Raidho TD1.2
Beim Warmlaufen der Testkandidaten im Hörraum läuft die Livereportage eines EM-Spiels. Stimmen, Stadionatmosphäre und ein Spielverlauf, den ich schon wieder verdrängt habe. Was aber sofort hängen blieb: wie frei, offen und losgelöst eine menschliche Stimme über Lautsprecher klingen kann! Sehr frei und offen nämlich, wenn diese Lautsprecher „Raidho TD1.2“ heißen. Ein guter Einstieg in eine Testphase, die Lust auf Musik gemacht hat … Wenn da nicht der Preis wäre. Aber dazu komme ich später.
In aller Kürze:
Die technologisch wegweisende Kompaktbox Raidho TD1.2 klingt größer, als sie aussieht und überzeugt vor allem durch eine herausragende Raumabbildung und Detailverliebtheit.
Der dänische Hersteller Raidho nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es um die vermeintlichen Qualitäten ihres Kompaktlautsprechers TD1.2 geht. Er klinge zweimal so groß, wie er von seinen physischen Ausmaßen her ist, und er spiele ebenso erwachsen wie ein Standlautsprecher. Und weil der ja mehr Bauteile und ein größeres Gehäuse habe, wäre der TD1.2 geradezu günstig. Eine steile These. Aber bleiben wir zunächst mal bei den Fakten.
Der Raidho TD1.2 ist ein kompakter, passiver Zweiwege-Bassreflexlautsprecher. Die Treiber sind eigene Entwicklungen und werden in Dänemark hergestellt. Im Hochtonbereich kommt das komplett überarbeitete Raidho-Bändchen zum Einsatz. Genauer gesagt ein planarmagnetischer Treiber mit einem extrem geringen Membrangewicht von nur 20 Milligramm. Um ein optimales Zusammenspiel mit dem neuen Tiefmitteltöner zu erreichen, hat das Team um Entwickler Benno Baun Meldgaard (Chefdesigner von Gamut, die inzwischen auch zum Raidho-Mutterkonzern Dantax gehören) den Magnetantrieb verändert, den Waveguide überarbeitet und noch einige weitere Modifikationen durchgeführt. Das Ergebnis: ein um drei Dezibel höherer Wirkungsgrad und noch weniger Verzerrungen als beim Vorgänger.
Der Sechseinhalb-Zoll-Tiefmitteltöner ist komplett neu. Um die Wicklungen der Schwingspule möglichst eng und ohne Lufteinschlüsse hinzubekommen, hat sich das Team um Meldgaard entschlossen, einen Titandraht mit quadratischem Querschnitt zu nutzen. Diese Schwingspule wird von einem starken Neodymmagneten (N52) angetrieben und ist tiefer im Magnetfeld beziehungsweise unterhalb des Magneten positioniert. Die Schwingspule ist von hinten durch eine Öffnung im turbinenförmigen Magnetantrieb zu sehen. Das soll wie beim Hochtöner für noch weniger Verzerrungen sorgen. Die Aufhängung der Tantal-Diamant-Membran ist so weich wie möglich gestaltet worden, um sie in ihrem Schwingverhalten nur wenig zu beeinflussen. Die Diamantschicht besteht dabei aus je 1,5 Karat künstlichem Diamant!
Um beide Treiber zusammenzuführen, hat die TD1.2 im Vergleich zum Vorgängermodell D1.1 zusätzlich eine neue Frequenzweiche bekommen. Die ist fest verdrahtet, und wie im gesamten Lautsprecher kommen auch in der Weiche Kabel von Nordost zum Einsatz. Die Kabel verbinden unter anderem die verwendeten Mundorf-Komponenten. Die komplette Weiche wird in Dänemark von Hand gefertigt. Der Hochtöner übernimmt übrigens ab 2,4 Kilohertz die Arbeit.
