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Roon auf Apple MacBook Pro

Roon, Streaming auf neuem Niveau, Teil 1/2

Roon, Streaming auf neuem Niveau – Das Ende einer langen Reise

Roon schickt sich an, die digitale Musikwiedergabe mit frischen Ideen und Technologien zu revolutionieren. Das klingt übertrieben? Na, dann warten Sie mal ab …

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Das Konzept der Amerikaner hebt Streaming auf eine neue Erfahrungsebene, indem es schnöden Tonformaten eine Haptik und optische Finesse aufdrückt, wie sie bislang nur große Plattencover vermitteln können. Mittlerweile darf man von einem regelrechten Hype um die Software sprechen. Immer mehr Hersteller implementieren die intelligente Remote-, Organisations- und Audio-Schnittstelle in ihre Netzwerkspieler oder haben zumindest Gespräche mit dem Lizenzgeber aufgenommen.

Roon auf Apple MacBook Pro

Aber immer schön der Reihe nach. Stellen wir uns einen gewöhnlichen Samstagnachmittag vor, versetzen wir uns hinein in die traute Zweisamkeit mit einer vernetzten HiFi-Kette. Der Verstärker ist aufgewärmt, auf dem Couchtisch dampft eine Tasse Tee. Während das Aroma seine Wirkung entfaltet, greife ich zum Tablet. Bei aktuellen Streamern ist der handliche Taschencomputer zwingend erforderlich. Er gewährt Zugang zur Musiksammlung und macht den Netzwerkspieler visuell begreifbar. Ich lasse den Zeigefinger über den kleinen Monitor schweifen, blättere von Bildschirm zu Bildschirm und freue mich über die bunten Coverbilder meiner Musiksammlung. Rund 35 000 Titel beinhaltet sie mittlerweile, und mein Gedächtnis meldet sich mit der mahnenden Erinnerung, dass der Umgang mit diesen Datenmengen nicht immer einfach war. In den frühen Tagen der LAN-Wiedergabe waren NAS-Laufwerke und ihre Software noch lahm und anfällig, die Apps neigten zu unergründlichen und vor allem ständigen Abstürzen. Doch darüber muss ich mir an diesem Nachmittag keine Gedanken machen. Bereits seit Jahren haben die Hersteller ihre Hardware und den Quellcode im Griff.

Die erschlagende Auswahl von tausenden Titeln macht es nicht einfach, einen Anfang zu finden. Nach einigen Screens, irgendwo im Buchstaben „B“, bleibt mein Blick an Black Sabbath hängen. Ich rufe das Debütalbum der britischen Rocker auf − genau das Richtige zum Warmhören, zumal ich die herrlich dreidimensionale Hochbit-Version des Albums besitze. Ich tippe auf den vierten Song, „N.I.B.“, und freue mich auf Geezer Butlers legendäres Bass-Solo. Kaum sind die ersten Töne verklungen, treibt es mich schon wieder zurück in die Coveransicht. Mal sehen, was wir noch so alles finden … verflixt, die Ansicht ist wieder zum Anfang zurückgesprungen! Also von vorn: Bildschirm um Bildschirm, Buchstabe um Buchstabe. Diesmal komme ich bis zum „C“. Vielleicht etwas von Cream? Hinein in die Titelübersicht von Disraeli Gears. Elegant lasse ich die letzten Akkorde von „N.I.B.“ in die euphorische Eröffnung von „Sunshine Of Your Love“ übergehen. Genial! Und wieder zurück in die Coveran… arrgh! Wieder starre ich auf den Anfang der Albenliste. Ein erster Anflug von Frustration.

Roon Focus Filter

Roon Focus Filter
Roons “Fokus” Filter (oben) lässt das Herz jedes Statistikers höher schlagen. Tippt man in das Jahresdiagramm, öffnet sich ein weiteres Fenster. Mit zwei Slidern kann man einen Zeitraum eingrenzen. Kehrt man danach in die Hauptansicht zurück, werden nur noch Alben angezeigt, deren Veröffentlichung in den gewählten Abschnitt fällt. Praktisch alle Tags lassen sich als Filteraspekt verwenden.

