills des Schlagzeugs lässt das Monk-Reissue nichts anbrennen. Nicht nur, dass das Schlagzeugspiel Art Blakeys in grandioser Transparenz erklingt, die dynamische Wucht kann auch bei aktuellen Produktionen Ihresgleichen suchen. Die musikalische Modernität, das damals durchaus verstörende Avantgardemoment der Monk’schen Kompositionen wird hier klangtechnisch auf das Deutlichste herausgestellt. Auch wenn man der Flut an Reissues im Jazzbereich durchaus kritisch gegenüberstehen kann, ja bisweilen sogar muss – diese Veröffentlichung hat auf jeden Fall ihre Daseinsberechtigung mehr als verdient. Umso erfreulicher ist es zu vernehmen, dass Sieveking sämtliche Monk-Reissues dieser Serie ins Vertriebsprogramm aufgenommen hat. Nun gilt es, die ein oder andere unerhörte Wendung Monks neu zu entdecken.
Wenn wir ehrlich sind, müssen wir konstatieren, dass eine Vielzahl aktueller Jazzproduktionen, die auf einem explizit audiophilen Label erscheinen, häufig nicht in den Bereich musikalischer Innovation gehören. Die Produktionskosten und die Verkaufspreise müssen sich schließlich amortisieren, und da die Mehrzahl der Highender nicht zwingend im musikalischen Avantgardebereich zu finden ist, geht man zwangsläufig Kompromisse ein. Wobei hier immer noch zwischen Aufnahmen von ausgewiesener konservativer Gediegenheit auf der einen und solchen von cooler Lässigkeit auf der anderen Seite unterschieden werden muss. Zur letztgenannten Kategorie zählt zweifellos die zweite Veröffentlichung des amerikanischen Labels Cohearent, das sich im Besitz des Mastering-Gurus Kevin Gray befindet. Der Gitarrist Anthony Wilson zeigt auf Hackensack West zusammen mit John und Gerald Clayton an seiner Seite, dass man sich durchaus auf klassische Jazzkonventionen berufen kann, ohne im Sumpf musikalischer Langeweile zu versinken.
Im Gegenteil: Man merkt der Musik in jeder Phrase an, welchen Spaß die Musiker bei der Produktion hatten. Hier verlassen sich Könner und Profis nicht auf ihr längst bewiesenes Können, sondern sprühen vor Ideenlust und spielerischer Finesse. Eine Lässigkeit, die sich im Klang der Aufnahme fortsetzt. Der Verweis auf dem Cover, dass die Aufnahme ausschließlich mit Röhrenequipment entstanden ist, lässt zunächst durchaus Schlimmes befürchten. Gerade Produktionen aus dem europäischen und vor allem deutschen Raum „glänzen“ da nicht selten mit künstlicher Eufonie, einem aufgedickten Oberbass und einer verminderten Transparenz, die dann gerne als „Ganzheitlichkeit“ verkauft wird. Aber hier steht nicht umsonst Kevin Gray hinter den Reglern, und so führt die Röhrentechnik allenfalls dazu, dass wir ein extrem entspanntes Klangbild vor uns haben und damit das Pendant zur musikalischen Lässigkeit der vier Spieler. Je öfter man die Aufnahme hört, desto mehr hat man das Gefühl, eine Aufnahme habe so zu klingen wie diese. Bleibt zu hoffen, dass Cohearent weitere Aufnahmen vorlegt und Jan Sieveking am Ball bleibt und diese weiter für den deutschen Markt vertreibt.
Besonders erwähnenswert sind die Kontakte Jan Sievekings nach Japan, wo sich bis heute ein sehr lebendiger Markt für SACDs aus dem Klassikbereich hält. Allen voran Esoteric, TEACs High-End-Schmiede, wird nicht müde, nicht nur hervorragende SACD-Player zu produzieren, sondern ist selbst auch in den Produktionsprozess neuer Reissues eingebunden. Nach einer Handvoll digitaler Tonträger legt Esoteric mit der legendären Aufnahme des Brahms’schen Violinkonzerts mit David Oistrach und George Szell nun auch erstmals hochwertiges Vinyl vor.
Der analoge Schnittprozess wurde im Mixer’s Lab in Tokio mit der legendären Neumann VMS80 durchgeführt, von der es in Japan nur noch zwei Exemplare gibt. Die sonstige für den Masteringprozess nötige Elektronik stammt von Esoteric selbst, sodass man hier durchaus von einem ganz eigenen „Haussound“ sprechen kann. Dies geht so weit, dass die ersten Testexemplare des Vinylschnitts auf dem vor zwei Jahren auf der Münchner HIGH END präsentierten Grandioso T1 überprüft wird. Dank des neuen und patentierten „Esoteric MagneDrive System“ wird der Plattenteller des Esoteric-Laufwerks kontaktlos in Rotation versetzt. Was wäre mehr geeignet als diese Vinylmaschine, um die hauseigenen Produktionen zu testen? Das Ergebnis ist ein Geigensound von unerhörter Leichtigkeit, der sich aber in wunderbarer Direktheit vom Orchesterklang ablöst. So bleibt als Fazit dieser wirklich überzeugenden Neuaufbereitung der Virtuosenkunst Oistrachs durch Esoteric nur die altbekannte Alliteration: Legenden leben länger.
Und so gratulieren wir Sieveking Sound zum 20-jährigen Firmenjubiläum und hoffen darauf, dass auch in Zukunft das ein oder andere audiophile Nischenlabel hier Unterschlupf finden kann.