Sting steht frei und doch im Bandkontext zwischen den Lautsprechern im Hörraum. „Loving You“ aus seinem aktuellen Album The Bridge hat lediglich im Refrain einen echten Bass, in den übrigen Passagen übernimmt die Basstrommel den Tieftonanteil der Produktion. Das erhöht die Dynamik des Liedes. Die einzelnen Passagen setzen sich besser voneinander ab, zumal die harmonische Struktur des Songs von Anfang bis Ende gleichbleibt. Das bringen die TD1.2 mit großer Souveränität rüber, tatsächlich wirkt der Lautsprecher akustisch größer, als er tatsächlich ist. Ich habe ihn auf den passenden, leichten und schwingenden Ständern auf den Hörplatz hin leicht angewinkelt aufgebaut. Das Bassreflexrohr auf der Rückseite ist mit zwei „Flügeln“ ausgestattet, die Strömungsgeräusche minimieren sollen und es aus meiner Hörerfahrung auch machen. Ich erwähne das hier, weil die schiere klangliche Größe der TD1.2 natürlich auch diesem Bassreflexprinzip zu verdanken ist. Die Folge ist, dass der Bassbereich immer mächtig und sauber erklingt, manchmal aber letzte tonale Details einer Basslinie nicht ganz deutlich werden. Der Energieanteil in diesem Frequenzbereich stimmt absolut und ist überzeugend, die exakte Tonhöhe einzelner Basstöne kann ich über den Kompaktlautsprecher aber nicht hundertprozentig nachvollziehen. Verstehen Sie das nicht als Kritik, das ist ein bauartbedingtes Phänomen, das auch dieser sehr gut gedachte Lautsprecher nicht austricksen kann. Und hier liegt aus meiner Sicht auch der wesentliche Unterschied zu einem Standlautsprecher.
Was die Raidho TD1.2 ganz hervorragend können, ist die räumliche Abbildung der Band respektive des Orchesters. Stimmen stehen souverän und losgelöst von den Lautsprechern im Raum und sind – danke, Raidho! – realistisch groß! Hier wird nicht zugunsten eines Wow-Effekts übertrieben, sondern die Raidhos bleiben musikalisch neutral ohne eine erkennbare Färbung. Die zu hörenden Details sind schlichtweg großartig. Hochaufgelöst und tatsächlich vorhanden höre ich beispielsweise feinste Details bei Becken oder beim Zupfen einer Akustikgitarre ebenso wie produktionstechnische Elemente. Das ist nicht etwa einer Überbetonung hoher Frequenzen geschuldet, sondern einfach diesem herausragend guten Hochtöner der Dänen.
Ich lasse die Raidhos an verschiedenen Verstärkern laufen, von Monoendstufen über integrierte Transistorverstärker bis hin zu einem Röhrenverstärker. Mit ihren inzwischen doch recht ordentlichen 87 Dezibel Wirkungsgrad (2,83 V/m) machen sie auch an Letzterem eine gute Figur. Hier kommen die feinen Details im Hochton subjektiv noch besser zum Vorschein, allerdings hat es immer einige Momente gedauert, bis ich die Geräte umgekabelt hatte.
Iva Davies’ (Icehouse) Version von „All Tomorrows Parties“ mit sonorem, über allem stehenden Gesang und mächtigen, tiefen Toms macht selbst bei geringeren Lautstärken gehörig viel Eindruck und Spaß. Hier liegt übrigens ein weiterer Vorteil der Raidho TD1.2: Sie spielen auch bei Zimmerlautstärke schon groß und erwachsen auf. Alle bisherigen Hörerlebnisse lassen darauf schließen, dass die dänischen Lautsprecher auch mit klassischer Musik gut funktionieren sollten. Ich wähle Ralph Vaughan-Williams’ Dritte, die Pastoral-Sinfonie, mit dem Bournemouth Symphony Orchestra unter Kees Bakels. Der Klangkörper entfaltet sich zwischen den Lautsprechern und die Dynamik dieses Werks vermittelt sich direkt. Das Solo-Blech ist im Kontext des Konzertsaals mit einigem Hallanteil hinten links verortet, die Streicher klingen gut gestaffelt in der Mitte, das Holz ist auch in Tuttipassagen leicht herauszuhören. Selbst das Blättern der Noten bleibt dem Zuhörer nicht verborgen und unterstreicht nochmals die akustischen Eigenschaften des Aufnahmeortes. Diese Fähigkeit ist natürlich abhängig von der Qualität der Aufnahme und der Wiedergabekette.