Streaming hat die Medienwiedergabe verändert. Nachhaltig sogar und zum größten Leidwesen der CD. Egal ob von der heimischen NAS-Platte oder aus dem Internet, digitale Formate verheißen direkten Zugriff auf eine schier grenzenlose Titelauswahl und gewähren bisweilen eine Klangqualität oberhalb des CD-Niveaus. Doch so viel Licht kommt nie ohne Schatten daher. Die Remote-Apps arbeiten mittlerweile zwar stabil und schnell, doch immer wieder stören mich kleine Details. Szenen wie die oben geschilderte kennt jeder, der einen Netzwerkspieler besitzt. Es kann aber noch viel schlimmer kommen: Immer wieder mal verlieren App und Streamer den Kontakt. Obwohl sie oft nur einen Augenblick dauern, können solche Aussetzer gehörig nerven. Wenn der Vinylliebhaber von nebenan dann Zitatschätze wie „Da lobe ich mir Schallplatten!“ hervorkramt, bleibt mir nichts anderes übrig, als ihm entrüstet zuzustimmen.

„Das muss doch besser gehen!“, sagten sich findige Programmierer aus den USA vor etwas mehr als einer Dekade und entwickelten eine Software, die in vielerlei Hinsicht wegweisend war. Bereits die erste Version ihres Programms bewies Gespür und Feinsinn für Komfort sowie filigranste Details der Benutzerführung. Sie denken, wir sprechen jetzt schon von Roon? Falsch geraten: Das Konzept, das sie damals austüftelten, hörte auf den Namen „Sooloos“.

Roon Meta-Editor
Hand anlegen erlaubt: Roon durchsucht verschiedene Web-Datenbanken nach passenden Meta-Informationen. Sollte man mit den Ergebnissen nicht zufrieden sein, kann man die Tags im integrierten Editor anpassen. Sogar die Titel und Alben von Tidal lassen sich so mit eigenen Covern und konfektionierten Informationen garnieren.

Die NAS-Laufwerke der späten „Zweitausendnuller“ waren lahme Enten, und das Tablet war zu diesem Zeitpunkt noch nicht marktreif. Also blieb den Amerikanern nichts anderes übrig, als ihre Software in eigene Hardware zu verschnüren. Das System bestand aus einem DSP-gestützten Musikserver nebst maßgeschneidertem D/A-Wandler. Das Gehirn bildete derweil ein riesiger berührungsempfindlicher Monitor, in dessen Sockel die Öffnung eines Ripping-Laufwerks zu erkennen war.

Sooloos zapfte gleich mehrere Tag-Dienste an, darunter die FreeDB, Gracenote sowie die herausragenden Datenbanken der All Music Group (AMG). Aus diesen unterschiedlichen Datensätzen generierte es eine individuelle Tag-Sammlung von einzigartiger Qualität und Informationsdichte. Rippte man etwa Strauss’ Heldenleben op. 40, erhielt man nicht nur ein hübsches Coverbild – die Software fand auch heraus, dass Karajan 1959 die Berliner Philharmoniker dirigierte und dass die Aufnahmen unter der Ägide der Deutschen Grammophon in der Jesus-Christus-Kirche entstanden. Sogar der Violinist Michel Schwalbé und andere Solisten des Orchesters erschienen auf dem Bildschirm. Tippte man auf einen der zahlreichen Einträge, wechselte die Ansicht und man sah zum Beispiel, welche Karajan- oder Schwalbé-Aufnahmen man sonst noch in der Bibliothek hatte. Alles war verlinkt und interaktiv.

Dieses ganz und gar neuartige System wirkte auf mich wie die Inkarnation meiner medialen Träume. Es appellierte auf immer neue Weise an meinen Entdeckergeist, Geschwindigkeit und Stabilität waren zu dieser Zeit konkurrenzlos. Die Sache hatte nur einen Haken: Zwischen mir und meinem neuen Sooloos-System stand ein deutlich fünfstelliges Preisschild.

