Sechsstellig ist das neue Fünfstellig
Was soll ich sagen? Selbst nach Jahrzehnten der Teilnahme freue ich mich immer wieder aufs Neue auf die High End. Für mich war es sowieso immer die mit Abstand beste Messe des Fachs. Nun haben wir es aber auch sozusagen amtlich. Die diesjährige High End München brach alle Rekorde und hat sich nun tatsächlich zu einer Art „Weltleitmesse“ entwickelt – mittlerweile nicht mehr mit einem vorsichtigen Fragezeichen, sondern mit einem selbstbewussten Ausrufezeichen! Die Ausstellungsfläche wuchs im Vergleich zum Vorjahr nochmals um 33% auf insgesamt 26500 qm. Als logische Konsequenz wuchs auch die Anzahl der Aussteller um 25% auf nunmehr 452. Wichtiger ist aber das Wachstum der Besucherzahl um rund 10% auf jetzt 17855!
Das Hobby HiFi nimmt also wieder Fahrt auf, und zwar nicht zu knapp. In den letzten Jahren, ganz besonders aber in diesem Jahr konnte man klar den Trend der Verjüngung der Szene beobachten. Spaßeshalber habe ich mehrfach die Zeit gemessen, wie lange es wohl dauert, bis bei einem beliebigen Aussteller eine Person unter 30 Jahren hereinspaziert. Und in keinem Fall war es länger als drei Minuten. Das ist für alle eine sehr gute Entwicklung, auf die entsprechend reagiert werden muss!
Womit wir bei der Headline wären: Sechsstellig ist das neue Fünfstellig. Das wiederum ist eine besorgniserregende Entwicklung. Jede Zeitspanne der High Fidelity hat ihre herausragenden Produkte gehabt, die dann auch entsprechende Preisschilder trugen. Das war aber nicht die Regel, sondern die Ausnahme. Und es schien noch eine Schamobergrenze zu geben.
Nun, die Zeiten ändern sich und – was ist schon „Scham“ in Zeiten des gefestigten Selbstbewusstseins? Waren es noch vor sehr wenigen Jahren Preisschilder im fünfstelligen Bereich, die eine realisierbare Obergrenze auszuloten versuchten, sind es heute sechsstellige Price-Tags. Eine gefährliche Entwicklung. Eine sehr gefährliche sogar. Der flotte Spruch „ das ist für den asiatischen Markt“, über den auch schon der Kollege Michael Vrzal gestolpert ist, erzeugt eine trügerische Zukunftsperspektive, die nicht halten wird, was sie verspricht. Und was dann? Nun, ganz einfach: Dann setzt das große Sterben ein. Die erbarmungslose Rache einer falschen Unternehmenspolitik und unkreativer Produktplanung.
Die ersten spürbaren Ausläufer dieses Trends sind bereits sichtbar. In der vergangenen Woche erhielten wir eine Abo-Kündigung nebst ausführlicher Begründung. Der Herr findet die Zeitschriftenszene eigentlich noch immer spannend und unser Heft sei das Beste am Markt (sorry, musste ich schreiben, weil ich mich trotz Kündigung sehr darüber gefreut habe). Er steigt aber nun komplett aus dem Hobby aus. Nicht weil er nicht mehr gerne Musik hört. Nicht, weil ihm die Mittel fehlen. Nein, der gute Mann steigt aus, weil er die Preisfindung der Komponenten nicht mehr mitgeht; ein Akademiker, der über ausreichende Mittel verfügt, der Musik über alles liebt und der bildlich sagt „mir reicht’s“ (höflich) oder „leckt mich“ (ärgerlich). Das ist ein „Early Warning Sign“ an die Branche. Seine Reaktion steht exemplarisch für einen Trend, dessen sich ankündigendes Ende wir nicht erleben wollen. Zum Glück verhalten sich nicht alle Anbieter im Markt preislich ungeschickt. Doch die, die es tun, sollten in einer ruhigen Minute einmal ganz tief in sich hinein horchen und sich die Frage stellen, ob sie noch in die richtige Richtung fahren, oder vielleicht doch schon falsch abgebogen sind. Leute, schaltet das Navi ein, sonst kommt ihr nie an! So, nun soll’s damit aber gut sein.
Jetzt erst einmal hereinspaziert in meine unkommentierte Bildergalerie. Wir werden im kommenden Heft (FIDELITY Nr. 14) und auch hier auf der Website noch ein kommentiertes „Best of High End 2014“ bringen. Das wird aber noch ein klein wenig dauern. Bis dahin, Grüße aus Ismaning!