Gnadenloser Groove beim Bowers & Wilkins Rhythm ‚n‘ Blues Festival
Ende Oktober fand B&Ws Rhythm’n Blues Festival statt. Unser Autor Hans von Draminski genoss einen Abend voller Live-Musik und brachte uns seine Eindrücke mit.
Fotografie: Hans von Draminski
Es scheint sich zu einer richtigen Tradition zu entwickeln, dass sich die Bluesfans der Republik im Herbst in Halle/Westfalen treffen. Die Lautsprecherexperten von B&W bitten alljährlich zum Rhythm’n Blues Festival in die Garry-Weber-Eventhalle. Eigens dafür versammeln sie ein hochkarätiges Lineup auf der Bühne. In höchst entspannter Party-Atmosphäre gab es auch dieses Jahr, genauer am 26. Oktober, gehörig was auf die Ohren – und so mancher brachte ein paar neue Blues-Scheiben mit nach Hause.
Der Jahrgang 2019 war eine Gleichung mit vielen Bekannten. Die norddeutsche Blues-Röhre Jessy Martens eröffnete den Abend gewohnt druckvoll. Mittlerweile ist die Sängerin und Songschreiberin verheiratet und Mutter ihrer Tochter Paulina. Das hält sie freilich nicht davon ab, ihren Auftritt mit den gewohnt frechen Sprüchen zu garnieren und auch musikalisch kräftig Gas zu geben. Rock ist bekanntlich der unerzogene Bruder des Blues – und deshalb flirtet Jessy mit ausgiebig und apelliert ans Tanzbein ihres Publikums. Still sitzen kann hier wohl niemand.
Flinkfingerig geht direkt im Anschluss der Gitarrist Julian Saz zu Werke. Dass dieser Mann zu den ausgepichten Saitenhexern der Szene gehört, ist bekannt. In Halle erweist Saz seinen großen Vorbildern allerdings ein wenig zu ausgiebig die Reverenz. Es klingt nach den Who, nach „Status Quo“ und nach Jimi Hendrix inklusive einer durchaus kraftvollen, künstlerisch aber eher austauschbaren Version von „Hey Joe“. Dass Saz mehr als virtuoses Epigonentum drauf hat, stellte er andernorts in den vergangenen Jahren vergleichsweise oft unter Beweis. In Halle bleibt er blass.
Ungezügelte Kreativität
Im Gegensatz dazu brennt Bernard Allison ein waschechtes Blues-Feuerwerk ab: einfallsreich, spannend und von jenem Charisma durchdrungen, das Allison seit jeher ausmacht. Sein zu früh verstorbener Vater Luther Allison zählte zu den großen und wichtigen Stilbildnern des Blues. Bernard Allison beschreitet ähnliche Wege und ist längst mehr als der Sohn eines berühmten Vaters. Wer die Frage stellt, wie viel Existenzberechtigung der Blues im 21. Jahrhundert hat, der möge diesem Ausnahmegitarristen und Sänger eine Weile zuhören. Auch hier taucht irgendwann der Klassiker „Hey Joe“ auf – aber nicht als Hendrix-Abziehbild, sondern als eigenständige Nummer, die das große Vorbild nurmehr als Kreativ-Steinbruch nutzt.
Krönender Abschluss: die „Sweet Soul Music Revue“, bei diesem Festival in die Rubrik „Dauergäste“ einzuordnen und mit Entertainer-Legende Ron Williams am Mikrofon eine sichere Bank in Sachen Unterhaltung mit großem Spaßfaktor. Satte Bläsersätze, altbekannte Soulstandards, dazu eine Bockwurst mit Pommes und ein gut gekühltes Helles – so kann man nicht nur eingefleischte R&B-Fans glücklich machen.