Pylon Audio Jade 20
In Anlehnung an die niederländische Band Bots und ihren Erfolgstitel „Was wollen wir trinken?“ kommt mir als wesentlicher Leitgedanke – nicht nur zu diesem Artikel – in den Sinn: „Was wollen wir (eigentlich) hören …?“ Ursächlich liefert das bretonische Volkslied „Son ar chistr“ (das Lied vom Cidre) die inspirierende Melodie, die schwungvoll und beste Laune verbreitend erklingt – was wäre eine bessere Ouvertüre zum Bericht dieses Lautsprechers!?
In aller Kürze:
Hörspaß pur mit klarer Richtung, lebendig, dabei durchaus sonor und wundervoll neutral. Eine hingebungsvolle Aufstellung belohnt die Pylon Audio Jade 20 mit einer vorzüglichen Vorstellung!
Schon auf den ersten Blick erinnert die Jade 20 mit ihrer leicht schräg nach oben zeigenden Front an ein seit langem bekanntes Design. Mit einer Höhe von rund 70 Zentimetern, einer Breite von 39 und einer Tiefe von 42 Zentimetern ist sie allerdings voluminöser als das optische „Vorbild“. Es gibt sie in Walnuss oder in Walnuss, das Holz stammt aus Amerika und wird einfach geölt – endlich mal eine konsequente Handlung! Mit aufgesetzter Frontbespannung fällt die Jade 20 nicht aus der Zeit, sondern geradewegs in die seit einigen Jahren wieder angesagte Ära der „Vintage Speaker“.
Die Verarbeitungsqualität dieser Zweiwege-Box ist innen wie außen tadellos, und der Single-Wiring-Anschluss lässt sogleich alle Typen aus dem schier unendlichen Angebot der Lautsprecherkabel zu. Um es gleich vorwegzunehmen: Ich habe selten einen Lautsprecher erlebt, der derart sensibel auf die Qualität des zuliefernden Kabels reagiert wie eben dieser in Rede stehende Pylon Audio Jade 20. Und das spricht ausnahmslos für ihn. Selbst auf die Gefahr hin, dass Sie mich für dekadent halten, stelle ich immer noch mit dem Ausdruck des Erstaunens fest, dass selbst ein Lautsprecherkabel wie das HMS Suprema, das in der Anschaffung wesentlich teurer ist als der Lautsprecher selbst, seine Fähigkeiten an den Jade 20 voll ausspielen kann.
Der Pylon Audio zeigt ganz klar, welches Klangvermögen er besitzt. Was bleibt, ist die Erkenntnis respektive Empfehlung: Geben Sie ihm die beste Anbindung, die Sie sich leisten können oder wollen! Und wenn wir schon bei den Spielpartnern sind, dann ruft der Jade 20 mit seinen 91 Dezibel Wirkungsgrad an acht Ohm fast zwangsläufig nach einem Röhrenverstärker. Im Test kamen zwei meiner Geräte zum Einsatz. Der immer wieder „grundgeile“ Thivan Labs 572/811 und ein aristokratischer MFE 845 SE. Das, was die 10 Watt der vietnamesischen 811er Single-Ended-Triode mit dem Jade 20 veranstalten, ist schon gemein – im positiven Sinne. Die deutlich potentere 845er des MFE nimmt den Lautsprecher noch kräftiger an die Leine, und wer sich mit einem Halbleiter-Amp daran vergnügen will, soll dies unbedingt ausprobieren – nur „richtig gut“ muss dieser zwingend sein.