Roon Alben Kombinieren
Wer gelegentlich CDs rippt, kennt das Problem: Alben werden dann und wann unnötig aufgetrennt. Das Bild unten zeigt Misias Doppelproduktion “Ruas, Lisboarium & Tourists” zweimal unterschiedlich. Im Editor haben wir die via “Alben vereinen” kombiniert. Danach wird nur noch ein Album angezeigt. Eine winzige “2” oben rechts am Cover weist darauf hin, dass es sich um eine Doppel-CD handelt.

Den Entwicklern brachte das Konzept ein berechtigtes goldenes Näschen ein. Kaum im Handel, wurde das vollständige Startup von Meridian gekauft. Doch irgendwann in der Zeitspanne zwischen 2010 und 2015 muss etwas schiefgelaufen sein zwischen der britischen HiFi-Schmiede und den amerikanischen Tüftlern. Über die Hintergründe schweigen sich beide Seiten aus, fest steht aber, dass sich die Sooloos-Erfinder von Meridian lösten und mit Roon ein neues Konzept aus der Taufe hoben. Um juristische Konflikte zu vermeiden bekam ihr zweites System bei allen Ähnlichkeiten zum Original einen leicht veränderten Schwerpunkt. Zum einen ist Roon eine reine Software-Lösung. Die ist zwar wie jedes Programm auf einen Computer angewiesen, doch läuft sie auf allen Windows- sowie Apple-Rechnern, und auch für Linux, Android sowie iOS werden Versionen angeboten. Die zweite, deutlich tiefer greifende Veränderung liegt in der neuen Audio-Schnittstelle RAAT (Roon Advanced Audio Transport), mit der wir uns in der kommenden Ausgabe ausführlicher befassen werden.

Aber was genau macht die Software so einzigartig? Nun, wie die Steuerung jedes Netzwerkspielers ist Roon zunächst einmal eine Organisations-Software. Nachdem man dem Programm verraten hat, auf welchem NAS oder in welchem Verzeichnis des Computers sich die Musik befindet, startet sie einen Indexierungsdurchlauf. Der kann bei größeren Sammlungen und je nach Rechner schon mal ein bis zwei Wochen in Anspruch nehmen. Stören muss man sich daran nicht, da Roon seine Kalkulationen diskret im Hintergrund ausführt. Die Belastung des Computers lässt sich dynamisch einstellen. Wer parallel auf der Maschine arbeiten möchte, kann Roons Analysen bis zur Unmerklichkeit reduzieren, wer einen dedizierten Audio-Server besitzt, kann den Booster aktivieren und die erforderliche Zeit drastisch reduzieren. Im Verlauf dieser Analyse gewinnt die Software tiefe Einblicke in den Dynamikumfang der einzelnen Titel sowie zum Lautheits- und Wellenformverlauf aller Dateien. Außerdem wird natürlich wie schon bei Sooloos ein riesiger Tag-Datensatz aus unterschiedlichen Quellen zusammengetragen.

Roon Album ausblenden
Und noch ein nerviges Problemchen: Manchmal besitzt man mehrere Versionen eines Albums, die in der Bibliothek unschöne Doppeleinträge verursachen. Über Roons “Album Ausblenden” kann man eins davon entfernen. Die Daten bleiben trotzdem erhalten. Die Funktion ist auch hilfreich, um musikalische Jugendsünden loszuwerden.

Und jetzt beginnt die Magie: Statt die Musik in mehr oder weniger spröden Tabellen abzufeiern, generiert Roon für jeden Interpreten und jedes Album eigene Ansichten. In denen findet man englischsprachige Rezensionen, Biografien sowie Links zu den Facebook-, Instagram-, Twitter- oder Wikipedia-Seiten der Künstler. Scrollt man im Screen von Nick Cave nach unten, erfährt man, welche Musiker durch den Sänger und Komponisten beeinflusst wurden, von wem er sich selbst inspirieren ließ und mit wem er im Lauf der letzten drei Jahrzehnte zusammengearbeitet hat. Jeder Name, jede Information ist freilich auch bei Roon Verlinkung. Sollte man ein Tidal- oder Apple-Musikabo besitzen, erscheint obendrauf eine ausführliche Liste der verfügbaren Web-Inhalte des Künstlers. Die lassen sich mit einem Klick in die Medienbibliothek einbetten und erscheinen fortan zwischen den selbstgerippten oder im Download-Shop erworbenen Alben. Kurzum: Roon befreit die digitale Mediensammlung vom Joch mausgrauer Dateimanager und verwandelt sie in eine schier grenzenlose Fundgrube.