[divide]Bildergalerie[/divider]Raidho-typisch ist der Tiefmitteltöner auf einem leicht nach oben gewinkelten Teil der Schallwand montiert. Der Hochtöner strahlt gerade in den Raum. Das nach hinten hin konisch zulaufende Gehäuse zeigt sich äußerlich mit hochglanzlackiertem Holzfurnier, die Rückwand mit dem Bassreflexrohr sowie dem (Single-Wire-)Terminal besteht wie die Front aus einem Formteil. Die Verarbeitung ist rundum gut und es gibt hier nichts zu meckern. Die hochglänzenden Ständer sind schwingende Konstruktionen, sodass von vorne nach hinten Bewegungsspielraum besteht. Wegen der leichten Bauart und der Tatsache, dass die Lautsprecher bei einem relativ hohen Schwerpunkt ohne Fixierung nur auf eine Platte gestellt werden, sollte man bei Sortier- und Reinigungsvorhaben im Hörraum aber Vorsicht walten lassen.
Die Raidho TD1.2 positioniert sich im obersten Preisbereich für kompakte Zweiwege-Lautsprecher. Die Präzision in der räumlichen Darstellung der Klangquellen ist beispiellos gut und auch das Bassfundament klingt erwachsen – selbst bei niedrigen Lautstärken. Die Physik überlisten kann aber auch die aufwendige Treibertechnologie nicht. In der Preisklasse muss sich der dänische Lautsprecher gegen ebenfalls großartig klingende Mitbewerber durchsetzen. Obwohl – drei Karat klangen für mich noch sie so gut.
Info
Lautsprecher Raidho TD1.2
Konzept: 2-Wege-Kompaktlautsprecher mit Single-Wire-Terminal, Bassreflex
Eingänge: Single-Wire für Bananenstecker
Bestückung: Raidho-TD-Bändchen (Hochton), 6,5“-Basstreiber (17 cm, Sandwichmembran mit Tantal- und Diamantbeschichtung)
Trennfrequenz: 2,4 kHz
Bandbreite (−3 dB): 45 Hz bis 50 kHz
Impedanz: 6 Ω
Wirkungsgrad (2,83 V/m): 87 dB
Empfohlene Leistung: 25 bis 125 W
Besonderheiten: keine Frontabdeckung, englische Bedienungsanleitung, Ständer optional
Ausführungen: Schwarz, RAL-Farben oder Walnussfurnier, Hochglanzlack
Maße (B/H/T): 20/36/40 cm
Gewicht: 13 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Paarpreis: ab 20 500 €, Lautsprecherständer um 2500 €
Kontakt
Dantax Radio
Bransagervej 15
9490 Pandrup
Dänemark
Telefon +45 9824 7677
sales@raidho.dk
Mitspieler
CD-Player/Wandler: Luxman D-N150
DAT-Recorder: Tascam DA-20
Laufwerke: Elac Miracord 70, Rega Planar 3
Tonabnehmer: Audio-Technica AT33PTG/II, Audio-Technica VMN50SH
Phonovorverstärker: Luxman E-250
Vorverstärker: Linn Majik
Vollverstärker: Luxman SQ-N150, Linn Majik
Endverstärker: Graham Slee Proprius (Mono)
Lautsprecher: Klipsch Heresy IV
Kabel: Ecosse, Supra, Graham Slee, TaraLabs, Furutech