Die Frage, ob der Jade 20 eine Diva ist, kann, nein muss ich verneinen. Er honoriert es allerdings in hohem Maße, wenn man sich mit ihm liebevoll beschäftigt, denn Pylon Audio hat selbst offensichtlich viel Liebe in dieses Projekt gesteckt. Das richtig gute 12-Zoll-Mittelton-/Basschassis sowie der Hornvorsatz beim Hochtöner sind jeweils eine Eigenkonstruktion der Polen, und der eigentliche Hochtöner stammt aus Hannover von BMS – nicht die schlechteste Idee … Ich nehme diesem Lautsprecher die Prospektangaben mit 35 Hertz zum Tiefton sofort ab, der Bass ist in jeder Lautstärke zudem auffallend glaubwürdig! Die Übernahmefrequenz liegt bei 1200 Hertz. Die Frequenzweiche ist im wahrsten Sinne des Wortes frei verkabelt, und die Verwendung der dänischen Jantzen-Kondensatoren (bei diesem so wichtigen Bauteil) zeigt die Liebe zum Detail beim polnischen Hersteller, der sich auch innerhalb des Lautsprechers mit vielen Verstrebungen und dämpfenden Naturmaterialien nicht zurückgehalten hat.
Die Frage nach der Aufstellung lässt sich ganz einfach beschreiben: Je nach Breite des Raumes kann man die Hochtöner nach außen oder innen zeigen lassen und entsprechend einwinkeln oder auch nicht. Der rückwärtige Abstand zu einer Wand ist nicht so entscheidend, der Lautsprecher besitzt einen breiten Kanal zur „Entlüftung“ nach vorne raus. Bei mir stehen die Jade 20 mit den Hochtönern nach innen im Stereodreieck von knapp drei Metern und sorgen geradeaus auf den Hörplatz ausgerichtet für eine sehr schöne musikalische und gut strukturierte – nicht zu tiefe – Bühne. Experimente mit und in der Aufstellung sind also ausdrücklich empfohlen – es lohnt sich! Wie auf den Bildern ersichtlich, besteht die Möglichkeit, den Lautsprecher (gegen Aufpreis) auf einem Ständer zu positionieren. Auf den ersten Blick hätten diese durchaus massiver ausfallen können, gleichwohl ist es der akustische Aspekt, der hier federführend war. Das Gewicht der Jade 20 ist mit 25 Kilo sehr gut positioniert – ohne dass es zu Klangbeeinträchtigungen kommt. Mit Verwendung der „stands“ ist der Lautsprecher dann gute 86 Zentimeter hoch.
„So What“ vom Album A Night In Monte Carlo, eine Live-Einspielung von Marcus Miller feat. Roy Hargrove & Raul Midón, ist der erste Musiktitel, der – nach einer mehrtägigen Einspielzeit des Lautsprechers – meinen Ohren zugeführt wird. Da geht es sogleich ordentlich zur Sache: Saxofon, weiträumiges Sinfonieorchester und dieser mich immer wieder aufs Neue begeisternde Bassist erzeugen ein klangliches Spektakel, das dieser Lautsprecher sofort in „Spaß beim Zuhörer“ umsetzt. Natürlich bin ich wieder zu ambitioniert bei der Lautstärke, und lange halte ich diese auch nicht durch – aber wenn’s so viel Spaß macht, passiert das halt … Muss ich noch erwähnen, dass die gesamte CD durchlief?
Mich holt die eingangs gestellte Frage nach dem „Was trinke ich?“ ein. Passend zur Jahreszeit ziehe ich den Korken eines aus dem Mendoza stammenden 2020er Puro Malbec heraus. Seine saftige Frucht und die weichen Tannine sind ebenso kraftvoll wie gleichermaßen sofort wohlschmeckend – das passt ja gleich als Beschreibung zur Box, kommt mir in den Sinn. „In der Nase offen und frisch, am Gaumen saftig, vielschichtig fruchtig nach reifen Kirschen und Pflaumen schmeckend sowie langanhaltend im Abgang“ – das kann man auch eins zu eins auf den Lautsprecher übertragen. Dieser kommt nämlich akustisch genauso vollmundig und vielfältig daher wie sein eben genanntes Wein-Pendant. Und ja, vom Weinerzeuger Dieter Meier stammt die nächste Musik. Yello mit dem Album Point – ganzheitliches Hören quasi. Ich fange diesmal mit „Siren Singing“ von hinten an. Fifi Rong, eine in London lebende chinesisch-britische Sängerin, ist immer wieder Gast bei Yello – eine durchaus glückliche Verbindung, wie ich finde.