Die Software nagelt ihren Nutzer dabei nicht auf das vorgegebene Tagging-Modell fest. Über einen Rechtsklick (bzw. einen langen Druck auf dem Tablet) ruft man ein reduziertes Optionsmenü auf. Hier kann man Künstler und Album bearbeiten, Namen ändern, Coverbilder hinzufügen oder eigene Tags, Genres und Kategorien definieren. Im selben Fenster findet man eine Reihe hilfreicher Komfort-Features. So lassen sich Alben, sollte es doppelte Versionen geben, gezielt ausblenden. Wurde ein Tonträger beim Rippen in mehrere Alben zergliedert, kann man Roon zwingen, die Werkfragmente wieder zu einem homogenen Album zusammenzulegen.

Am oberen Bildschirmrand der Programmoberfläche findet man einige intelligente Filter. Am interessantesten ist sicher der „Fokus“, der statistische Daten zur Musiksammlung auflistet: Die Verteilung der Genres, die letzten gespielten Songs, was wurde am häufigsten wiedergegeben, welche Tonformate gibt’s in der Sammlung und vieles mehr. Klickt man hier beispielsweise auf die Jahreszahlen, kann man einen Zeitabschnitt eingrenzen, etwa die Dekade von 1975 bis 1985. Kehrt man anschließend in die Album- oder Interpreten-Übersicht zurück, werden nur noch jene Ergebnisse angezeigt, die innerhalb der gewählten Epoche veröffentlicht wurden. Über das oben geschilderte Zurücksetzen der Ansicht muss man sich dabei keine Sorgen machen: Die Hauptansicht bietet einen alphabetischen Index, über den man sofort zum gewünschten Buchstaben springen kann.

Roon DSP-Bandsperre
Wenig bekannt ist, dass Roon einen prallen Karton voller DSP-Zaubertricks mitbringt. In der Abbildung sehen Sie den programmierbaren Equalizer. Die Voreinstellung bietet fünf Bänder, die man aber beliebig ergänzen kann. Nur die Leistung des Rechners setzt Grenzen. Da sich die Bänder hertzgenau platzieren und in ihrer Flankensteilheit skalieren lassen, können Profis sogar Raumkorrekturen programmieren.

Roon verändert nicht nur die optische Qualität der Netzwerksteuerung, es gewährt auch einen völlig neuen Zugang zur Sammlung. Sie werden die Szene kennen: Man sitzt auf dem Sofa, das Tablet in der Hand, und blättert minutenlang durch die endlosen Titelübersichten. Mir geht es da wie im Restaurant – je länger die Speisekarte, umso schwerer ist es, eine Entscheidung zu treffen. Die Qual dieser Wahl kann man Roon anvertrauen. Wähle ich Black Sabbaths „N.I.B.“ und überlasse den Netzwerkspieler sich selbst, startet die Software ein automatisiertes Radioprogramm. Basierend auf Tags, aber auch ausgehend von der Dynamik des Titels durchkämmt das Programm meine Medienbibliothek, sucht nach ähnlicher Musik und reiht die Songs aneinander. Die Treffsicherheit dieser Zufallswiedergabe verblüfft mich ein ums andere Mal. Und wieder steht der Aspekt der musikalischen Entdeckungsreise im Vordergrund, denn ein ums andere Mal bin ich erstaunt, welche Schätze sich in meiner riesigen Musiksammlung verbergen. Für mich besteht keine Frage: Die Software der Amerikaner führt die netzwerkgestützte Wiedergabe ans Ende einer langen Reise und macht das Musikhören wieder zum echten Erlebnis.

Roon wird in zwei Abo-Varianten angeboten: Die einjährige Mitgliedschaft kostet rund 105 Euro, eine Lifetime-Lizenz rund 440 Euro. Die kostenlose Probierversion funktioniert 14 Tage.

 

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www.roonlabs.com

 

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