Rick Wakeman – The Six Wives Of Henry VIII
Die heutigen Skandale der „Royals“ sind nichts im Vergleich zu Heinrich dem Achten im 16. Jahrhundert. Dieser englische König war nicht weniger als sechs Mal verheiratet. Jahrhunderte später inspirierten die Ehefrauen Rick Wakeman zu einem bemerkenswerten Album.
Weil ihm kein Sohn geboren wurde, ließ Henry VIII zwei seiner Ehefrauen erbarmungslos hinrichten, von zwei weiteren ließ er sich scheiden. Um diese Scheidungen zu ermöglichen, gründete er auch noch eine eigene Kirche – die Anglikanische. Der junge Keyboarder Rick Wakeman hatte sich 1971 ein Buch über King Henry VIII. gekauft – in einem Airport-Shop vor einem langen Flug. Als er es zu lesen begann, fühlte sich Wakeman überraschenderweise musikalisch inspiriert: „Ich konzentrierte mich auf eine der Ehefrauen, und schon strömte Musik in meinen Kopf. Manchmal war ich da gerade im Flugzeug oder auf der Bühne oder zu Hause vor dem Klavier.“
Dieser Inspirationsfluss war sehr willkommen, denn Wakeman hatte eben einen Vertrag über fünf (!) Solo-Platten unterschrieben. Nachdem er ein paarmal bei David Bowie ausgeholfen hatte, galt er als kommender Rockstar. Das Angebot, bei Bowie fest einzusteigen, schlug er allerdings aus – er entschied sich stattdessen für die Rockband Yes, die gerade ohne Keyboarder dastand. Dass Wakeman als Solist bei einem anderen Label verpflichtet war, sollte jedoch zum Problem werden. Sein Vertrag verbot ihm nämlich, bei Yes eigene Stücke einzubringen. Eines, das er für die Band geschrieben hatte, wurde deshalb zum Startschuss für sein Soloalbum und hieß nun „Catherine Of Aragon“.
Wakemans Keyboard-Arsenal auf dem Debütalbum reicht von Piano, Cembalo und Kirchenorgel über E-Piano, Hammondorgel und Mellotron bis hin zu den damals neuesten Moog- und ARP-Synthesizern. Modell- und spieltechnisch war The Six Wives Of Henry VIII. eine Pioniertat des Keyboard-Rock. Doch als Wakemans Plattenfirma realisierte, dass er ein reines Instrumentalalbum gemacht hatte, fielen dort die Erwartungen in den Keller. Man beschloss eine vorsichtige Startauflage von 12 500 Stück. Dann half der Zufall nach. Kurz vor der Veröffentlichung präsentierte Wakeman Ausschnitte des Albums auf BBC 2. Millionen Zuschauer wollten an diesem Abend einen Andy-Warhol-Film auf BBC 1 sehen, aber der Film entfiel. Viele schalteten daher um auf BBC 2 und begegneten dort Wakemans Virtuosität, seinen vielen Gerätschaften und seinem „royalen“ Sujet. „Es schien, als hätte das ganze Land meine Musik entdeckt.“ Das Album verkaufte sich allein in den ersten zwei Jahren zwei Millionen Mal.
Aufnahme: Februar bis Oktober 1972
Veröffentlichung: Januar 1973
Label: A&M
Produktion: Rick Wakeman
Titel
1. Catherine Of Aragon 3:44
2. Anne Of Cleves 7:53
3. Catherine Howard 6:35
4. Jane Seymour 4:46
5. Anne Boleyn 6:32
6. Catherine Parr 7:06
Musiker
Rick Wakeman – jede Menge Keyboards
Mike Egan – Gitarre
Les Hurdle – Bass
Dave Winter – Bass
Alan White – Schlagzeug
Bill Bruford – Schlagzeug
Frank Riccotti – Percussion
Ray Cooper – Percussion
Liza Strike – Gesang
und 10 weitere Mitwirkende
- Das Foto auf dem Plattencover ist keine Montage. Es wurde in Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett in London aufgenommen.
- Die Musikaufnahmen entstanden in mehreren Etappen – eingeklemmt zwischen Sessions und Tourneen mit der Band Yes. Wakeman holte sich jeweils die Musiker ins Studio, die gerade verfügbar waren, darunter Kollegen von Yes („Catherine Of Aragon“) und Ex-Kollegen von den Strawbs („Catherine Howard“).
- Mit seinem Star-Renommee (Aufnahmen mit David Bowie, Elton John, Cat Stevens) und seinem Solovertrag bei einer anderen Plattenfirma hatte Wakeman bei Yes einen Sonderstatus. Er blieb immer ein wenig für sich – der Yes-Gitarrist Steve Howe nannte ihn „den alten Kneipenbewohner“.
- Rick Wakeman war bekannt dafür, bei Bühnenauftritten einen Cape-Umhang zu tragen. Angeblich wollte er damit seine „spinnenartigen“ Armbewegungen an den Keyboards verbergen.
- Jedes der sechs Stücke bietet ein Wechselbad an musikalischen Stimmungen – und an Keyboard-Farben: rockende Hammondorgel neben romantischem oder virtuosem Klavier – bizarre Synthesizer-Parts neben Cembalo-Boogie und Bach-Anklängen auf der Pfeifenorgel.
- Ein siebentes Stück, das Henry VIII. porträtieren sollte, musste aus Platzgründen entfallen. Wakeman montierte aber Zitate daraus in die anderen Stücke.
- Acht Monate nach Erscheinen des Albums wurde Rick Wakeman von den Lesern des Melody Maker zum besten Keyboarder gewählt.
- Wakemans Vorbild war der amerikanische Keyboarder Michael Quatro, ein älterer Bruder von Suzi Quatro.
- Das König-Heinrich-Sujet verfolgte Wakeman bis in seine nächtlichen Träume. Nachdem er Anne Boleyns Hinrichtung im Traum miterlebt hatte, ergänzte er das Stück „Anne Boleyn“ mit einem Kirchenlied aus dem 19. Jahrhundert („The day thou gavest, Lord, is ended“).
- Auf den Konzerttourneen mit Yes spielte Wakeman häufig ein Solo-Medley aus den Six Wives. Im Mittelpunkt stand dabei das erste Stück („Catherine Of Aragon“).
- Erstmals komplett aufgeführt wurde die Musik des Albums im Jahr 2009 – mit Chor und Orchester.
Rick Wakeman – The Six Wifes Of Henry VIII gibt’s hier.