Gnadenlos gut aufgenommen zeigt mir als Nächstes das Münchner Corazón-Quartett mit Levante die Wiedergabefähigkeiten der Jade 20 mit einer entwaffnenden Ehrlichkeit, wobei mir immer wieder der glaubhaft richtige und potente Bass vorgeführt wird – und die Klänge einer Akustikgitarre beim Titelsong holen mich dann final ab. Nochmal und leiser – wieder ist „alles da“, und „Was für ein Feingeist ist dieser Lautsprecher …!“ geht mir durch den Kopf. Kann er auch anders? Kann er! „Cradle Rock“ von Joe Bonamassa flutet gerade vollstofflich meinen Raum. Richtig viel musikalischer Vollgas-Sound, und der Jade 20 behält dabei jederzeit den Überblick in der Präsentation. Ton aus, Strom aus, die Ohren sind für heute gründlich versaut.
Gleich am nächsten Tag fällt mir die CD von Céline Moinet und L’arte del mondo & Werner Ehrhard mit Oboenkonzerten und Kantatensätzen J.S. Bachs in die Hände. Ein anerkennendes „Oh!“ entkommt mir, und ganz entspannt, tief versunken im Sessel lasse ich den gesamten Tonträger durchlaufen. Bleibt noch die Präsentation von Stimme, und die kommt sogleich von Adele. Mit 25 hat die Künstlerin wohl eines der bedeutendsten Popalben (nicht nur) ihrer Zeit abgeliefert. Dieses Meisterwerk nur auf „Hello“ zu reduzieren, wäre nicht korrekt. Jetzt höre ich mich selbst lachen, dabei gleichzeitig kopfschüttelnd, denn was der Jade 20 aus den weitgezogenen Klängen dieser Sängerin hier gerade aufzeigt, ist einfach „à la bonne heure“ … Noch mehr Beispiele gefällig? Na, dann ab zum nächsten Pylon-Audio-Händler, denn derart viel Klang zu diesem Preis gibt es nicht allzu oft, und genau so etwas wollen wir doch alle hören, oder?
Info
Lautsprecher Pylon Audio Jade 20
Konzept: passiver 2-Wege-Standlautsprecher
Nennimpedanz: 8 Ω
Frequenzbereich: 35 Hz bis 20 kHz
Nennleistung: 140 W
Maximale Leistung: 220 W
Empfindlichkeit: 91 dB
Bestückung: Hochtöner Pylon Audio PST 25PO.8, Tiefmitteltöner Pylon Audio PSW 32.8 CS
Verfügbare Ausführung: Amerikanische Walnuss
Maße (B/H/T): 38/64/41 cm
Gewicht: 25 kg
Garantiezeit: 5 Jahre (2 Jahre Standard + 3 Jahre nach Registrierung)
Paarpreis: um 3000 €, Ständer um 700 €
Kontakt
Audiovertrieb Frank Koglin
Junkernstraße 5–7
47051 Duisburg
Telefon +49 203 9346643
info@pylon-audio.de
Mitspieler
CD-Player: Restek Epos
Plattenspieler: Transrotor Dark Star mit Netzteil Konstant M1 Reference
Tonarm: Transrotor TRA 9S
Tonabnehmer: Audio-Technica VM760SLC
Phonoverstärker: RCM Sensor 2, Restek MRIA+
Röhren-Vollverstärker: MFE TA 845 SE, Thivan Labs 572/811
Lautsprecher: Heresy III mit Frequenzweichen von Elixir Loudspeakers, Thivan Labs Eros 9 Ultra
Zubehör/Kabel: HMS, AudioQuest, Oyaïde